Schlagwort: Ötztaler Radmarathon

Der Ötztaler Radmarathon 2024

Der Ötztaler Radmarathon 2024

Eigentlich wollte ich in den Tiefen meines Kellers graben, um alle Finisher Trikots des Ötztaler Radmarathons vom Staub und den Motten zu befreien. Dazu bin ich noch nicht gekommen. Ich habe nämlich ein großes persönliches Interesse herauszufinden, wie oft ich bisher tatsächlich beim Ötztaler Radmarathon am Start gewesen bin. Die Rechnung mit dem Erinnern und Aufzählen geht nicht auf. Wahrscheinlich die Rechnung mit den Finisher Trikots auch nicht. Denn ich kann mich leider nicht mehr erinnern, ob solche damals Ende der 90er Jahre schon vergeben wurden. Ich weiß nur, dass ich mindestens zweimal von Steinach am Brenner aus, den Ötztaler Radmarathon in Angriff genommen habe. Digitale Statistiken sind wohl auch schwer zu finden. In den 2000er Jahren war ich regelmäßig dabei. Auch bei den Sauwetter-Editionen 2003 und 2013. Egal. Der Ötztaler Radmarathon 2024 sollte (dürfte) meine 19. Teilnahme gewesen sein. Und alles kam so, wie von mir nicht geplant. Weil ich nie einen Plan habe.

Das Rennen Anfang September – back to the roots.

Was gab es im vergangenen Jahr für ein Tohuwabohu! Einen Ötztaler Radmarathon Anfang Juli. Ein neuer Termin. Gekommen, um gleich wieder zu gehen. Zu heiß und zu früh. Das wohl gängigste Resümee der Teilnehmer. Der Ötztaler Radmarathon 2024 bekam dann doch wieder seinen traditionellen Platz am Ende des Sommers. Oder zu Beginn des Herbstes. Zu spät und vielleicht zu kalt. Die Angst vieler konnte man Wochen und Tage in den diversen Foren spüren. Eines vorweg – das Wetter hat gepasst. Bis auf den obligaten Regenguss am Timmelsjoch und hinunter nach Sölden, einfach perfekt. Die Frage, was wäre gewesen, wenn wir den aktuellen Wetterumschwung gehabt hätten (Schnee sogar in Sölden möglich), stellt sich nicht. Aber es wäre interessant zu wissen, was dann passiert wäre.

Fakt ist. 12 Grad zum Start, dann gutes Wetter und nicht allzu heiß (Ausnahme St. Leonhard – Anmerkung: War es in St. Leonhard jemals kühl?) und ein mächtiger Regenguss zwischen 15 und 16 Uhr rund um Sölden. Viel Vorsicht umsonst. Ein Durchfahren ohne Windweste und Ärmlinge vom Start weg wäre machbar gewesen. Auch wenn das Kälteempfinden eine subjektive Wahrnehmung ist.

Die üblichen Verdächtigen: Küthai, Brenner, Jaufen und Timmelsjoch.

Bei jeder Teilnahme überlege ich mir schon während der Fahrt, worüber ich einen Beitrag schreiben könnte. Einige Erlebnisse, wandle ich dabei beim Fahren schnell in Überschriften und Absätze um. Leider vergesse ich diese ziemlich rasch, denn erleben kann man beim Ötztaler Radmarathon einiges. Mir wurde heuer beispielsweise live Übertragungszeit geschenkt. Ein Interview mit Christoph Sumann am Küthai und zwei Einblendungen während der Übertragung haben mir die Möglichkeit gegeben, zwei ans Herz gewachsene Begleiter (My Esel und BlacksheepEyewear) als Produkt zu platzieren. Dass ich beim Ötztaler Radmarathon einen Prototyp am Kopf getragen habe, hätte nicht besser inszeniert werden können.

Wie ich schon des Öfteren erwähnt und geschrieben habe, verlaufen beim Ötztaler Radmarathon in etwa 100 Kilometer bergab. Das kam mir auch dieses Mal sehr entgegen. Mit etwas überhöhtem Systemgewicht habe ich die Bergauf-Passagen weniger interessant empfunden. Die Abfahrten dagegen umso mehr. PR auf allen Abschnitten und Segmenten. Erstaunlicherweise auch den gesamten Teilabschnitt Küthai Passhöhe – Brenner. Liegt wohl an der großen Gruppe von Kematen bis zur Labe am Brenner. Die 105,5 km/h in der Abfahrt vom Küthai eventuell auch.

Mein Ötztaler Radmarathon kann wie folgt zusammengefasst werden: Abfahrt nach Ötz kontrolliert (samt Plauderei mit Thomas Dressen), Anstieg zum Küthai dosiert, Downhill nach Kematen teleportiert, längster Anstieg zum Brenner übertrainiert, Schuss nach Sterzing motiviert, hinauf zum Jaufenpass stimuliert, kurvenreich nach St. Leonhard in Passeier frustriert, erster Teil Timmelsjoch bis Moos kollabiert, zweiter Teil Timmelsjoch bis Schönau paralysiert, ab Schönau nach ein paar (vielen) Schweden Tabletten revitalisiert, auf der Passhöhe reinkarniert und die Abfahrt nach Sölden unkontrolliert auf nasser Fahrbahn. Alles in allem ein lustiger, wenn auch langer Tag am Rad.

Viel Geld für noch mehr Leid.

Allen, die das Ziel erreicht haben, ein Chapeau aus tiefstem Herzen. Von den ersten bis zu den Nachzüglern. Speziell jenen, die sich mit letzter Kraft das Timmelsjoch hochgeschraubt und dann hinuntertreiben haben lassen. Sie sind die wahren Helden dieser Veranstaltung. Wie Anton Palzer passend gesagt hat: 13 Stunden leidend Rennrad fahren und dafür auch noch bezahlen. Chapeau, natürlich auch jenen, die irgendwo entlang der Strecke nicht mehr weiter konnten oder durften. Ja, die Zeitlimits sind brutal. Speziell jenes am Jaufenpass. Hier glaubt jeder, es noch schaffen zu können. Aber der Rennleiter 3 ist oben am Pass ohne Erbarmen. Um 1430 Uhr ist hier Ende. Kopf hoch. Dankbar sein für die Erfahrung, daraus lernen und schnell einen neuen Anlauf nehmen.

Rennradfahrer sind echte Schweine.

Kommen wir aber jetzt zu den Schattenseiten des Ötztaler Radmarathons – das Littering. Man muss schon ein echtes Schweinderl sein, um den Müll einfach auf die Straße oder den Straßenrand zu werfen. Und das, obwohl beim Fahrerbriefing explizit darauf hingewiesen wurde. „Das Wegwerfen von Müll ist außerhalb der dafür vorgesehenen Zonen verboten und wird mit einem Ausschluss aus dem Rennen geahndet.“ Und was machen wir (einige von uns)? Werfen den Müll einfach weg. Gels, alte Kleidung, Trinkflaschen … Sogar live im TV bei der Übertragung. Ein Führender wirft beim Anstieg zum Küthai seine Flasche weg. Ungeniert. Verkorkste Kinderstube würde ich sagen (um politisch korrekt zu bleiben – mir würden ganz andere Sachen dazu einfallen). Absichtlich die Natur verschandeln. Dummheit, die jemand anderer ausmerzen muss. Ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Traurig.

Da war auch noch eine Dame hinauf aufs Küthai. Wirft die einfach ihr Gel weg. Obwohl ein hinter ihr fahrender sie darauf aufmerksam macht, fährt sie mir nichts, dir nichts einfach weiter. Arroganz auf zwei Rädern. Ich (ja ich!) bin am Brenner sogar nach dem Pinkeln zurückgefahren, um meinen Müll in die nicht übersehbare Tonne bei der Labestation einzuwerfen. Aus meiner Sicht gehört da viel mehr Härte seitens der Veranstalter. Mit Eigenverantwortung kommt man nicht weit – so ist der Mensch. So sind auch die RadfahrerInnen.

Kein Rennen, wie jedes andere.

Der Ötztaler Radmarathon 2024 war wieder einmal kein Rennen wie jedes andere. Das kann der Ötztaler Radmarathon nicht. Und will es auch nicht. Man spürt das Spezielle an jedem Eck und sieht dies auch jedem Gesicht an. Von den TeilnehmerInnen, über die HelferInnen, die Damen und Herren auf der Expo und auch in den Unterkünften. Der Ötztaler Radmarathon fesselt dich schon Monate davor und lässt dich Wochen danach immer noch nicht los. Schon jetzt wird darüber diskutiert, wie das Wetter am 31. August 2025 sein könnte. So etwas kann nur der Ötztaler Radmarathon. Zurecht.

Es ist diese Wärme, die man als TeilnehmerIn empfängt. Auch an der Strecke. Vom Start weg über die vielen Hotspots entlang der 227 Kilometer. Beste Stimmung und Unterstützung für alle. Das ist der Spirit des Ötztaler Radmarathons.

