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Darfs ein bisschen weniger sein? |
„Ich will heuer anfangen mit dem Rennrad zu fahren. Welches Rad soll ich mir kaufen?“ Diese und ähnliche Anfragen flattern mir regelmäßig ins Postfach. Diese und ähnliche Anfragen bereiten mir dann auch Kopfzerbrechen. Wo fange ich an, wo höre ich auf. Zu antworten. Wie objektiv muss ich bleiben. Wie subjektiv darf ich sein. Es gibt sicher leichtere Fragen. Zum Beispiel wie viel ist 1+1. Mamma mia. Schon jetzt habe ich Kopfweh und das Bedürfnis weit auszuholen. Keine gute Vorahnung ich habe. Ich glaube das wird jetzt der Beginn eines langen Romans.
Ich gehe mal davon aus, dass jene, die sich mit dem Gedanken spielen, Rennrad zu fahren, sich auch darüber im Klaren sind, was das bedeuten wird. Ich sage nur Suchtgefahr! Mehr nicht. Dann gehe ich mal davon aus, dass jene, die sich mit dem Gedanken spielen, Rennrad zu fahren, sich auch schon mit dem Thema Rahmengröße beschäftigt haben. In einen meiner letzten Rennradblog-Beiträge habe ich mich schon einmal damit beschäftigt. Insbesondere mit dem Thema bikefitting und dem Thema Rahmenhöhe. Sagen wir also, der Rennrad-Rookie weiß, um seine Rahmenhöhe und die verschiedenen Rahmengeometrien.
Sollten sie jetzt in der Situation sein, justament oder in den nächsten Tagen ein Rennrad zu kaufen, dann ist die nachfolgende Checkliste eine Hilfestellung bei der Entscheidungsfindung. Achtung: Entscheiden müssen und dürfen ausschließlich sie allein. Ich weiß, dass das schwierig ist. Freunde, Bekannte, Kollegen … alles wissen es besser. Der Fahrradverkäufer, sofern sie nicht im Internet kaufen, sowieso. Also, nicht verzagen. Checkliste ist da.
Budget: Für mich der wichtigste Parameter beim Kauf des ersten Rennrades. Wie viel können sie ausgeben? Die Skala ist nach oben offen. Sie müssen sich ein gutes Rennrad nicht leisten können, sie müssen es nur finanzieren können. Sie wollen Zahlen lesen? Gut, dann sagen wir dass sie für ein neues Rad zwischen € 1.500 und € 2.500 rechnen sollten. Günstiger geht es auch. Neu wie gebraucht. Hängt eben von der Ausstattung ab. Dazu komme ich später.
Händler vs. Internet: Ich selber kaufe beim Händler, aber auch im Internet. Natürlich ist es zu begrüßen, wenn sie einen lokalen Händler aufsuchen. Beratung und Betreuung von Ort sind ein großes Plus. Dass sie damit auch sozial Gutes tun, sollte ihnen bewusst sein. Mit gutem Verhandlungsgeschick, kann der Preis beim Fachhändler sicher interessant genug gedrückt werden. Oder sie verhandlen einfach, indem sie sich ein paar Goodies dazuschnappen. Flaschenhalter aus Carbon zum Beispiel.
Marke: Ganz ehrlich. Die Marke ist völlig wurscht, solange es X oder Y ist. Sie sehen schon. Genau hier ist es sehr schwer objektiv zu bleiben. Ich versuche es trotzdem und wiederhole mich. Es ist vollkommen wurscht. Viele Mütter haben schöne Töchter und Söhne. Und die meisten Hersteller kochen mit Wasser bzw. mit Carbon. Carbonfasern welche von einer überschaubaren Anzahl von Anbietern kommt. Ob die Faser jetzt linksdrehend oder rechtsdrehend geflochten wird kann ihnen komplett egal sein. Räder vom Händler haben Garantie. Achten Sie nur darauf, wenn sich sich ein Schnäppchen aus China mittels Selbstimport gönnen. Falls sie wissen wollen, welche Marken es gibt, lohnt sich ein Blick auf diesen Link.
Rahmen: Carbonrahmen sind derzeit das Maß aller Dinge. Alurahmen haben ausgedient. Vereinzelt setzen Hersteller wieder auf Retro-Stahlrahmen. Für finanzkräftige Zahnärzte und Rechtsanwälte kann es auch schon mal ein Rahmen aus Titan sein. Gebraucht sind natürlich noch genug Alurahmen im Umlauf. Auf Carbon-Alu aus den späten 90igern sind noch am Markt. Der Vorteil von Carbon ist die Leichtigkeit und die Steifigkeit. Qualitativ unterscheiden sich die teureren Rahmen von den günstigeren durch die Verarbeitung. Welche Carbonfaser kommt zum Tragen? Wie sauber ist die Verarbeitung? Sind Alukompnenten dabei? Sind die Teile geklebt oder gemufft? Die meisten Hersteller sagen einem ganz genau, welcher Carbonfaser Verwendung findet. Suchen sie nach dem richtigen Kompromiss zwischen Gewicht und Steifigkeit. Mein Tipp: Investieren sie ruhig in einen guten Rahmen. Den Rest – die Komponenten – können sie jederzeit upgraden.
