So ticken Bahnradfahrer – eine wertfreie Anlayse unterschiedlicher Charaktere.

Von Montag bis Freitag. 1500 bis 2000 Uhr. Das Dusikastation ist beliebter Treffpunkt der Spezies Bahnradfahrer. Im engsten Kreis. Auf engstem Kreis. 250 Meter. Wer schwindelfrei und laktattolerant ist, betritt regelmäßig das Oval im 2. Wiener Gemeindebezirk. Seit letztem Jahr, auch dank der Initiative von Bernahrd K, ist es an manchen Tagen enger als üblich. Viele Kohl Boys sind durch das Schnuppern zu Stammkreiser geworden. Nicht alle aber beherrschen die geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze die hier herrschen.

Jeder, der eine Lizenz löst und seine Keycard ordnungsgemäß für den Eintritt nutzt ist frei, sich zu bewegen wie er will. So lange eben keine Mitdreher gefährdet und genötigt werden. Damit das nicht passiert gibt es Hallenregeln. Diese hat man zur Kenntnis zu nehmen und zu akzeptieren. Einzig allein das Demütigen ist erlaubt. Weil es ja Radsport ist. Für Egoisten. Ich denke, dass beim Bahnradsport fast so viele solcher jener unterwegs sind wie beim Triathlon. Auch wenn ich die Tendenz zu Team- und Gemeinschaft nicht verleugnen kann. In den Pausen.

Trotzdem sind es unterschiedliche Typen (und Innen) welche auf der Bahn ihre Runden drehen. Hier mein komplett wertfreier Versuch sie zu kategorisieren. Nomen est omen.

Der Vornefahrer: Er besticht durch seine Konstanz und Präzision. Wie ein schweizer Uhrwerk spult er seine Runden ab. Meist an der blauen Linie. Mit genialer Linienführung. Wattgesteuert. Im 60 Minuten Takt. Mit Scheuklappen. Nichts bringt ihn aus dem Tritt. Den runden. Weder links von ihm noch rechts von ihm. Der Vornefahrer ist leicht an seinem Schwanz zu erkennen. Jenen, den er in seinem Windschatten mitschleift. Die Länge des Schwanzes variiert je nach Geschwindigkeit. Je schneller, desto kürzer.

Der Nievornefahrer: Dieser ist vergebens vorne im Wind zu finden. Sein bevorzugtes Terrain ist das Schwanzende. In sicherer Position. Seine Stärke ist die Mathematik. Perfekt rechnet er sich aus, wie lange es brauchen wird, bis er durch das regelmäßige abwechseln in der Führung – sofern kein Vornefahrer die Gruppe lenkt – nach vorne gespult wird. Spätestens in Position 3 verabschiedet er sich. Nach unten oder nach oben. Um wenig später wieder am Schwanzende aufzutauchen. Damit beginnt das Spiel wieder von vorne.

Der Vornewegfahren: Der Vornewegfahrer wird in der Gruppe wie üblich pö a pö nach vorne gespult. Sobald dieser Typ dann Wind spürt, beschleunigt er aus der Spitze heraus. Ob wegen des Windschattens, der Euphorie, des Egos oder was auch immer. Schnell hat er die Reisegeschwindigkeit der Gruppe um mindestens 2 bis Spitzen von 5 km/h erhöht. Ganz zum Verzweifeln der Hinterihmherfahrer, welche sich genötigt fühlen auch das Tempo zu verschärfen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Diese Fahrer tragen nicht wirklich zur Harmonisierung der Gruppe bei. Spätestens nach 2 – 3 Runden sind die Vornewegfahrer dann aber wieder eingeholt. Ihr Schicksal wird mit dem Durchreichen nach hinten besiegelt. Bis sie wieder vorne sind.

Der Nebeneinanderfahrer: der Nebeneinanderfahrer hat in den meisten Fällen ein Teamtrikots. Zum Beispiel eines deutschen Reifenherstellers. Oder mit einer rot-weiß-roten Banderole um die Brust. Zu beobachten ist er logischerweise im Rudel. Leicht verwandt mit den Vornefahrern – jedoch mit gemäßigterem Tempo, ist Quatschen das primäre Ziel. An der blauen Linie. Wo er ja laut Hallenordnung auch seine Spezialität trainieren darf.