Und dann kommen noch die vielen BegleiterInnen, die ein ganzes Jahr die Launen der Partnerin oder des Partners ertragen müssen und mit ihnen sogar nach Sölden fahren dürfen (müssen?). Respekt und Danke. Für eure Zeit, eure Geduld, eure Aufopferung. Der Ötztaler Radmarathon ist ein teures Hobby. Eines, das jede Beziehung, wenn nicht beide vom Ötzi-Virus infiziert sind, schwer auf die Probe stellt und das ganze Familienleben rundherum organisiert. Das muss auch einmal gesagt und festgehalten werden. Für den Ötztaler Radmarathon lebt man ein ganzes Jahr lang. Vielleicht sogar ein Leben lang.

Ungewisse Zukunft – dasselbe Procedere.

Der 44. Ötztaler Radmarathon im nächsten Jahr, wirft jetzt schon seine Schatten voraus. Die Zukunft der heimlichen Weltmeisterschaft für HobbyfahrerInnen ist noch offen. Aufgrund der Baustelle auf der Brennerautobahn (Luegbrücke) gibt es derzeit noch keine Genehmigungen. Das OK-Team rund um Heike Klotz und Dominic Kuen haben alle Hände voll zu tun, das Event zu sichern, um am 31. August 2024 über 4.000 TeilnehmerInnen erneut auf Traumfang zu schicken. Auch wenn die Zukunft (noch) ungewiss ist – das Procedere ist dasselbe. Träumen, anmelden, Startplatz sichern, Familie informieren, trainieren, kalte Füße bekommen und dann einfach in die Pedale treten, um sein persönliches Ziel zu erreichen. Als Belohnung wartet die schönste Rechtskurve der Welt. Jene von der Dorfstraße direkt vor die Ötztal Arena. Hier gibt es den Lohn für alle Strapazen.

Cristian G.
#ktrchts

PS: Sollte die Gesundheit und die Glücksfee mitspielen, wäre 2025 meine 20. Teilnahme. Den Rekord hält Martin Strobl (heuer 79 in einer Zeit von 11 1/2 Stunden) mit 34 Teilnahmen. Jetzt habe auch ich einen Traum.

Ein paar Ideen für 2025.

Viel wurde heuer über zwei Themen diskutiert. Die über Nachhaltigkeit und über die Frauen vor den Vorhang. Beide Themen gehören noch stärker inszeniert. Frau eine andersfarbige Startnummer zu geben, ist zu wenig.

Ich wünsche mir einen eigenen Startblock für Frauen. Für jene, die nicht vorne starten dürfen (!) und nicht weit hinten starten wollen. (weil zB. der Partner/die Partnerin mitfahrt). Ein eigener Bereich vor dem 2. Startblock zum Beispiel. Mit Zugang von vorne. So hätten die Damen auch das Privileg, später an den Start gehen zu müssen. Wenn es dann noch im Zielbereich einen „Womans only“ Bereich geben würde, mit speziellen Services für Frauen, umso besser.

Und wer bei der Abholung der Startnummer ein gültiges Zugticket vorlegen kann, soll auch Vorteile haben. Ich denke da auch einen vorderen Startblock.

Was meint ihr dazu?

Der Ötztaler Radmarathon 2024

Ötztaler Radmarathon 2024

In weniger als 5 Wochen werden wir es wissen. Wir werden wieder schlauer sein. Wie immer. Um einiges schlauer. Wir werden wiederholt über wahr gewordene oder geplatzte Träume diskutieren. Auch über erfüllte und unerfüllte Hoffnungen sinnieren. Vieles wird erneut besser als erhofft oder schlimmer als erwartet gewesen sein. Wir werden nach Entschuldigungen und Ausreden suchen. Oder unsere Leistungen hervorheben. Wir werden über Leid und Freude berichten, werden Emotionen spüren und ganz besondere Gefühle erleben. Wir werden mit den letzten Kräften aus der Ötztal Arena ein ganz besonderes und begehrtes Stück Lycra abholen oder andere dafür beneiden. Mit Sicherheit werden wir das tun, was wir nach einem „Ötzi“ immer tun. Denn der Ötztaler Radmarathon 2024 wird ein Tag am Rennrad werden, wie es hunderte andere Tage auch gibt. Nur spezieller und unvergesslich. Es gibt eben nur die einen 227 Kilometer und 5.500 Höhenmeter.

365 Tage im Jahr, Ötztaler Radmarathon.

Der Ötztaler Radmarathon hat nun wieder seinen gewohnten Platz eingenommen. Für 2024 ist der 1. September rot im Kalender eingetragen. Die hochsommerliche und schweißtreibende Hitzeschlacht des vergangenen Jahres ist Geschichte. Zum Leidwesen all jener, die herbstliche Bedingungen überhaupt nicht leiden können. Eines ist sicher: Die Wahrscheinlichkeit, am Kühtai, am Jaufenpass oder am Timmelsjoch einen allerersten Gruß des Winters zu erleben, ist in den Tiroler und Südtiroler Bergen zu dieser Jahreszeit weitaus höher als Anfang Juli. Ein Blick auf die letzten Ausgaben spricht Bände. Logisch, dass das Thema Wetter bereits jetzt Diskussionsforen verstopft. Wer noch ohne Wetterangst ist, werfe den ersten Stein. ChatGPT hat sein Urteil schon gefällt. Mögen die Wetterspiele beginnen.

Wettervorhersage am 29. Juli 2024

Der Ötztaler Radmarathon wäre nicht der Ötztaler Radmarathon, wenn nicht Tage, Wochen und sogar Monate davor über alles diskutiert werden würde, was man über einen Tag im Sattel diskutieren kann. Angefangen vom Wetter, über die Kleidung, die Verpflegung, die Übersetzung, die Anreise, die Unterkünfte, die Betreuung, die Kleiderbeutel … Man könnte meinen, der Ötztaler Radmarathon findet 365 Tage im Jahr statt.

„Fährst du heuer (wieder) den Ötzi?“

Nach „Willst du mich heiraten?“ ist „fährst du heuer (wieder) den Ötzi“ möglicherweise die meistgestellte Frage. Eine Frage, die man wie beim Heiratsantrag mit Ja oder Nein beantworten kann. Passt gut, denn die Teilnahme am Ötztaler Radmarathon gleicht einem Bund fürs Leben. Ein Mal ist kein Mal und nach der Wiederholungstat wird man ihn lieben. In guten wie in schlechten Zeiten. Bis dass … Warum das so ist? Es ist so. Der Ötztaler Radmarathon hat seine eigenen Gesetze. Der Termin Anfang September sowieso. Weil der Sommer hier schnell in Winter umschlagen kann. Das wissen wir. Das befürchten wir.

43 Mal Ötztaler Radmarathon ist schon ein Rekord. Von den Anfängen 1982 bis jetzt hat sich viel getan. Bis auf die vier Pässe ist Jahr für Jahr selten alles beim Alten geblieben. Auch der Wechsel des OK-Chefs hat frischen Wind ins Ötztal gebraucht. Kennt ihr schon die neue ÖRM-App mit live Tracking, ÖRM-TV oder den ÖRM-Podcast? Der Ötztaler Radmarathon wird von Jahr zu Jahr immer mehr zum multimedialen und digitalen Rundum-Spektakel. Für alle SupporterInnen vor Ort und zu Hause. Nur in die Pedale treten müssen die TeilnehmerInnen immer noch selbst. Das hat sich in den 43 Ausgaben nicht geändert.

Mittendrin, statt nur daheim.

Ich darf auch heuer wieder an den Start gehen. Somit wäre die Frage geklärt. Nicht jene des Heiratens. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, wäre es dann die 19. Teilnahme. 16 Mal müsste ich das Ziel erreicht haben. Einmal habe ich gekniffen und zweimal hat mich der Besenwagen am Weg zum Timmelsjoch noch vor Moos in Passeier aufgegabelt. Keine schlechte Bilanz. Dass ich die besten Zeiten längst hinter mir habe, stört mich nicht. Ganz im Gegenteil. Ich brauche keine Entschuldigungen und Ausreden mehr. Über das Wetter, die Übersetzung, die Verpflegung oder die Bekleidung. Ich freue mich für alle, die sich ihren Traum erfüllen und leben einen Tag lang meinen. Egal was kommt.

#ktrchts

Ötztaler Radmarathon 2023

Ötztaler Radmarathon 2023

Es war eine heiße Premiere. Der Ötztaler Radmarathon 2023 hat in seiner ersten (und wohl letzten) Juli-Edition vielen TeilnehmerInnen einen großen Traum erfüllt, gleichzeitig aber auch einigen alle Hoffnungen auf das begehrteste Finisher-Trikot der Geschichte genommen. Der „Ötzi“ ist und bleibt gnadenlos. Er kennt Jahr für Jahr kein Erbarmen. Schwitzen oder frieren. Dazwischen gibt es selten Spielraum. Wer die letzten Jahre sein Königreich für einen wärmenden Sonnenstrahl am Timmelsjoch verschenkt hätte, wäre dieses Jahr an gleicher Stelle mit einem kühlen Schauer richtig glücklich geworden. Vielleicht haben einige sogar vom Schnee vergangener Jahre geträumt. Der Hitze zum Trotz haben von 4.337 StarterInnen (4.014 Männer und 322 Frauen) 3.869 den Weg ins Ziel nach Sölden gefunden. Sie alle dürfen sich über ein äußerst prestigeträchtiges Stück Lycra freuen. Chapeau. Natürlich auch den SiegerInnen Manuel Senni und Janine Meyer.

