Irgendwo in der Buckeligen Welt. |
Das Burgenland ist ein flaches Bundesland. Vermeintlich könnte man meinen, wenn man noch nie im Mittelburgenland an der Grenze zu Niederösterreich unterwegs war. Buckelige Welt nennt sich dieses Gebiet. Und Nomen est Omen.
Es ist ratsam, einmal im Leben mit dem Rennrad dort durch die Gegend zu glühen. Es ist nicht ratsam, dies ohne vorheriger Erkundung bzw. tipplos zu tun. Die Wege des Herrn sind unergründlich. Auch in der Buckeligen Welt. Im Umkreis von 30 bis 40 km gibt es mehr als nur eine Straße. Alle irgendwie verbunden. Links, rechts, kreuz, quer, auf, ab. Vielleicht auch ein Grund dafür, dass ich auf meinem Pedalritt keinen Gleichgesinnten getroffen habe. Und ganz ehrlich: Allein hätte ich dorthin nie gefunden. Und wenn, dann nie mehr wieder zurück. Zum Glück durfte ich einen GPS Track von Rudi alias Zardoz nachfahren. Rudi war es auch, der mir die Strecke ans Herz und an die Beine gelegt hat. Er ahnte, dass dieses Abenteuer ganz mein Geschmack sein könnte. Und das war es auch.
Los gings ab Eisenstadt. Zuerst über Großhöflien, Steinbrunn, Zillingtal, Pöttsching, Bad Sauerbrunn, Wiesen, Forchenstein hinauf auf die Rosalia. Zum warm werden. Ein herrlicher Frühlingstag. Keine Wolke am Himmel. Kurz. Kurz. Ärmlinge und Windweste schön verstaut. In einer durch glatten Schnitt umfunktionieten Trinkflasche in deren Halterung. Spart Gewicht und schont das Trikot.
Bis hierher nichts aufregendes und für mich auch nichts Neues. Seit ich hier im Burgenland herumwildere, ist die Rosalia ständiger Begleiter und Beute meiner Höhenmetersammlungen. Oben angekommen gleich weiter Richtung Alm und schon bekam ich den Süd-, Südwestwind ordentlich zu spüren. Die Buckelige Welt ich auch eine sehr windige Welt. Hochwolkersdorf war nach knapp 40 km erreicht. Ca 700 Höhenmeter auch schon in den Beinen. Mein Hochrechnung ergab weitere 80 km und ca. 1500 Höhenmeter. Rudi’s Track war ja nicht von Eisenstadt aus. Mein Milchmädchenrechnung würde sich aber zum Schluss als großer geographischer Irrtum erweisen.
Ab Hochwolkersdorf betrat ich Neuland und verließ mich zu 100% auf den Track. Garmin Edge 1000 sei Dank. Gut Sichtbar. Auch wenn der Schweiß am Gerät partielle Verschwommenheit verursacht hat. Ich quälte mich auf Nebenstraßen, Güterwegen und ähnlichem über Dreibuchen zuerst sehr weit hinauf und dann sehr weit hinunter nach Bromberg. Schneeberg und die Rax immer schön im Blickfeld. Kurz vor Bromberg war ich dann auch wieder auf einer etwas breiteren Landesstraße. Von Bromberg ging es Schlag nach Schlag. Eine Steigung, die es in sich hatte. Wie ein Schlag ins Gesicht. Siehe Titelebild dieses Blogbeitrages. Niemandsland. Ein paar Höfe. Ein paar Pferdeweiden. Wind. Sonne. Ich. Und ein verdammter Track. Das Höhenprofil ließ mich kurzerhand mental aufgeben.
Zum Glück ist man irgendwann immer oben. Und nach oben geht es logischerweise wieder nach unten. So wie bei mir. Track gefolgt und nach einer Abfahrt auf sehr schlechten, mit Rollsplit belegten, kurvenreichen Straße war ich über Eichberg in Thernberg. Von Bromberg hierher wären es über die L144 keine 10 km gewesen. Aber warum direkt. Das Abenteuer heißt ja „hurt me plenty“. Thernberg – Scheiblingkirchen. Ein Katzensprung. Bei Gegenwind. Wurscht. Km 63. Ein kurze Pause beim Spar. Ein Red Bull, eine Banane zum Sofortverzehr, ein Snickers für unterwegs und die Getränkeflasche mit Powerade gefüllt. Die B54 wartet. Mit Gegenwind. Alles andere wäre zu einfach. Ein Umdrehen. Mit Wind Richtung Wiener Neustadt.