Der Ichfahreschonseitzwanzigjahren: Auch bekannt als Besserwisser oder Ständignörgler. Dieser Typ ist der geheime Chef. Im Innenfeld und auf der Bahn. Weiß alles. Kann alles. Tut alles. Sein besonderes Kennzeichen: Tiefe Blicke beim Überholen. Frei nach dem Motto „Ich weiß wo dein Auto steht“. Sanktioniert die kleinsten Vergehen mit Zeigefinger und Ermahnung. Egal ob zu frühes Absteigen oder das Überfahren einer Linie um Millimeter. Besonders allergisch reagiert der Ichfahreschonseitzwanzigjahren auf die Nebeneinanderfahrer.

Der Stresser: Dieser Typ kann sich schwer entscheiden. Zu sehen immer und überall. Ständig hält er Ausschau auf schneller Gruppen, um diese ohne Rücksicht auf Verluste aus der bestehenden einzuholen und mitzufahren. Egal ob diese unter oder oberhalb vorbeifährt. Hinterlässt in jedem Fall immer ein Loch, welches von den hinter ihm fahrenden geschlossen werden muss. Besonders Merkmals des Stressers ist auch sein unkonventioneller Stil am Rad. Arschhüpfen deluxe.

Der Schrauber: Diese sympathische Spezies verbringt die meiste Zeit im Innenfeld. Ausgerüstet mit jeder erhältlichen Größe an Imbus- und Schraubenschlüsseln kann er innerhalb kürzester Zeit Zahnkränze und Kettenblätter wechseln, Ketten tauschen, Hinterräder wechseln und Vorbauten ummontieren. Kommt meistens auch mit mehreren Taschen gefüllt ins Stadion. Bedruckt mit italienischen und französischen Wörtern wie Campagnolo und Mavic.

Die Kilometerfresser:  Kurz nach 1430 Uhr, sofern der Hallenwart gute Laune hat, betritt der Kilometerfresser die heilige Halle. Noch bevor das Licht eingeschaltet ist er schon bereit Runden zu drehen. Am liebsten täglich. Was ja nicht geht. Deshalb auch die oft vorherrschende schleichte Laune. Gegen 1800 Uhr hat der Kilometerfresser bereits 100 km am Tacho. Leicht zu erkennen ist der wahre Kilometerfresser an der Aussage „ein paar Runden fahre ich noch – habe ja noch 1 Stunde Zeit“. Eben, nachdem 100 km bereits am Tacho sind.

Natürlich lässt sich diese Aufstellung beliebig erweitern. Vielleicht mache ich es auch noch. Stay tuned.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
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Ich habe keinen Plan. Und das gefällt mir.

Wieder einmal ein geiler Traillauf im Leithagebirge

Die Saison ist noch jung. Oder sehr alt. Wenn ich auf 2015 schaue, dann trifft das jung sein zu. Wenn ich selten aber doch zurückschaue, dann ist 2014 eigentlich noch nicht zu Ende. Ich habe einfach weitertrainiert. Mir keine wirkliche Pause gegönnt. Zumindest beim Laufen und beim Radfahren.

Und? Wurscht. Ich habe ja keinen Plan. Und das gefällt mir. Ich mache das, wonach mir gerade ist. Ist es schön und warm, sitze ich am Rad. Ist es frisch und nass, gehe ich laufen. Schneit und friert es, drehe ich auf der Bahn meine Runden. Hauptsache Bewegung. Ich zähle keine km. Ich schaue auf keine Zeiten. Ich laufe nach Lust und Laune. Am Samstag ein langer Lauf durch das Leithagebirge. Bei tiefem Boden. Und aufgrund einer kleinen Unachtsamkeit – ich habe die richtige Wegmarkierung verpasst – als blinder Passagier auf der L213. Von Stotzing gute 5 km hinauf Richtung Eisenstadt. Bevor ich dann wieder in die Botanik abgebogen bin.

