Es ist angerichtet – bikefitting bei Veletage Wien |
„Die meisten sitzen entweder zu tief oder zu hoch“. So lassen sich pauschal die größten Fehler bei der Sitzposition kategorisieren. Zumindest nach den Worten von Josh von Veletage Wien. Es ist auch Josh, der mich in der Praterstrasse Nummer 2 empfängt und mich in den nächsten Augenblicken maßregeln wird. Nach Jahren Gefühl habe ich mich entschlossen, Physik und Wissenschaft zu nutzen, um meine Sitzpositon am Rad einstellen zu lassen. „Bring bike, shoes, full kit, water bottle, towel and smile.“ Gesagt, getan.
Wer Veletage kennt, der weiß, dass einem zu allererst einmal ein guter Kaffee erwartet. In meinem Fall fiel die Wahl auf einen Capuccino. Von der Zubereitung a la Josh können sich in Wien viele eingefleischte Baristas und jene die es noch werden möchten, eine große Scheibe abschneiden. Liebe, Können und Geschmack. Nichts davon fehlt. Schnell geht es nach dem Koffeeinkick in medias res.
Im hinteren Raum steht sie. Die Foltermaschine. Eine Shimano Konstruktion. Die vielen Kurbeln und Stangenschrauben lassen Böses erahnen. Ob ich damit gestreckt oder geschrumpft werde? Hoffentlich nicht. Neben dem Monster wird meine „furia rossa“ aufgebockt. Hinten mit eigenem Schnellspanner wird sie in ein Tacx Geräte fixiert. Vorne etwas erhöht. In der Zwischenzeit gebe ich meine Daten bekannt. Für das System. Josh sucht im Netz nach der Geometrie meines Rades. Während dessen ziehe ich mich um. Es ist knapp nach zehn Uhr Vormittags.
Es folgt Small Talk. Josh will wissen, ob ich Probleme am Rad habe und ob ich Schmerzen habe. Nein und nein. Wobei das zweite nein gelogen ist. Ich habe Schmerzen. Aber nicht vom Rad fahren und nicht beim Rad fahren. Josh ist was dies betrifft mein falscher Ansprechpartner. Dann höre ich noch das Wort „competition“. Dazu sage ich einfach nur ja und nicke. Später stellt sich heraus, dass dies meine Sitzposition beeinflusst hat.
Und schon beginnt das Abmessen. Größe (Hilfe, ich bin geschrumpft), Beinlänge (das Ding da zwischen den Beinen werde ich so schnell nicht mehr vergessen), Armlänge, Schulterbreite (Ende Schlüsselbein zu Ende Schlüsselbein) und Torsolänge. Die Daten wandern in das System. Und in wenigen Augenblicken zaubert die Software mein ideales Rad daher. Am Papier.
Foltermaschine und Rennrad. |
Diese Daten werden jetzt millimetergenau auf die Foltermaschine übertragen. Mit Laserlicht genauestens vermessen. Etwas kurbeln hier und kurbeln dort … Höhe, Länge … im handumdrehen, steht mein ideales Rad. Leider ohne Räder und viel zu schwer. Dann darf ich mich endlich draufsetzen. Locker treten lautet die Anweisung.
Ich trete und kurble. Es fühlt sich gut an. Als wäre es mein Rad. Josh beobachtet mich. Oberlenker, Unterlenker, Bremsgriffe – alle möglichen Positionen darf ich ausprobieren. „It looks nice“ – ist schon mal ein guter Anfang. „But“ – oje. Was kommt jetzt. Nichts Schlimmes. Mein linkes Bein kurbelt nicht senkrekt nach oben – zumindest nicht so wie das Rechte. Jetzt wo Josh es mir sagt, fühle ich es auch. Ich bin nämlich in fremden Look Pedalen befestigt. Ohne Spielraum. Das wird es sein. Ich experimentiere ein wenig. Fuß nach innen knicken. Knie nach innen bewegen. Ansonsten ist immer noch alles ok. Keine besonderen Vorkommnisse zu vermelden.
Jetzt zeigt mir Josh anhand des Softwareprogrammes direkt am Laptop, jene Dinge, die ich mit den Garmin Vector 2 Pedalen nach jeder Ausfahrt auch zu sehen bekomme. Druckvertelung auf die Pedale, Winkel der optimalen Druckverteilung … Alles live. Geil. Auch hier, scheint es, als hätte ich Naturtalent. Bis auf wenige Millimeter da und dort passt alles. Ich spiele mich wieder. Fußballen nach innen drücken. Knie nach innen drücken. Die Auswirkungen sind sofort sichtbar. Danke. Das wars. Nein. Das wäre zu einfach.