Plötzlich Juli und plötzlich Hochsommer.

Es war schon eine ganz große Überraschung, als der Termin 2023 für den 9. Juli angekündigt wurde. Ein Ötztaler Radmarathon im Hochsommer? Feine Sache. Ganz ohne Ballast. Keine Überschuhe, keine Merino-Socken, keine Mütze, keine Handschuhe, keine Beinlinge und vor allem kein nerviges An- und Ausziehen. Das war zumindest die Hoffnung. Hoffnung, aus der, je näher der Termin rückte, Gewissheit wurde. Der Celsius-Dreier war fix. Und wer St. Leonhard kennt, weiß, dass ein Vierer hier unten keine Utopie sein muss. Plötzlich Juli und plötzlich Hochsommer in Sölden. Es war also alles angerichtet. Für ein chilliges Rennwochenende. Ohne den gefürchteten Ötzi-Wetter-Schreck. Ein kühler Donnerstag, ein sonniger und frischer Freitag (samt Gewitter-Eintagsfliege), ein trockener Samstag und der heiße Rennsonntag, von dem viele noch ihren Enkeln erzählen werden.

Tipps vom Profi Anton Palzer.

Eine gute Vorbereitung ist das eine, der Renntag selber das andere. Und die Hitze? Die große Unbekannte. Zum Glück gab es Tipps von Anton „Toni“ Palzer (#goschnpoliern) beim Medienempfang im Bergzauber hoch über Sölden. „Viel trinken und vor allem essen. Bis zu 120 bis 140 g Kohlehydrate pro Stunde. Und eine Flasche mit Wasser. Zum Kühlen“. Na bumm. Aerobee haben 18-19 g Kohlenhydrate und 180 mg Salz pro Gel. Das wären dann 7,3 Packungen pro Stunde. Die Tipps vom Profi Anton Palzer waren gut gemeint, haben jedoch ein schier unlösbares Logistikproblem geweckt. Wohin mit den Gels? Das Wasser? Die Salztabletten? Das Pulver für die Flasche? Glücklich all jene, die eine Betreuung entlang der Strecke „buchen“ konnten. Trotz Vollpension entlang der 227 Kilometer mit insgesamt 5 + 1 Labestationen auf 5.300 Höhenmeter. Ein Hobbyrennen ist der Ötztaler Radmarathon schon lange nicht mehr.

Dead Valley auf 1500 Metern Höhe.

Alle haben sich es warm gewünscht. Alle haben es heiß bekommen. Der Höhepunkt der Hitze lag eindeutig zwischen St. Leonhard und Moos. Einen Wimpernschlag nach dem Blick auf das kühle Blau des Schwimmbades von St. Leonhard, welches auf der Abfahrt vom Jaufenpass prominent ins Auge gestochen ist. Hier wären einige liebend gerne stehen geblieben und abgetaucht. Ab hier jedoch erwischte es wohl alle. Die 29 Kilometer mit knapp 1.800 Höhenmetern hinauf auf das Timmelsjoch waren ein frontaler Angriff auf den Kreislauf aller noch im Rennen Verbliebenen. Der tiefste Punkt erreicht. Das Vorspiel abrupt beendet. Jetzt ging es nur noch ums Überleben.

Die Kunst bestand von nun an darin, zwischen Schwarzsehen, Umfallen und Kotzen trotzdem einfach weiter zu kurbeln. Rhythmus hatten da nicht mehr viele. Kühlung Mangelware. Die Dame im Bikini in Moos hatte alle Hände und Becher voll zu tun, die Temperatur aufgeheizter TeilnehmerInnen zu regulieren. „Mogsch a wosso?“ Mehr war nicht zu vernehmen. Gleichzeitig ergoss sich ein Wasserschwall vom Helm bis tief unter den Rücken. Zehn Sekunden Power. Dann war der Spuk vorbei. Auch die Motorradfahrer konnten nicht mehr wirklich helfen. Ihr Getränkevorrat entweder aufgebraucht oder brodelnd. Fast kochend. Dead Valley auf über 1500 Metern Höhe. Was für ein Traum.

Wem der Kreislauf zu kippen drohte oder wem dadurch langsam die Kräfte schwanden, war am Höhepunkt des Ötztaler Radmarathons 2023 angekommen. Auch die Qual, sich mit Energie versorgen zu müssen und die Unmöglichkeit, den Körper zu kühlen, war Teil des vorprogrammierten Untergangs. Die Gesetze des Ötztaler Radmarathon kann man nicht brechen. Weder im Juli, noch Ende August. Und was hatte Anton Palzer noch am Vortag gesagt?

Ötztaler Leiden

Zwischen Hitzewelle und Wattschwelle.

Der Mensch ist zu vielem fähig. Dazu braucht er den Kopf. Beim Rennrad fahren auch die Beine. Wenn diese nicht mehr wollen, hilft nur mehr der Kopf. Fehlt aber die Verbindung, ist es aus. Hitze und Watt sind schwer in Einklang zu bringen. Das haben die meisten gespürt. Der Ötztaler Radmarathon verwandelt dich. Vor, während und nach dem Rennen. Egal ob kalt oder heiß. Du bist im Ziel ein anderer Rennradfahrer. Eine andere Rennradfahrerin. Die Verwandlung dauert je nach Kondition und Willenskraft 7 bis 14 Stunden. Ganz egal wie oft du bereits am Start gestanden bist. Nirgendwo anders wird das Finisher-Trikot mit derartigem Stolz getragen und vorgeführt. Der Mythos lebt. Eine Erfahrung, die man als RennradfahrerIn gemacht haben will. Warum das so ist, können nur jene beschreiben, die dabei waren und dabei sein werden.

Der Ötztaler Radmarathon ist nicht nur ein Rennen. Es ist ein Urlaub bei Freunden und mit Freunden. Auch wenn nicht mehr ganz so erschwinglich. Wie alles im Leben. Ein Teller Nudeln für € 14,- ist fast wie von einem anderen Stern. Der Stern der Reichen und Schönen. Vonseiten der TeilnehmerInnen wird nicht nur auf der Strecke vieles abverlangt. Es ist auch der Verzicht auf dem Weg nach Sölden. Um in Sölden anzukommen, bleibt einiges auf der Strecke. Familie, Beruf, Vermögen. Das Ötztal hat vieles richtig gemacht. Die Frage ist, wohin es noch gehen wird. Der Hobby-Radsport darf kein elitäres Eventspielzeug werden. Ein Wochenende für 2 Personen in Sölden ist samt Startplatz unter € 1.000 fast nicht mehr zu kriegen. Aber so ist die freie Marktwirtschaft. Angebotsknappheit und ganz viel Nachfrage.

Es geht um die eigenen Grenzen.

Das mit dem schönen Wetter über den vier Pässen hat dieses Mal perfekt funktioniert. Der Juli hat seinen Vorteil voll ausgespielt. Ein Segen für die TeilnehmerInnen und den Veranstalter. Sogar der letzte Teilnehmer konnte bei Tageslicht knapp unter 14 Stunden sein Ziel erreichen. Stress war ihm dabei nicht anzusehen. Er brauchte weder eine wärmende Decke oder Folie noch fremde Hilfe. Der Allerletzte zitterte nicht. Nein, er strahlte und mit ihm die vielen noch im Zielraum verbliebenen ZuschauerInnen. Einzig die Lichter der vielen Begleitfahrzeuge von Rettung, Polizei, Rennleiter und Traumfänger kamen nicht so zur Geltung wie üblich, wenn über Sölden die Nacht hereinbricht. Der Party im Ziel hat das aber nicht geschadet. Hier weiß man, wie man den Tag zur Nacht macht und den Morgen danach gut verschleiert.

Beim Ötztaler Radmarathon geht es um die eigenen Grenzen. Grenzen, die man hier verschieben muss. Beim Schreiben dieser Zeilen sind die Anstrengungen nach wie vor zu spüren. Aber auch die erlebten Hochs und Tiefs. Das 15. Finisher Trikot ist gut verstaut. Die 18. Teilnahme (plus der virtuelle Ötzi 2020) ist „in the books“. Sofern die Rechnung stimmt. Aufzeichnungen aus einer Zeit, als noch Armbändchen die Durchfahrt am Jaufenpass bestätigt haben, gibt es keine. Klopfen wir auf Holz, dass es weitere Teilnahmen geben wird. Warum man sich das antut? Einmal mitfahren und man bekommt die Antwort. Nein, man spürt sie. Sie geht durch den ganzen Körper. Schüttelt dich durch und rührt dich zu Tränen. Der Ötztaler Radmarathon nimmt viel und schenkt dir am Ende mehr als du dir je erhofft hast.