Der Spass den ich hatte, die gute Verfassung vor, während und nach dem Lauf stimmen mich positiv. Und zeigen mir, dass ich nicht ganz falsch unterwegs bin. Für Ziele, die ich noch nicht habe. Aber das ist ja wurscht. Denn Plan habe ich auch keinen. Und das soll so bleiben. Mal sehen, wohin mich das bringt.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts. Blog
#faceyourpassion

Ironman 24.12

Einst lebte in der kleinen Stadt Nazareth Josef, ein fleißiger und sehr talentierter Triathlet. Er lebte dort mit seiner Frau Maria, ebenfalls Triathletin, und seinen 4 Carbonrädern.

In jenen Tagen ergeht ein Befehl des römischen Kaisers Augustus. Alle Triathleten des Reiches müssen sich für die Jahreslinzenz in einem Verzeichnis eintragen. Für Josef und seine Frau bedeutet dieser Befehl: Sie müssen sich in der Stadt Bethlehem im Süden des Landes in diese Liste eintragen lassen, weil Josef ursprünglich aus Bethlehem stammt. Von ihm würde der Triathlonverband die Reise wohl verlangen. Nazareth – Bethlehem, das sind: 3,8 km Schwimmen. 180 km Radfahren unx 42,196 km laufen. Doch muss die schwangere Maria auch diese anstrengende Reise machen? Außerdem ist es doch die kalte und trainingsarme Jahreszeit, und von Nazareth nach Bethlehem geht es oft durch unwegsames Gelände. Und wo würde man auf der Reise Wechselzonen und Labstationen finden? Fragen, die in keiner Wettkampfbesprechung erörtert werden.

Doch keine Bitte um Schonung der Frau hilft. Ob krank, ob schwanger oder hoch betagt – wen interessiert von den Funktionären die Not der Athleten? Und wer kann sich in ihre Sorgen einfühlen? Niemand. Das sind ja selber keine  Sportler. Der Statthalter Roms – ein übergewichtiger Wichtigtuer – hat es so befohlen, und deshalb muss sich die ganze Familie Josefs mitten in der kalten Zeit mit Schwimmbrille, Schwimmhaube, Neopren, Rennrad und Laufschuhe auf die beschwerliche Reise machen. Mit ihnen ein Esel, welcher das gesamte Gepäck zu tragen hatte. Es ging zuerst durch den See Genesareth. Josef war in der 2. Startwelle. 15 Minuten hinter den Pro`s. Zwei Runden à 1,8 km inklusive Landgang. Kurzfristig war das Schwimmen im Toten Mehr – inklusive Neoverbot angesetzt gewesen. Diese Idee wurde aber dann verworfen.

Nach dem erfolgreichen Schwimmen warteten 180 flache Radkilometer Richtung Süden. Josef war mit einer Übersetzung von 54 vorne und 11/25 hinten unterwegs. Recht flott. Etliche auf Eseln reitenden Marshalls waren darauf bedacht, das Windschattenverbort rigoros einzufordern und bei Verstoß mit gelber, roter oder schwarzer Karte ahnden. Die Penalty Box war jeweils ein mit römischen Soldaten bewachtes Zelt. In diesem Zelt warteten Brot und Spiele. Ein Grund warum kein Athlet sich des Windschattenfahrens bemächtigte. 

Den anschließeden Marathon rund um Bethlehem schaffte Josef dann auch noch. Es ging durch die engen Gassen. Vorbei an den Ständen heimischer Markanbieter. Quasi ein Spalier. Wie zu Zeiten der Tour de France rauf auf Alp d’Huez viele, viele Jahre später. Der Kurs war schwer weil die Bodenmarkierungen kaum sichtbar waren. Die Römer hatten Sie auf Wände gemalen. Doch die vielen Menschen versperrten die Sicht. So wusste Josef nie wo er gerade unterwegs war. Polar und Garmin waren zu dieser Zeit noch nicht am Markt. Josef lief nach Gefühl und nach freiem Platz.

Josef erreichte noch in der Karenzzeit die Finish Line. Seine Frau Maria wartete schon dort. Sie hatte ein obligates DNF. Die Schwangerschaft zwang sie zur Aufgabe. Erschöpft und durchgefroren waren nun beide in Bethlehem. Vergebens suchten Sie die Ziellabe und das Sanitätszelt. Finisher Medallie und Finisher Trikot gab es auch noch nicht. Das sollte man erst viele viele Jahre später erfinden, um die horrend hohen Startgebühren zu rechtfertigen.