Jetzt reden wir Tacheles. Wie kann der Druck in die Pedale effizient in Fortbewegung am Rad umgewandelt werden. Das Ganze immer noch radelnd. Auf der Torturmaschine. Und live am Bildschirm. Geile Sache. Der Wiederstand wird erhöht. Jetzt rinnt bereits der Schweiß. Das Handtuch muss her. Die Augen von Josh sind auf auf mich gerichtet. Ein schaut recht zufrieden. Wir beobachten, wie sich die Werte bei jeder neuen Winkeleinstellung von Knie und Sprunggelenk verändern. Bei mir bleibt vieles gleich. Ich sagte es ja, Naturtalent. Oder langjährige Erfahrung. Man könnte es auch Glück oder Blauäugigkeit nennen. Egal. Es passt. Mit Erhöhung des Wiederstandes pendelt sich auch das linke Knie dort ein, wo wir es haben wollen. Senkrecht nach oben. Auf und ab.
Der runde Tritt ist es. Drücken und ziehen. Bei mir ist hier noch Spielraum. Nach oben. Bzw. hinten. System umstellen, wäre die Therapie. Und Bahn fahren. Ja. Bahn fahren. Noch mehr Bahn fahren.
Ich zapfe das Know How von Josh jetzt richtig an. Immerhin ist Josh früher auch viele Rennen gefahren. In Österreich Tchibo Liga oder so. Jetzt fährt er internationale Single Speed Kriterien. Der Mann versteht was vom Rennrad fahren. Und der Mann ist schnell. Seine legendären Sunrise Showdown Early Morning Rides sind kein Spaziergang. Für niemanden, der mitfährt.
Josh erklär mit, wo noch Potential wäre. Ziehen. Ich darf ruhig mehr Ziehen. Insgesamt scheint alles zu passen. Auf der Foltermaschine. Aber wie sieht es auf meinem Rad aus? Gut schaut’s aus. Denn mein Bike ist so wie ich es mitgebracht habe bis auf wenige Millimeter genau so eingestellt, wie die Shimano Konstruktion. Wo fehlts bzw. was fehlt?
Müssten wir von den Daten ausgehen, welche durch die Abmessungen berechnet worden sind, dann ist der Sattel ein wenig zu niedrig und zu weit hinten. Der Vorbau leicht zu kurz und die Überhöhung zu groß. Wenn wir jetzt genau nach diesen Abmessungen gehen müssten, dann wäre ein kleiner Umbau des Rades zu empfehlen. Wäre. Da ich keine Probleme habe, ist es aber kein Muss. Ich bin quasi bis dato ganz schön richtig gefahren. Die Überhöhung am Vorbau habe ich heuer noch einmal geändert – ohne dieser Änderung wären wir im Bereich von Millimetern. Millimeter, die ein Hobbyfahrer wie ich wohl kaum spüren kann.
Was ich jetzt habe ist ein Papier aus dem hervorgeht wie mein aktuelles Rennrad ausschaut (original) und wie mein ideales Rennrad ausschauen sollte (recommended). Dazu die Änderungen in Millimetern (difference). Die Abweichungen sind echt minimal. 8mm mit dem Sattel nach oben und 8mm mit dem Sattel nach vorne. 6mm längerer Vorbau. Nuancen. Einzig der 21mm höhere Vorbau macht micht etwas stutzig. Ich bin quasi mit einem blauen Auge davongekommen. Alles mutiert jetzt zu einer philosophischen Frage. Mit vielen Varianten. Von totalem Umbau bis hin zu einfach so lassen.
Den Sattel habe ich gleich erhöht. Die 6mm nach vorne könnte ich mit einer neuen 1.5 Sattelstütze schaffen, sofern, diese von M.O.S.T produziert wird – wegen der Sonderform. Die Streckung des Vorbaues ist ohne Umbau (integrierter Lenker mit Vorbau) nicht möglich. Die Erhöhung spare ich mir. Ich hatte ja keine Probleme – außerdem sind zu viele Spacer ja ein optisches no go.
Mein Rennrad passt also. Jetzt muss ich nur noch in den Windkanal. Da sind sicher auch noch ein paar Watt zu holen. Und trainieren sollte ich auch noch, denn das ist letztendlich das Ausschlaggebende.
Cristian Gemmato aka @_ketterechts
PS: Das bikefitting bei Veletage in Wien kann ich echt empfehlen. Egal wer, egal wann. Wir können das Rad an uns anpassen. Weil wir viele Möglichkeiten haben. Diese sollten wir nutzen. Josh hat sich sehr viel Zeit genommen. Mich informiert. Mir alle Fragen gewissenhaft beantwortet. Seine Präzision und Akribie sind bemerkenswert. Die Suche nach der idealen Sitzposition ist ein Geheimnis. Josh von Veletage Wien kennt dieses.
Update: Das gesamte bikefitting bei Veletage kostet € 150 für die Dauer von 90 Minuten (Durchschnittsdauer) Jede weitere halbe Stunde € 50.