2024 wird alles wieder gleich anders.

Tür auf und gleich Tür wieder zu. Danke Juli. Es war eine schweißtreibende Freude. Wir werden dich vermissen. Kehren zurück zur alten Tradition. Die Frage, wie das Wetter werden wird, beschäftigt uns jetzt schon. Wir werden uns alle wieder anstellen und hoffen, dass wir dabei sein dürfen. Denn nach dem Ötztaler Radmarathon ist wie immer vor dem Ötztaler Radmarathon. Nie mehr wieder, bis zum nächsten Mal.

Der Ötztaler Radmarathon 2023 in Zahlen: 3.869 FinisherInnen und 4.337 Heldinnen. Dazu noch Hunderte von freiwilligen HelferInnen und Tausende Begleitpersonen, ohne die der Ötztaler Radmarathon nicht das wäre, was er ist. Ein ganzes Tal steht kopf. Für all jene, die sich diesen Traum erfüllen wollen. Die nächste Gelegenheit ist am 1. September 2024. Bei vielleicht kühleren Temperaturen oder wie eh und je. Gnadenlos und ohne Erbarmen. Zwischen frieren und schwitzen. Mehr zum Event gibt es hier.

#ktrchts

Ötztaler Radmarathon Premiere.

Ötztaler Radmarathon Premiere

Endlich nicht schon wieder Ötztaler Radmarathon. Diesmal war das Warten aber viel kürzer. 10 Monate nach der letzten Ausgabe, geht der 42. Ötztaler Radmarathon dieses Jahr bereits im Juli über die vier bekannten und gefürchteten Pässe Kühtai, Brenner, Jaufen und Timmelsjoch. Der Mythos Ötzi platzt mitten in den Hochsommer und ist für alle eine Ötztaler Radmarathon Premiere am ungewohnten Termin 9. Juli. Ein gefundenes Fressen für das Ötzi-Phrasenschwein.

Die Ötzi-Karten neu gemischt.

Ganz egal wie besser oder schlechter der Anfang Juli im Vergleich zu Ende August sein wird. Die Karten werden neu gemischt. Und das, obwohl alles beim Alten bleiben wird. Das Murren über das Wetter, das Raunzen über die eigene Form, die Suche nach dem Last-Minute-Wunder-Dings (Einnahme oral, rektal, nasal – ganz egal), die ewige Diskussion über banale Dinge, das unkontrollierte Shoppen auf der Expo, das Suchen nach einem freien Tisch zum abendlichen Carboloading, die Handgriffe der Mavic-Profis an Schaltung und Rennrad sowie die natürliche Angst vor dem nassen und feuchten Morgengrauen. Anders wird nur das Tageslicht sein. Früher hell und später dunkel. Das macht die 224 Kilometer in diesem Jahr aber auch nicht einfacher.

Abwarten und Tee trinken.

Wie heiß die Suppe bei der Ötztaler Radmarathon Premiere jetzt im Juli gegessen wird, werden wir sehen. Oder bei einem Wetterumsturz sogar kosten werden können. Und ob der Juli auch nur mit Wasser kocht oder Wasser abwirft, ist auch noch nicht abzusehen. Abwarten und Tee trinken. Etwas anderes bleibt allen TeilnehmerInnen und der Organisation nicht übrig. Auch wenn wir sie gerne hätten. Die Gewissheit. Über alles, was uns am 9. Juli einen Strich durch die Rechnung ziehen könnte. Genauso wie jedes Jahr. Nur etwas früher.

Premiere Ötztaler Radmarathon

Egal, wie es kommt. Man kommt nicht drumherum.

Nicht drumherum kommen, aber rundherum fahren. Das ist der Ötzi 2023. Mit oder ohne Zusatzanstieg, entlang der Originalstrecke oder über ein oder sogar mehrere „Sattelen“. Niemand weiß es, alle würden es gerne wissen. Oft passiert es dann, wenn man nicht mehr damit rechnet. Der Ötztaler ist und bleibt ein Fragezeichen mit vielen Ausrufezeichen. Ein Doctor Jack-Hill und ein Mister-Ride. Die Sucht nach Drama und die Lust zu leiden ist ein böses Spiel.

Ois hoib so wüd (Alles halb so wild).

Damit können nur blutige Rookies (w/m/d) etwas anfangen. Wer den Ötztaler Radmarathon schon mindestens einmal gefahren ist, lacht hier. Obwohl es eigentlich stimmt. Denn ca. 90 der 224 Kilometer gehen bergab. Der Rest ist eben oder eben hügelig. Halb so wild, dafür aber ganz schön steil. Die Steigungsprozente werden am 9. Juli genau so nerven, wie an all den anderen Tagen im Jahr. Einzige Ausnahme sind jene Tage, an denen man nicht über Kühtai, Brenner, Jaufen oder Timmelsjoch fahren muss.

Ötztaler Radmarathon 2023

A geh, scheiß di ned au (Ach mach‘ dir nicht ins Hemd).

Was ist nicht alles schon über Tipps und Tricks zum erfolgreichen finishen geschrieben worden. Tipps, die begehrte Lycra-Trophäe zu ergattern. Ein Status-Symbol sein eigen zu nennen. Von der richtigen Übersetzung, die beste Ernährungsstrategie, über Taktik im Rennen, das Anstellen an den Labstationen, das Lutschen von Kematen nach Innsbruck, das Einbremsen hinauf auf den Brenner, das eigentliche Rennen ab Gastein, der Scharfrichter Timmelsjoch und natürlich das letzte senkrecht in den Himmel ragende Hindernis zur Mautstelle nach Hochgurgl. Es gibt nichts, worüber im Vorfeld oder nach dem Ötztaler Radmarathon nicht schon mindestens ein Mal geschrieben worden ist. Nichts? Fast. Mein Tipp: Scheiß di ned au! Auch nur eine Phrase, aber die ehrlichste.

Ist der Berg auch noch so steil, a bisserl was geht allerweil.“

Das ist es. Egal welche Phrasen auch immer am Ötzi-Wochenende fallen werden (und es werden viele fallen): Der beste Weg, ins Ziel zu kommen ist, einmal links und einmal rechts das Pedal zu drücken. Möglichst schnell und gleichmäßig hintereinander. Über einige Stunden lang hindurch. Zwischendurch ausruhen und dann gleich weiter. Wenn die Beine dann nicht mehr wollen, einfach mit dem Kopf (oder im Kopf) weiter pedalieren. Einmal links und einmal rechts. Möglichst schnell und gleichmäßig hintereinander. Denn „a bisserl was geht allerweil“.

Wir sehen uns in Sölden.
#ktrchts

PS: Weitere Ötzi-Phrasen gerne in den Kommentaren.

Danke Ötztaler Radmarathon. Einmal und immer wieder.

Ötztaler Radmarathon

Endlich ist die Mautstelle erreicht. Die letzte Hürde ist geschafft. Das Ziel in Sölden nur mehr wenige Kilometer entfernt. Noch einmal klein machen, ducken und laufen lassen. Aber Achtung. Die Straße ist nass. Die Kurven rutschig. Immer wieder verlege ich meine Bremspunkte in den Kehren auf die wenigen trockenen Stellen. Hier noch abzufliegen, wäre eine absolute Dummheit. Es ist erstaunlich, wie gut die Beine auf einmal wieder laufen. Alle Schmerzen lösen sich auf. Der Druck auf die Pedale katapultiert mich und den Rennesel nach vorne. Sölden zieht mich magisch an. Ein Solo wird vorbereitet. Ruhm und Ehre im Ziel wollen allein genossen werden. Der Windschatten wird negiert. Nix da. Lutschen verboten. Gegenwind? Egal. Vollgas. Unterlenker. Finisher kommen mir entgehen. Menschen entlang der Straße applaudieren. Vorgeschmack auf die Einfahrt ins Ziel. Noch eine letzte Kurve. Die Zeitmatte wird überfahren. Offizielles Ende. Jetzt kommt die Kür. Ab durch den RedBull-Bogen hinein in die Menge. Zum Schluss noch irgendwas für Publikum. Genau „the Dab“ und aus. Danke Ötztaler Radmarathon. Ich bin dein Finisher.

Ötztaler Radmarathon Timmelsjoch
Super Tuck.

Ötztaler Leiden.

Zigfaches Finish. Solide und routinemäßig. Doch es wird von Jahr zu Jahr nicht einfacher. Zumindest für mich. Die Guillotine am Jaufenpass rückt immer näher. Der Spielraum wird jedes Mal enger. Das Zeitlimit ist greifbar nahe. Der Blick auf die Zwischenzeiten der letzten Jahre zeigt es schwarz auf weiß. Und das ist nicht nur den Umleitungen zu schulden. Die Zeit zehrt. Das Alter nagt. Das Gewicht bremst. Mein Gott war ich früher jung. Schnell. Und vor allem leichter. Danke Ötztaler Radmarathon, dass du mir deinen Spiegel vorhältst.

Ötztaler Übersetzungen.