Beide sehnen sich jetzt nur noch nach einer warmen Unterkunft, um etwas zu schlafen und Nudeln zu essen. Die Lizenz würden sie erst morgen bekommen. Eine Übernachtung ist deshalb Pflicht. Auch eine Idee, welche die kaufmännisch orientierten Ironman Veranstalter von heute aufgegriffen haben. Je länger Athleten an einen Ort gebunden werden, desto höher ist die Wertschöpfung für die Region.

Doch wer wird sie aufnehmen. Maria und Josef hatten kein Internet. Es gab überhaupt kein Internet. Und auch keine Buchungsplattformen. Maria und Josef hatten also noch keine Unterkunft buchen können. Die Familie geht deshalb von einer Herberge zur anderen und klopft an. Doch eine hochschwangere Frau? Sie könnte jeden Augenblick das Kind zur Welt bringen. Wer fühlt sich ein in die Athleten und ihre Not, die nur um einen bescheidenen billigen Schlafplatz bitten und ihre Räder auch noch mit ins Zimmer bringen wollen? Das bringt Probleme, so denkt sich der kaltherzige Hotelier. Und so kommt es dann: In einem Quartier nach dem anderen werden sie abgewiesen. Niemand möchte die arme Triathlon-Familie samt der Carbonräder aufnehmen.

Maria, Joseph und der tapfere Esel ziehen hilflos durch die Straße. Maria spürt, wie sich das Kind in ihrem Körper bewegt und geboren werden möchte. Soll sie es nun etwa im Expo Gelände auf die Welt bringen? Und würde es nicht gleich erfrieren in der großen Kälte ohne Dachüber dem Kopf? Maria fleht in ihrer Verzweiflung in ihrem Inneren zu Gott um Hilfe.

Die Dunkelheit bricht bereits herein, und als Joseph ein weiteres Mal anklopft, öffnet eine Wirtin, ebenfalls Triathletin, die Türe. Sie sieht die Not der Familie und denkt sich: „Wenigstens in unserem Stall könnte ich sie unterbringen.“ Und sie sagt: „Ein Zimmer habe ich nicht. Aber einen brüchigen Stall. Dort sind einige Tiere untergebracht. Dort könnt ihr bleiben in der Nacht, wenn ihr das wollt!“


Da beginnen bei Maria auch schon die Wehen. Puls anerob. In Intervallen. Die junge Frau liegt mitten im Stroh für die Tiere, und sie hat starke Schmerzen. Kein Arzt und keine Hebamme sind zur Stell. Kein Rotkreuz Mitarbeiter. Niemand. Aber Maria ist tapfer. Sie denkt an die vielen Zieleinläufe. Auf die leztzte Kilometern der diversen Marathons. „Wenn ich das geschafft habe, dann schaffe ich auch diese Geburt.“ Maria gibt sich kämpferisch. Josef steht ihr bei. Holt ihr immer wieder einen Becher Wasser. Schüttet diesen Maria über den Kopf. „Nur nicht aufgeben“, schreit er. Mit lauten Klatschen pusht er Maria auf den letzten Wehen zur Höchstleistung. 


Und so nehmen die Ereignisse ihren Lauf. Noch in dieser Nacht bringt Maria Jesus mitten unter den Tieren zur Welt.Der Retter ist da.

 

Frohe Weihnachten und Kette rechts.

Frühlingslauf zu Winterbeginn. Warum der Advent so schön sein kann.

Wir schreiben das vierte Adventwochenende. Genauer gesagt den 20. Dezember 2014. Morgen beginnt der Winter. Die Tage werden wieder länger. Es ist die Zeit der Kehrtwende. Der Sommer kann beginnen.

Das vierte Adventwochenende war bis dato der schönste Sommertag 2014. Bei angenehmen 18 Grad und wolkenlosem Himmel. Eine Kombination, welche die letzten Monate vergebens zu finden war. Genau so muss Winter. Zumindest für die Zeit, in der man läuft oder Rad fährt. Draußen. Im Freien. Dort, wo es am Schönsten ist. Dort wo die Vögel zwitschern. Sofern sie nicht auf Trainingslager sind. In südlichen Gefielden. Weg vom Winter unserer Breitengraden. Der grauslichsten Zeit des Jahres. Ich rede jetzt als Rennradfahrer. Die andere Seele mag mir verzeihen.