Gruppen: Auch hier ist es völlig wurscht, welche, solange es Campagnolo ist. Ups. Wo ist jetzt die Objektivität? Natürlich ist es wurscht. Schalten, Bremsen und Kurbeln tun sie alle. Shimano, Campagnolo oder SRAM. Die 3 Platzhirsche teilen sich dem Markt, wobei Shimano der Zampano ist. Die Frage ist nur, wo wollen sie ansetzen. High-End oder Low-cost. Bei Shimano gehts von der 105er über die Ultegra hinauf zur Dura Ace. Letztere zwei mechanisch oder elektronisch (Di2). Tiagra und Sora erwähne ich, lasse ich aber aus, da kaum verwendet – außer bei Retro Bikes. Bei Campagnolo steigt man bei der Athena Gruppe ein und geht über die Chorus Gruppe zur Record Gruppe über (Normal und Super Record). Letztere auch als EPS elektronisch. Centaur und Veloce gibt es auch – sind aber wie bei Shimano wenig verbreitet. SRAM hingehen bietet mit Rival, Force und Red drei gängige Serien. Letztere mit eTap, die erste kabellose Schaltgruppe. Seit kurzem gibt es auch von Rotor eine eigene vollhydraulische Schaltgruppe an.
Bei den Gruppen hat Carbon mittlerweile die Oberhand. Vor allem Campagnolo bietet sowohl bei Kurbeln und Bremsen Carbonteile. Shimano und SRAM setzen (noch) vermehrt auf Carbonoptik und benutzen bewährte Materialien, wobei die Dura Ace von Shimano sehr wohl als Carbonkurbel erhältlich ist.
Wichtig bei den Gruppen ist vor allem das Thema Übersetzung. 53/39 (großes Kettenblatt vorne mit 53 Zähnen, kleines Kettenblatt vorne mit 39 Zähnen) hat fast ausgedient. Statt dessen bauen die meisten Hersteller als Standard Kompaktkurbeln mit 50/34 Zähnen ein. Neu im Kommen ist 52/36. Natürlich lässt sich alles um-, auf- und nachrüsten. Falls es geht. Zu beachten ist dabei der Lochkreis. Ovale Kettenblätter sind aktuell auch ein Trend. Über Vor- und Nachteile scheiden sich noch die Geister.
Ach ja. Mittlerweile ist 11fach Standard bei neuen Rädern. Bei Shimano und SRAM sind gebrauchte Räder vielfach mit 10fach bestückt. Bei Campagnolo weniger, da man viel früher allen Gruppen mit 11fach aufgerüstet hat. Über die Abstufungen der Ritzelpakete hinten müsste ich einen eigenen Blogbeitrag schreiben.
Was die Kurbellänge betrifft, so sind 172,5 mm Standard. Kürzere oder längere Kurbeln (170, 175, 177,5 oder selten 180) je nach biketitting möglich.
Laufräder: Erhebliches Diskussionspotential hat das Thema Laufräder. Alu vs Carbon. Clincher vs Tubular. Um nur die wichtigsten Streit- und Reibungspunkte zu nennen. Fakt ist, dass schöne Carbon Laufräder ein Rennrad optisch so was von pimpen, dass sich eine Investition in ebensolche auszahlt. Nicht wirklich bewiesen sind alle anderen Punkte, welche die Kluft zwischen den Angeboten zur unüberwindbaren Schlucht macht.
- Bremsverhalten: die Legende besagt, dass man mit Alurädern im Nassen eine bessere Bremsleistung hat. Möglich. Wenn man die richtigen Bremsgummis verwendet. Keine schlechtere Bremsleistung hat man bei Nässe mit Carbonfelgen – leicht verzögert, wenn man die richtigen Bremsgummis verwendet. Welche diese sind, wäre wiederum Inhalt eines eigenen Beitrages hier im Rennradblog. Tipp: das Wichtigste bei einem Laufrad sind die Nabe und die Lager. Noch ein Tipp: Carbonfelgen mit Alu-Bremsflanken sind ein No-Go (Achtung: Subjektive Meinung).
- Reifenwahl: Drahtreifen oder Schlauchreifen also Clincher oder Tubular. Philosophische Frage. Ganz eindeutig. Wer sich die Finger nicht schmutzig machen will, der kann auf Clincher mit Drahtreifen setzten. Bei einem Platten, einfach den Schlauch wechseln. Wer etwas weniger Gewicht will und pannensicherer unterwegs sein möchte, der wird auf auf Tubulars mit Schlauchreifen kaum verzichten. Falls es einen Platten gibt, dann Pannenschaum und etwas CO2 und weiter gehts. Wie objektiv diese Meinung ist, kann ich subjektiv nicht beurteilen.
Sattel: Jeder Arsch ist anders. Und somit ist die Diskusison über den richtigen Sattel kaum zu führen. Ob weich oder hart, ob dünn oder dick, ob schmal oder breit, ob schwarz oder bunt, ob kurz oder lang … egal. Passen muss er. Ob er passt, das weiß man nur wenn man lange genug auf einem Sattel gesessen ist. Und wenn man richtig am Rad sitzt. Mit der richtigen Radhose.
Pedale: Hauptsache Klickpedeale. Nicht nur der Optik wegen. Turnschuhe auf normalen Pedalen bei Rennrädern sind zwar Retro, aber nicht Retro genug, um salonfähig zu sein. Außer man heißt Peter Sagan. Ein Weltmeister darf alles. Das Angebot ist riesig. Denn jeder Gruppenhersteller hat so seine eigenen (Shimano, Campagnolo). Dazu kommen noch weitere gängige wie jene von Look oder Exoten wie Speedplay.
Auf andere Komponenten wie Lenkerband, Radcomputer, Radschuhe, Reifenbreite… gehe ich jetzt nicht ein. Auch das Thema Radbekleidung streife ich nur. Mit einem Link. Falls wer sich hier mit gutem Design, guter Qualität zu fairem Preis eindecken will.
Wünsche viel Spass beim Kauf des ersten Rennrades. Fragen gerne an mich.
Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#ketterechts #venividibici