Die Technik ist ein Hund. Meinen ersten Ötztaler bin ich noch mit Heldenkurbel 39/23 gekrochen. Heute reicht meine 36/32 nicht mehr aus, halbwegs schnell kurbelnd über die Berge zu kommen. Ich plagte mich und muckste mich irgendwie nach oben. Meine Stehzeiten sind nicht jene an den Labestationen. Es sind viel mehr die Versuche, in den steilsten Passagen nicht vom Rennrad zu fallen und von der Physik besiegt zu werden. Beim Anblick der leichtfüßig kletternden MitstreiterInnen weichte die anfängliche Anerkennung purem Neid, je fortgeschrittener der Radmarathon war. Wie wär’s mit einer 34/34 beim nächsten Mal?

Ötztaler Linien.

RadfahrerInnen sind gute Zeichner. Das erkennt man an den Linien, die bergab in den vielen Kurven gezirkelt werden. Teilweise. Die Kehren sind aber auch ein Tohuwabohu. Der Ötztaler Radmarathon ist nicht nur Bergfahren. Um in den Steigungen nicht zu sterben, muss man zuerst einmal die gut 100 Kilometer Abfahrten überleben. Mitten in der Meute. Wo Einlenken, Steuern und Antreten in Kurven und aus diesen nicht immer im Einklang und stilistisch einwandfrei aufeinanderfolgen. RadfahrerInnen sind nicht alle gute ZeichnerInnen. Einige mit großem Faible zu abstrakter Kunst und Linieninterpretation.

Hold the line.

Ötztaler Strategien.

Überleben. Nachdem ich es 2021 vergeigt hatte, war die Strategie für 2022 das nackte Überleben. Einfach ins Ziel kommen und in die Geschichtsbücher eingehen. Siehe letzter Punkt. Natürlich habe ich mich die Tage zuvor mit Pansy’s Marschtabelle beschäftigt und mich so „ehrlich“ wie möglich einer magischen Zielzeit zu nähern. Die zusätzlichen Kilometer und Höhenmeter der Ausgabe 2022 haben daraus aber reine und unnötige Spekulation gemacht. Danke Ötztaler Radmarathon, dass du kaum Strategien zulässt und immer einen Plan B, C, D … verlangst.

Schön auch, dass ich die Kraft gefunden habe, auch mehrmals stehenzubleiben und die Landschaft zu streamen. Man wird im Alter nicht schneller, aber klüger auf der Suche nach Ausreden, nicht mehr weiterfahren zu wollen, um eine Pause einzulegen.

Ötztaler Wetter.

Wie das Wetter werden sollte, das hatte bis zuletzt niemand gewusst. Am Ende war es aber gar nicht so schlecht, wie letztendlich vorausgesagt. Trotzdem war das Wetter am Renntag wie immer schlechter als die Tage zuvor und am Montag danach. Typisch und wie bestellt (verflucht). Dass es in der Früh Richtung Ötz trocken war, kann als Vorteil gewertet werden. Auch wenn bei nasser Fahrbahn viel mehr Vorsicht das Feld begleitet hätte. Bis Ötz war ich auf jeden Fall weder zu warm angezogen, noch musste ich frieren. Perfekt. Bis in den Anstieg zum Kühtai. Hier hat sich die Wärme zuerst und dann die Hitze an meinem Körper gestaut. Zum Leidwesen meines Flüssigkeitshaushaltes.

Kalt, warm, heiß. Danke Ötztaler Radmarathon, dass du so unberechenbar bist. Dass du den Geist forderst und Entscheidungen verlangst, die ich so nie treffen kann. Weil ich einfach nicht frieren will.

Kalt, warm, heiß … Ötztaler Wetter.

Ötztaler Weisheiten.

Immer kommt es anders als man denkt. Das ist eine ganz spezielle Weisheit beim Ötztaler Radmarathon. Diesmal durfte ich das am Weg zum Brenner erleben. Ich hatte mir vorgenommen, hier nicht zu übertreiben. Das mache ich üblicherweise. Gruppe um Gruppe ließ ich vorbeiziehen. Auch den Organisator des Istria 300. Statt weiter mit ihm zu plaudern. Mein Puls war zu hoch, meine Leistung zu niedrig. Keine gute Kombination. Irgendwas passte zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr). Eine unerwartete Systemstörung. Ich musste unter der Europabrücke brutal anhalten. 155 Pulsschläge im Stehen? Und es wurde nicht besser. Brauchte über 10 Minuten für ein Systemreset. Bis ich mich wieder auf den Weg machte, war das halbe Feld vorbeigerauscht. Richtung Brenner war ich dann meine eigene schnelle Gruppe. Einsam und langsam.

Ötztaler Emotionen.

Es sind immer wenige Sekunden. Ganz kurze Augenblicke. Jene Momente, die mich beim Ötztaler Radmarathon für alles entschädigen. Wahrscheinlich spreche ich da für viele. Diese Momente brennen sich ein. Sie gehen mir tief unter die Haut. Sie können sogar Tränen auslösen. Und tun es auch. Emotionen, die nur der Ötztaler Radmarathon hervorzaubern kann. Den Ötztaler Radmarathon fährt man nicht. Man spürt ihn. Er fesselt dich und lässt dich erst Tage später wieder los. Danke Ötztaler Radmarathon. Einmal und immer wieder.

Ötztaler Gänsehaut.

Ötztaler Regeln.

Die einzige Regel, die auf den Ötztaler Radmarathon zutrifft, ist, dass er sich an keine Regeln hält. Noch schlimmer. Er macht seine eigenen Regeln. Heuer neu eine Section Control und eine neutralisierte Zone am Radweg nach der Labe am Brenner. Mit all den damit zusammenhängenden Verboten. Kein Pinkeln, kein Stehenbleiben, keine Pausen, maximal 25 km/h. Ich habe mich daran gehalten (Durchschnittsgeschwindigkeit in diesem Segment 18,7 km/h). Andere weniger. Viel weniger. Viel Platz für Diskussionen gab es auf dem sehr engen Fahrstreifen sowieso nicht.

Eine weitere Regel ist, dass kein Müll weggeworfen werden soll (darf). Nur in den eigens dafür gekennzeichneten Zonen. Das Ende der Wegwerfzone, dürfte vielen nicht einen Hauch von Interesse abgewonnen haben. RadfahrerInnen sind Schweinderln. Leider.

Ötztaler Premieren.

Als erster Mensch überhaupt habe ich den Ötztaler Radmarathon auf einem Rennesel beendet. Mein Rennrad aus Holz verleiht mir diesen Eintrag in die Geschichtsbücher. Es war hart, es war härter und es war einfach Ötztaler Radmarathon.

Danke Ötztaler Radmarathon. Für all diese und jenes. Du gibst mir die Motivation, Jahr für Jahr an mich zu glauben. Solange ich dich schaffe, gehöre ich nicht zum alten Eisen. Ich komme wieder. 9. Juli 2023. Sei mir gnädig.

#ktrchts

Ötztaler Radmarathon 2022.

Ötztaler Radmarathon

Sag zum Abschied leise „Servus“. Der Ötztaler Radmarathon 2022 findet zum letzten Mal Ende August statt. Er verlässt den Pflichttermin für das alljährliche Familienfest im Ötztal. Bis auf ein paar wenigen Ausnahmen, so wie 2017, war der letzte Sonntag im August für viele RadsportlerInnen das Highlight ihres Radsommers. Und für das Wetter war Ende August die beste Gelegenheit, sich in und rund um Sölden vom Sommer- auf den Wintermodus umzustellen. Noch kann keiner genau sagen, was sich der Wettergott dieses Jahr einfallen hat lassen. Eines ist aber bestimmt. Der 28. August 2022 wird mit oder ohne Regen, Schnee und Hitze in die Geschichte eingehen. Es wird jener Tag sein, an dem wir uns alle zurückerinnern werden. Damals werden wir sagen. Damals wussten wir, dass es in der Höhe schneien würde. Dass alle Regenjacken im Ötztal vergriffen sein werden, die Expo laut „Sold Out“ schreien würde für alles, was irgendwie mit Gore-Tex zu tun habe. Und eine Wetterfee nach der anderen, die Apokalypse bekannt geben musste. Wetterwarnungen vom Veranstalter inklusive. All das wussten wir im Voraus. 2023 wird alles gleich sein. Nur eben anders.

© Ötztal Tourismus/Fotograf Jürgen Skarwan

Das Wetter wird gleich sein. Nur anders.

Hochalpine Freiluftveranstaltungen bergen ein gewisses Risiko. Man kann sich dabei nie sicher sein. Das macht die Sache spannend bis zum Startschuss. Nicht nur im August. Womöglich, nein, ganz sicher auch Anfang Juli im nächsten Jahr. Der Reiz ist diese Ungewissheit und diese Ungewissheit reizt. Nein, sie triggert. Jahr für Jahr. Man will den Epos, scheut aber, Teil davon zu sein. Alle jene, die 2003 gestartet sind und all jene, die 2013 gelitten haben, wissen ein Lied davon zu singen. Auch wenn der Ötztaler Radmarathon Jahr für Jahr seine eigene Geschichte schreibt, diese zwei Jahre waren episch und kaum zu überbieten. Wenn, ja wenn nicht ein Jahrhundertwinter bevorsteht und das Timmelsjoch Anfang Juli noch im Restschnee versinkt. Dann wird ein ganz neues Kapitel geschrieben. Vom Mythos, von den Helden, von den Sonntagen Ende August, als es eigentlich doch ganz angenehm war.