Selbstverständlich habe ich diesen grenzegenialen Sommertag genutzt. Nicht, um die Princess of Pain auszuführen. Ich habe mir wieder meine Brooks Racer ST5 geschnürt und bin ins Gemüse. Der Brooks Racer ist mein Schuh für alle Fälle. Und da meine ich auch alle. Vom flotten Tempolauf, über das charakterbildende Kilometerfressen bis hin zum Traillauf. Solang dieser nicht über Stock und Stein geht. Waldwege, Forstwege und da und dort etwas mehr Gelände. Ich vertraue dem Schuh und ich vertraue mir. Abwartend. Wie das Wetter wird. Und die Bedingungen.

In Summe waren es 22 frühlingshafte, sonnendurchflutete, trailgerchte 22 km. In 5:28/km bei knapp 600 HM. Mir sind zwar zum Schluss ein wenig der Biss und die Kraft ausgegangen, aber es hat sich auf alle Fälle gelohnt. Die Aussicht auf die selbst zu backenden Haferflocken Cookies mit weißer Schokolade und Nüssen hat mich gepusht. Und letztendes auch wieder Heim gebracht. Direttissima. Ohne keine Sekunde darüber nachzudenken, ein paar Zusatzkilometer einzubauen. Eine ganz kleine Schleife.

Kekse backen als Regeneration. Muss ich mir merken. Und in meine nächsten Trainingspläne einbauen. Damit hat die Couch ausgedient. War eh sinnlos. Der Herd ist des Sportlers Freizeit.

Beten wir gemeisam um weiterhin so sommersportlerfreundliches Wetter. Dann kommt die Frühform von allein.

Schönen Winter.
Cristian Gemamto aka @_ketterechts

Weihnachtstextuere 2014 – meine Weihnachtsgeschichten zum Fest.

Ich schreibe nicht nur über meine Erlebnisse und Erfahrungen auf dem Rad, im Wasser und in Laufschuhen. Ich schreibe auch über Dinge die mich berühren. Und ich schreibe Weihnachtsgeschichten. Zum 8. Jahr jetzt. Hintereinander.

Diese Geschichten möchte ich dieses Jahr auch allen Ketterechts Afficionados zugänglich machen.

Einfach hier downloaden. Es würde mich freuen, wenn die eine oder andere Geschichte in den Feiertagen da und dort den Weg in Kopf und Herz findet.

An dieser Stelle wünsche ich gleichzeitig besinnliche Feiertage. Möge das Wetter mitspielen und eine #festive500 erlauben. Esst was euch schmeckt und vergesst nicht: Faulheit ist des Sportlers fett.

Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch in Neue Jahr.

Stay tuned
Cristian Gemmato aka @_ketterechts

Das Leithagebirge. Ein Traildorado.

Traillauf bitte nur mit dem richtigen Schuhwerk.

Aus längst geklärten Umständen hat es mich in den letzten Wochen vermehrt in das nördliche Burgenland verschlagen. Genauer gesagt an, in und auf das Leithagebirge. Gebirge ist vielleicht ein etwas irreführendes Wort. Für burgenländische Verhältnisse, kann man diese meist in alpinen Gegenden vorkommende Bezeichnung aber gelten lassen. Misst der höchste Punkt – der Sonnenberg, sage und schreibe 484m. Klettern und hochalpine Ausflüge sind also nicht das Alleinstellungsmerkmal dieser doch imposanten natürlichen Grenze zwischen Niederösterreich und dem Burgenland. Viel mehr sind es die Weitläufigkeit und die schier unendlich vernetzten Wege kreuz und quer durch die hauptsächlich mit Laubbäumen verwucherte pannonische Erhebung. Von den umliegenden Gemeinden, die alle auf ca. 200 Metern Meereshöhe liegen sind es auf die höchsten Punkte – Sonnenberg und Buchkogel – jeweils gute 200 Höhenmeter. Eisenstadt, Großhöflein, Müllendorf, Hornstein und Loretto im Süden, Donnerskirchen, Hof und Mannersdorf in der Mitte. Breitenbrunn, Kaltensteinbruch und Sommerrein im Norden.