Vorbei an Petersbaumgarten Richtung Hütten. Beim Linksabbiegen am Weg nach Kienegg, ein kleiner Disput mit einem Autofahrer, der mich trotz Handzeichen und Abbiegespur zuerst links überholen wollte, dann aber lieber die rechte Seite wählte und mich quasi mit dem Fahrerrückspiegel touchierte. Zuerst habe ihn alles geheißen, dann habe ich ihn verflucht und zum Schluss bin ich ihm auch noch nachgefahren. Als der Fahrer mich fast schon am Heck klebend bemerkte – ich hatte schon die Trinkflasche in der Hand, drückte dieser aufs Gas und verschwand in der Anonymität. Mir blieb nichts anderes übrig, als meinen Adrenalinspiegel zu senken und umzukehren.
Kienegg. Von der B54 gleich mal ziemlich hinauf. Die längste aller an diesem Tag bewältigten Steigungen hinauf auf die Kaltenberger Höhe. Ich konnte Gebirgsluft riechen. War ich doch auf über 800 Metern Seehöhe. Mit herrlichem Blick Richtung Süden. Die Skipisten von Mönchkirchen am Horizont. Kurz vor Kaltenberg – die zwei Türme des Doms fast greifbar, schickte mich der Track wieder hinuter ins Tal. Steil. Eng. Und lang. Erstmasl glühten die Carbonflanken meiner Bora. Masse muss bergab gebremst weden. Und von der habe ich genug. Ich war in Edlitz.
Dann gleich weiter. Hinauf. Panoramastraße stand da geschrieben. Richtung Amlos. Oben, sehe ich wieder die zweit Türme des Doms von Kaltenberg. Keine 3 km Luftline. Aber warum direkt. Das Abenteuer heißt ja „hurt me plenty“. Die Steigungen waren diesmal nicht so brutal. Aber der Tag bereits lang. 85 km, 4 h Fahrzeit und der vierte Berg waren geschafft. Hier oben und dann unten, unendliche Weiten. Spratzau heißt es hier. Ohne Ahnung wo das hier sei.
Jetzt wollte der Track, das ich links abbiege. Hollenthon. Und mir wurde eine schöne Bescherung serviert. 17%. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Ich nahm es, wie es ist. Gelassen. Und mit müden Beinen. Zum Glück war diese steile Vorlage nicht allzu lang. Hollenthon dann doch erreicht. Wiesmath nur noch 5 km entfernt. Mein Anker. Denn Wiesmath kannte ich. Die Hölle auch. Und was dann noch kommen würde, sowieso. Ich war wieder im Bereich des mir Bekannten. Doch der Track f***** mich nochmals. Nicht rechts abbiegen. Nein Links. Ok. Wenn er will, dann muss es so sein. Abfahrt Hollengrabern. 6 km bergab. Dann scharf rechts und weitere 4 km hinauf nach Wiesmath. Ein kleiner Umweg. Wieder einmal.
Endlich Wiesmath. Die Hölle wartete auch mich. Rasant ging es nach Schwarzenbach. Rollsplit deluxe. Der zweitletze Hügel hinauf Richtung Sieggraben. Das Snickers musste jetzt daran glauben und fand den Weg in meinem Magen. Letzte Reserven mobilisieren. Sieggraben, Sieggrabeener Sattel – aus fertig. Die Hoffnung auf Südwind – wie laut Wetterprognose vorausgesagt, machte mich nochmals schnell am Weg über Marz nach Mattersbrug. Doch der Südwind wollte nicht so richtig anschieben. Logisch. Er kam ja auch aus Norden, was die am Straßenrand wehenden Fahnen trügerisch verrieten.
Mattersburg – Eisenstadt. Bei Gegenwind. Auf der B50. Bereits über 130 km in den Beinen. Und 2.700 Höhenmeter. Das Ziel Eisenstadt im Visier. Noch kurz Windschatten suchen bei einerm Moped. Und dann war ich angekommen.
„Hurt me plenty“. Danke Rudi. Es hat mir gefallen. Es hat mir weh getan. Genau so wie es sein muss.
Cristian Gemmato aka @_ketterechts
PS: Für alle jene, welche die Route auch fahren wollen. Hier der Track.