Wir können es drehen und wenden wie wir wollen. Zu heiß, zu kühl, zu kalt, zu trocken, zu nass, zu lang und zu steil. Wir alle wissen, dass der Ötztaler Radmarathon kein Kindergeburtstag ist. Treten freiwillig an, um uns zu quälen. Haben es stets selbst in der Hand. Jede Entscheidung ist unsere eigene. Und doch suchen wir immer einen Schuldigen. Das Wetter, der Monat, die Umleitung … um nur ein paar zu nennen. Von den individuellen Ausreden und Missgeschicken wollen wir gar nicht anfangen. Dasselbe gilt für die Höhenmeter. Einmal sind es zu viele, dann wieder zu wenige. Heuer beispielsweise sind es auch wieder etwas mehr. Als erhofft.

© Ötztal Tourismus/Fotograf Rudi Wyhlidal

Der Mythos Ötztaler Radmarathon lebt.

Der Ötztaler Radmarathon wäre kein Mythos, gäbe es nicht das jährliche Murmeltier, das uns alle grüßt. Nicht nur zum Thema Wetter. Denn auch die Strecke wird schön langsam zur Diva, die gerne überrascht und sich nicht festlegen will. War es im letzten Jahr das Sattele, so beschert der Ötztaler Radmarathon 2022 allen TeilnehmerInnen gleich drei Umleitungen. Eine für immer (sofern es das gibt) und zwei temporäre. Im Sellrain schenkt eine Baustelle allen StarterInnen 5,7 Mehrkilometer und 182 Mehrhöhenmeter, die Umleitung am Brenner ist nicht der Rede wert und in Sterzing gibt es bei fast identer Streckenlänge jedoch noch einmal 111 Höhenmeter obendrauf. Das macht 2022 fast tatsächliche 5.500 Höhenmeter über die gesamte Strecke. Der Mythos lebt, denn obwohl es auf jeder offiziellen Ausschreibung steht, verursachen diese 5.500 Höhenmeter wieder einmal Chaos. Wir wollen die 5.500 Höhenmeter und prahlen damit. Fahren will sie aber niemand. So wie letztes Jahr war und so wie es die nächsten Jahre sein werden. Mitsamt dem Wetter. Warum eigentlich?

Eine Frage, die sich wohl kaum beantworten lässt. Mythen sind Mythen. Und der Ötztaler Radmarathon ist eben kein gewöhnlicher Radmarathon. Er fesselt dich, er verschlingt dich und spukt dich erst wieder aus, wenn du deine Leidensfähigkeit unter Beweis gestellt hast. Dann, wenn du am Timmelsjoch den rettenden Tunnel erreichst hast. Dich dann noch zur Passhöhe quälen konntest und mit den letzten Konzentrationstropfen die Abfahrt zum Gegenanstieg zur Mautstation überlebt hast. Diesen anschließend, egal wie, noch hochkommst, um dich dann frisch wie schon lange nicht mehr, mit den letzten freigewordenen Kräften im freien Fall nach Sölden hinunterwirfst.

Augen zu und durch, hinauf und hinunter.

Jeder Kilometer des Ötztaler Radmarathon ist es wert. Und wenn es mehr sind, gibt es eben mehr Kilometer zum selben Startgeld. Jeder Höhenmeter ist es auch wert. Und sind es mehr, dann hat man eben mehr davon zum selben Startgeld. Wenn das geklärt ist, dann können wir bitte wieder über das Wetter reden. Wie wird es am 28. August 2022 und vor allem am 9. Juli 2023?

#ktrchts

#ÖtztalerRadmarathon

Das Ötztaler Radmarathon Jubiläum.

Ötztaler Radmarathon Jubiläum

Was wurde im Vorfeld nicht alles über dieses heiß ersehnte Ötztaler Radmarathon Jubiläum geschrieben und diskutiert. Über die neue Strecke hinauf auf den Haimingerberg, über das Wetter und über alles andere, worüber vor dem Rennen Jahr für Jahr sowieso auch unzählige Male debattiert wird. Diesmal vielleicht zurecht. Möglicherweise wenig sachlich, dafür umso emotionaler. Weil eben die Kombination aus all dem bei vielen Teilnehmer*innen am Freitag und Samstag und sogar am Sonntag in der Früh etwas ausgelöst hat. Ob es Angst, Respekt, Sorge oder einfach nur ein ungutes Gefühl war, lässt sich schwer sagen. Auf alle Fälle hat das 40. Ötztaler Radmarathon Jubiläum nicht nur einiges versprochen, sondern auch gehalten. Hart. Härter. Jubiläum.

Feste soll man feiern, wie sie fallen. Radmarathons auch.

Es hätten apokalyptische Zustände sein sollen. Wenn die Vorhersagen einiger (fast aller) Wetter-Apps und Wetterexpert*innen eingetroffen wären. Diese Radwelt-Untergangsstimmung hat viele davon abgehalten überhaupt nach Sölden zu fahren und letztendlich am Sonntag um 6:30 Uhr am Start zu stehen. Der Autor ist selbst im Dilemma zwischen Gesundheit und Abenteuer fast verfallen. Am Ende waren von den 4.010 Gemeldeten gerade einmal 2.754 am Start. Auch der Autor. Das Ziel gesehen haben davon 2.261. Nicht der Autor. Aber diese Geschichte wollen wir etwas später erzählt bekommen.

Die Vorhersagen haben also das Schlimmste befürchten lassen. Zum Schluss hat sich nur eine der vorhergesagten Katastrophen bewahrheitet. Der Haimingerberberg. Das Sattele mit seinen 1.000 Höhenmetern auf knapp 9 Kilometern Länge war kein Aufwärmen nach der Abfahrt bis Haiming, sondern ein frühmorgendlicher Saunaaufguss. Zu schwer. Viel zu schwer. Natürlich auch der Berg selbst. Viel mehr war es aber der Ballast an Winterjacken, Überschuhen, Beinlingen, Handschuhen und Mützen vieler, die, weil sie gut aufgepasst hatten, sich vorsichtshalber zu warm angezogen haben und eher für ein Winter-Opening gerüstet bereit gewesen wären . Autor inklusive. Es war die Hölle. Und das Flehen nach etwas Kühle wurde erst hoch oben am Kühtai erhört. Ist schon paradox. Man startet in der Früh eingepackt mit der Angst zu erfrieren und wünscht sich dann am ersten Berg etwas mehr Abkühlung. Hart. Härter. Ötztaler Radmarathon Jubiläum.


Meistens kommt es anders. Und schöner als man denkt.

Dem nicht genug. Während die Abfahrt vom Kühtai nach Kematen dank Thermo von der Temperatur her angenehm war, stieg am Weg zum Brenner und dann weiter nach Sterzing die Gefahr, das Lungen-Muskel-System weiter zu überhitzen. Der Höhepunkt dieser Overdressed-Strategie wurde dann am Fuße des Jaufenpasses erreicht und in St. Leonhard wiederholt und sogar übertroffen. 20° plus hatte niemand auf der Rechnung. Statt des erwarteten und prognostizierten Schneefalls wurden die meisten Teilnehmer*innen mit typischen Ötztaler Radmarathonwetter vom Wettergott so richtig auf die Schaufel genommen. Das Gefühl, innerlich an Hitze zu explodieren, hat auch der Autor mehrmals erlebt. Ausziehen war aus Mangel an Taschen zwecklos. Die Lehre daraus? Manchmal kommt es anders, als man denkt. Und das sogar noch viel schöner und besser.

Aller Fahrer*innen unter 8, 9 und sogar 10 Stunden hatten also ein mehr als passables Ötztaler Radmarathon Jubiläum. Mit dem Prädikat trocken. Etwas unterkühlt vielleicht. Die anderen haben das erwischt, was allen hätten blühen sollen. Zuerst Eisregen, dann Regen, später und am Ende Land unter. Von Schönau bis Sölden. Von 17:30 Uhr bis zum Eintreffen des letzten Teilnehmers im Ziel. Spät aber doch. Leider. Es bleibt der Trost, dass der Montag noch grauslicher gewesen wäre. Hart. Härter. Sauwetter am Timmelsjoch. Wie jedes Jahr.

Jubiläum mit Tücken.

Es war also ein Jubiläum mit Tücken. Ein klassischer Ötztaler Radmarathon. Das Jahr Pause hat dem Event überhaupt nicht geschadet. Ganz im Gegenteil. Es war fast alles wie immer. Das Flanieren in der Expo, die Fachsimpeleien unter Kolleg*innen, die Hektik am Mavic Reparaturstand, das Relaxen im Hotel, der acht Euro 50 teure Apfelstrudel im ice Q am Gaislachkogel, das Zuschauerspalier am Kühtai, die Fankurve am Bergisel in Innsbruck, die Dolce Vita am Brenner, der Adrenalin-Kick im Gossensaß-S, das rettende Wasser am Alpenblick in Kalch, die mittlerweile zur Autobahn gewordene Abfahrt nach St. Leonhard in Passeier …

Das Ötztaler Radmarathon Jubiläum hat nichts ausgelassen und business as usual angeboten. Das Fehlen der Pasta-Party ließ sich mit einem € 12 Gutschein gut verkraften. Und die 3G-Regel hat nur einmal einen kleinen Aufwand verursacht. Das gelbe oder rote Band haben alles schnell in Normalität übergehen lassen. Dominik Kuen und sein Team können (und dürfen) aufatmen.

Ötztaler Radmarathon

Über das bessere Wetter darf und soll man sich also nicht beschweren. Die Ausweichstrecke war auch keine gewollte Schikane. Zum Jubiläum hat alles so sein wollen. Dass einige die Gesundheit über das Risiko gestellt haben, ist groß anzurechnen. Egal ob sie jetzt nicht gestartet sind oder aufgegeben haben. Und wer gar nicht nach Sölden gekommen ist, der wird auch seine Gründe gehabt haben. 2022 gibt es wieder eine Chance. Dann heißt es 40 Jahre Ötztaler Radmarathon, nachdem der erste im Jahr 1982 ausgetragen wurde. Noch ein Jubiläum am 28. August 2022. Noch einmal Haiminberberg? Vom Wetter reden wir jetzt noch nicht. Das tun wir sowieso.

DNF is an option. Der Autor hat sich aufgegeben.

Zurück zum Autor, der bei seiner 15. Teilnahme am Ötztaler Radmarathon zum dritten Mal das Finisher-Trikot nicht abholen konnte und zum zweiten Mal das Rennen im Besenwagen zu Ende bringen musste (wollte). Einmal ist er gar nicht an den Start gegangen. Auch das gibt es.

Für ein DNF gibt es keine Ausreden. Es war eine lang aufgeschobene Entscheidung, die schon am Weg zum Sattele maturierte. Zu groß die Rückenschmerzen, die schon einige Wochen den Alltag und das Training geprägt hatten. Kühtai, Kematen, Innsbruck, Brenner, Sterzing, Jaufenpass und St. Leonhard wollten noch mit Willenskraft erreicht werden. Letztendlich kam knapp 27 Kilometer vom Timmelsjoch entfernt das freiwillige und erlösende Aus. Es war eine schmerzliche, aber richtige Entscheidung. Am Straßenrand sitzend und wartend zuerst und im ewig nicht daherkommenden Besenwagen danach, konnte deshalb eine andere Sicht auf den Ötztaler Radmarathon geworfen werden. Jene mit Fokus auf die wahren Helde*innen. Bei den Fahrer*innen und Helfer*innen.

Was hinter den Schnellsten passiert, gehört in den Mittelpunkt. Der Autor möchte die letzten Zeilen genau diesen Menschen widmen. Sie machen den wahren Spirit des Ötztaler Radmarathons aus. Jene Menschen, die unbedingt das Ziel erreichen wollen und jene Menschen, die alles geben, damit jeder das Ziel auch erreichen kann. Die letzten Kilometer hinauf auf das Timmelsjoch sind zwischen 18 und 19:30 Uhr ein Film in Zeitlupe. Die verzweifelten Blicke jener sich Tritt für Tritt nach oben Kämpfenden sprechen Bände. Sie sind emotionale Ausdrücke einer verbissenen Leidenschaft. Der Allerletzte wird umzingelt und angefeuert. Er hat die wartende Ausflugsmeute im Nacken und ist jener, der entscheidet, wann hier alle Helfer*innen Feierabend haben werden. Großen Respekt.

Man muss nicht schnell sein, um zu gewinnen.

Eine war die Schnellste, einer der Schnellste. Einige schnell und andere nicht schnell genug. Aber gewonnen haben alle. Jene, die ins Ziel gekommen sind und jene, die ihren Traum auf ein anderes Mal verschieben mussten. Hauptsache alle gesund. Was bleibt, sind viele persönliche Eindrücke und Geschichten sowie ein starkes Miteinander. Die kleinen Kinder in Steinach am Brenner, die zum Abklatschen am Straßenrand stehen, sind hoffentlich die Starter von morgen. Die zwei Trommler vor dem Schlössl ausdauernder als so mancher im Feld. Das ist der Ötztaler Radmarathon. Mit oder ohne gemeinen Haiminberberg. Ebenfalls mit oder ohne Regen, Schnee und Hitzestau. 2021 wird als der vermeintlich härteste Ötztaler Radmarathon in die Geschichte eingehen. Alle Finisher-Trikot Inhaber*innen werden diesen ganz besonderen Lycra-Stofffetzen mit breiter Brust ewig in Ehren halten und stolz ausführen dürfen.

#ktrchts

Ötztaler Radmarathon Wetter. Vorschau.

Ötztaler Radmarathon Wetter

Nichts wird so heiß diskutiert wie das Ötztaler Radmarathon Wetter. Weil das Wetter beim Ötztaler Radmarathon Freund und Feind sein kann. Und sein wird. Monate und Wochen davor fängt das Fachsimpeln an. Und die ewige Diskussion. Fallen die Langzeitprognosen einhellig aus – was ausnahmsweise nie der Fall ist, dann ist alles gut. Kommen hingegen Wörter wie Schnee, Regen und Kälte dazu, dann ist die Hölle los und die ganzen Diskussionen schaukeln sich hoch. Zum 40. Jubiläum des Ötztaler Radmarathons (und zum 40. Jubiläum des Ötztal Radmarathon Wetters) haben wir aktuell genau diesen Worst Case. Ein Tief über Polen hat den Sommer im Ötztal abrupt gebremst. Der Winter hat hoch oben bereits seine Fühler ausgestreckt. Und das Wetter am Sonntag, 29. August 2021? Keine Ahnung. Dafür keine rosigen Prognosen.

Das Wetter in den Bergen ist wie Lotto spielen.

Es sei schlimmer als 2018. 2002 und 2013 waren es schlimm, aber nicht so kalt. Alte Hasen des Ötztaler Radmarathons haben die Jahrgänge im Kopf. Jahrgänge des Zitterns und des Bibberns. 2021 soll und kann in die Geschichte des Ötztaler Radmarathons werden. Die Prognosen sehen düster aus. Auch wenn sie sich täglich (stündlich) ändern. Sonniger und wärmer wird es nicht. Ganz im Gegenteil. Alles, was warm hält, ist auf der Expo schon ausverkauft. 4.000 Starter bereiten sich auf das Winter Opening vor. Zum Glück wird die Suppe oft nicht so warm gegessen wie gekocht. Aber die Ängste uns Sorgen haben ihre Berechtigung.

Lisa Brunnbauer (aka Lisa Wetterfee und mehrmalige Ötztaler Radmarathon Finisherin) bringt es schon seit Tagen auf den Punkt. Es wird kein Kindergeburtstag. Die Großwetterlage ist eindeutig. Das Tief über Polen ist schuld. Den Rest werden wohl die lokalen Wetterphänomene anrichten. Und die sind schwer vorauszusagen. Sie hängen von vielen Faktoren ab, die man schwer prognostizieren kann. Temperatur, Sonneneinstrahlung, Wind, Niederschlagsmenge … Mit und ohne, korreliert gibt es dann das was man dann als „war aber nicht vorausgesagt“ bezeichnet.

Das Wetter für Sonntag, 29. August 2021

Wie soll und darf also das Wetter werden? Dank eines Insiders (Meteorologe) liegen folgende Informationen vor: Stand Freitag, 27. August 2021:

Also, meine Einschätzung nach Sichtung der neusten Modelle… 3 kamen in Betracht und der Ablauf ist relativ ähnlich, die Intensität unterschiedlich. Zum Start dürfte es von oben her trocken sein, Restnässe von der Nacht wird es geben… 8 Grad. Am Vormittag wird es aus den reingestauten Wolken rund um Innsbruck immer häufiger tröpfeln, aber man sollte ohne großen Regen zum Brenner kommen, auf 2000 m rund 2 Grad, am Brenner 9. Der Südtiroler Abschnitt wird deutlich wärmer, trocken, wolkig mit etwas Sonne, Sterzing 14 Graf, Jaufenkamm 4 Grad.

Zum Anstieg aufs Timmelsjoch immer dunklere Wolken und noch vor dem Passübergang einsetzender Regen, Schneefallgrenze etwas unsicher, im schlechtesten Fall 2200 m, im besten Fall 2400, am Passübergang rund 1 Grad und Schneefall, feucht und immer wieder etwas Regen bis ins Ziel. Die Modelle schwanken bezüglich der Intensität dieses Niederschlags zum Ende des Kurses, von leicht bis kräftig, nass ist es aber in jedem Fall. Ich hoffe, das gibt Euch einen Eindruck, Detailfragen jederzeit hier.“

Stand Samstag, 28. August 2021:

„Ich hab nun die aktuellsten Frühläufe der mir vorliegenden 4 Modelle gecheckt… das gestern gesagte hat bis vor dem Anstieg auf das Timmelsoch bestand… nun ist es einhellige Simulation, dass von Nordwesten her zwischen 13 und 15 Uhr, je nachdem, eine umgebogene Okklusion (😝) die Ötztaler Alpen erreicht und es oben bei einer Schneefallgrenze von etwa 2200-2300 m kräftig schneien lässt. Wie die RL damit umgeht, wenn es so eintrifft, kann ich kaum beurteilen.“

Wetterglück oder Badass

Ein weiterer Insider:

Also Wetter sieht bis auf das Timmelsjoch eigentlich weiterhin ganz OK aus … Nur haben jetzt alle Modelle den Niederschlag der aus dem Norden am Nachmittag reinzieht nochmal deutlich angezogen… Demnach würde irgendwann zw 14 und 16 Uhr am Timmelsjoch starker Schneefall einsetzten bei um 0 Grad der dann auch bis zum Abend/in die nach hinein anhalten würde.“

Es kommt also auch am Sonntag wie immer im Leben darauf an. Wann man wo ist. Die Wahrscheinlichkeit mit einem blauen Auge davonzukommen ist gegeben. Sub 8 Stunden Fahrer*innen haben dabei die besten Chancen. Bei den sub 9 Stunden Fahrer*innen wirds eng. Alles andere muss den Fahrer*innen selbst und der Organisation überlassen werden.

Auf alle Fälle der Tipp an alle: Vergesst Bestzeiten und Heldentum. Die eigene Sicherheit geht vor. Und ein Aufgeben oder Abbrechen ist keine Schande. Wenn wir am Sonntag alle wieder gesund im Ziel sind, dann haben wir alle gewonnen.

#ktrchts

40. Ötztaler Radmarathon. Jubiläum mit Hindernissen.

40. Ötztaler Radmarathon

Es ist wieder angerichtet. Das Ötztal ruft. Nach einem Jahr Pause findet in wenigen Tagen der Ötztaler Radmarathon statt. Zumindest darf man davon ausgehen. Die Pandemie schläft nicht und die Natur auch nicht. Ein Felssturz hat vergangenen Montag die Auffahrt zum Kühtai unpassierbar gemacht. Totale Straßensperre. Die gewohnte Ötzi-Strecke braucht eine Umleitung. Zwei Alternativen stehen zur Auswahl. Man kann 4.000 Teilnehmer*innen über das Inntal nach Innsbruck schicken oder sie über den Haimingerberg und den Silzer Sattel (das Sattele) Richtung Ochsengraben und dann weiter aufs Kühtai lotsen. Schon 1992 und 2002 war diese Routenführung Ersatzstrecke. Sie würde dem 40. Ötztaler Radmarathon wieder 10 Kilometer und ca. 300 Höhenmeter oben draufpacken. Damals wurde das aber nie und nimmer so kontrovers diskutiert wie heute in Zeiten, wo man gerne aus jeder noch so kleinen Mücke einen Elefanten macht. Auch in Radfahrerkreisen. Man hat anscheinend ja sonst keine Sorgen.

Endlich 238 Kilometer und 5.500 Höhenmeter.

Ganz egal was. Die Gesellschaft hat immer etwas zu meckern. Jetzt wo der Ötztaler Radmarathon durch die Umleitung endlich ehrliche 238 Kilometer und 5.500 Höhenmeter bekommt (sogar ein paar mehr), steht die Radfahrerwelt Kopf. Zu schwer, zu hoch, zu steil bei den einen, zu leicht bei den anderen. Der Haimingerberg wird zum Feinbild. Plötzlich sind angepeilte Bestzeiten in Gefahr oder Karenzzeiten zu knapp bemessen. Es werden Forderungen laut, früher starten zu dürfen und die Zeitlimits zu verlängern. Die vielen steilen Rampen (bis 14 %) würden Staus verursachen und so manchen zum Absteigen zwingen. Man kann in den Facebook-Gruppen einige solcher Absurditäten lesen.

Aber auch das Inntal bekommt sein Fett weg. Es sei zu gefährlich, 4.000 Starter*innen in einer Wurst nach Innsbruck zu schicken. Und außerdem wäre dann der Ötzi zu leicht, wenn einem das Kühtai abhandenkommen würde. All dies noch bevor seitens der Organisation ein Statement und eine offizielle Ersatzstrecke verlautbart wurde.

Ersatzstrecke Ötztaler Radmarathon

Jammern auf Rennradfahrer-Niveau.

Der 40. Ötztaler Radmarathon feiert wohl ein Jubiläum mit Hindernissen. Schade. Denn statt zu feiern und sich zu freuen, wird auf typischem Rennradfahrer-Niveau genörgelt. Das zeigt schon, wie verbissen manche in dieser Community sind. Nicht alle, das muss an dieser Stelle deutlich betont werden. Muss es wirklich immer nur um Bestzeiten gehen? Bestzeiten, die eine Straßensperre und die damit verbundene Umleitung möglicherweise verhindern werden. Aber auch das so wichtige Covid-Präventionskonzept wird vielen einen Strich durch die Bestzeiten-Rechnung machen. Zu lesen sind Beschwerden über Zeitverluste von fünf Minuten oder mehr pro Verpflegungsstelle, weil man sich eine Maske aufsetzen und sich einbahngeregelt und mit Abstand versorgen muss. Darüber hinaus, darf man das Rad nicht zur Essens- und Getränkeausgabe mitnehmen. Bei fünf Stopps sind das mindestens 25 Minuten, die man verliert. Verzweifelt werden in den Foren und Gruppen Möglichkeiten gesucht, sich da und dort bei „privaten“ Verpflegungen anhängen zu können. Aufrufe dazu gibt es massenweise.

Auch der 40. Ötztaler Radmarathon ist eigentlich kein Rennen. Für einige wenige vielleicht. Sie fahren gegeneinander. Mit Taktik, Strategie und mit Unterstützung von außen. Meistens steht der Sieg im Vordergrund. Nicht die Bestzeit. Wenn der zweite nicht schnell genug ist, muss der Führende beispielsweise nicht Vollgas fahren. Logisch. Wichtig ist, vor allen anderen ins Ziel zu kommen. Dann dürfen sie und er im Rampenlicht stehen, um medial gefeiert zu werden. Das ist das erklärte Ziel der Gesellschaft, die egal wo, immer „Sieger*innen“ sehen und küren möchte. Wie auch beim Ötztaler Radmarathon. Und der Rest? Der Rest kann kein Rennen fahren. Von den 4.000 Starter*innen haben 99 % keine Chance zu gewinnen. Sie fahren also um die goldene Ananas. Und das so, als ginge es um den Sieg. Bei Kilometer 15 liegen einige davon dann schon in den Leitplanken, zu Fall gebracht vom falschen Ehrgeiz.

99 % der Teilnehmer*innen haben keine Siegchance.

Es scheint als wären die „Chancenlosen“ gestresster als jene, die nach Sölden kommen, um zu gewinnen. Logisch. Denn letztere haben es selbst in der Hand. Müssen es auch selbst in der Hand haben. Da ist das Wetter egal. Die Strecke sowieso. Wer gewinnen will, muss unter allen Umständen als erste*r die Ziellinie überqueren. Eine persönliche Bestzeit (das erklärte Ziel der Mehrheit aller Teilnehmer*innen) ist hingegen unter gewissen Umständen schwerer zu erreichen, als zu gewinnen. Da braucht es das perfekte Wetter, eine gute Gruppe, Windschatten, freien Zugang zu Kraftkugeln, Cola und Kuchen. So etwas hat man nicht immer selbst in der Hand. Das wurmt. Ist auch dumm und blöd. Deshalb macht einigen die Umleitung große Sorgen. Mehr Höhenmeter und mehr Kilometer. Dazu die pandemiebedingten Regeln. Als hätte man aktuell keine weiteren Sorgen. Man hadert mit dem Schicksal. Sieht sein Ziel schwinden. Macht andere schon im Vorfeld fürs Scheitern verantwortlich, obwohl weil man es selbst aus der Hand gibt.

Der Veranstalter organisiert jedes Jahr ein Top-Event. Das wird auch heuer so der Fall sein. Vor allem die für den Verkehr gesperrten Straßen (Brenner, Jaufenpass und Timmelsjoch) sind keine Selbstverständlichkeit. Dafür sollten und könnten wir dankbar sein. In diesem Sinne, allen eine gemütliche Runde über Brenner, Jaufenpass, Timmelsjoch und Kühtai. Fällt es aus, ist es auch egal. Bestzeiten werden sowieso überbewertet.

#ktrchts

PS: Welche Themen rund um den Ötztaler Radmarathon sonst noch heiß diskutiert werden, könnt ihr hier lesen. 40 Geschichten zum 40. Ötzi.