Im Laufe der letzten fünf Wochen habe ich mich immer näher in die Tiefen und Höhen des Leithagebirges gewagt und immer mehr und mehr die unendlichen Weiten und die verzweigten Wegmöglichkeiten erkundet. Mein Fazit: ein grenzgeniales Traildorado. Links, rechts, rauf, runter … die Gefahr sich zu verirren ist groß. Sehr groß. Was ich auch am eigenen verschwitzten Leib erfahren durfte. Mehrmals hatte ich ein mulmiges Gefühl, weil ich keine Ahnung hatte. Darüber, wo ich gerade bin. Und darüber wie ich wieder zurückomme, wo ich schon einmal war.

Die ersten Male bin ich bei Regen und nebelverhangenem Himmel gelaufen. Gestern zum ersten Mal bei halbwegs Sonnenschein. Und genau gestern habe ich auch die Schönheit des Leithagebirges erlebt.

Es waren die Farben, die Ruhe und das Feeling, welche mich begeistert haben. Gestern war ich 24 km fast allein unterwegs. Abgesehen von einer Frau mit Hund, der ich den trockensten Weg zeigen musste, drei Waldarbeitern und einem verirrter Mountainbiker. Leider hatte ich (wieder einmal) das falsche Schuhwerk an. Mein Brooks Racer ST5 ist zwar am Asphalt ein treuer und guter Begleiter, im Gelände aber nur mit akrobatischen Einlagen zu bändigen und am Boden zu halten. Samt dem damit verbundenen Körper. Meinen Körper. Als Brooks Messenger sollte ich doch einen Brooks Trailschuh tragen, oder? Also Brooks. Hört mich denn ja jemand? Oder noch besser. Liest mich da jemand?

Zurück zu den Trails. Meine habe ich stets in Eisenstadt begonnen. Entweder direkt rauf auf die Gloriettenwarte oder zuerst durch den Schlosspark und dann Richtung Schönen Jäger. Rauf auf die Gloriettenwarte sind es von Eisenstadt auf dem ersten Kilometer gleich über 150 Höhenmeter. Genau richtig, um in Fahrt zu kommen. Ist man erst einmal auf Flughöhe, dann beginnt das heitere Wege erraten und Routen tanzen. Da zum Glück fast alles angeschrieben ist, ist es da und dort auch kein Problem. Kritischer wird es, wenn man sich auf eigene Faust den Weg durch den Wald sucht. Mein Appell deshalb: Stets am Weg bleiben. Mit einer mitgeführten Karte ist man dann auch noch auf der sichersten Seite. Zwischen dem Sonnenberg und dem Buchkogel (ca. 7 km voneinander entfernt) kann man sich austoben. Oder man wagt es jeweils runter in eine der umliegenden Gemeinden. Selbstverständlich dann wieder hinauf.

Da ich aus bereits geklärten Umständen die nächsten Tage, Wochen und Jahre weiter rund um das Leithagebierge zu tun haben werde, bin ich froh, dieses schöne Plätzchen für meine Trailläufe gefunden zu haben. Jetzt nur noch hoffen, dass sich der Boden etwas festigt und dann wird es keinen Weg geben, den ich mit meinen Brooks Laufschuhen dort nicht getrailert habe.

Stay tuned.
Cristian Gemmato aka @_ketterechts

Raus oder rauf? Wenn der Winter das Rennradfahrerherz zerreißt.

„Sommersportler werden im Winter geformt.“ Dieses irgendwo aus den Tiefen des Internet gefischte Zitat hat mich dazu bewogen, hier wieder ein paar Zeilen zu schreiben.

Radsport als Ganzjahressport. Weil es heutzutage keine Ausreden mehr geben kann. Klima und Industrie eröffnen uns* ganz neue Möglichkeiten. Wärmere Winter und wärmere Kleidung. Trockenere Winter und trockenere Kleidung. Des Rennradfahrer Feindes in der kalten Jahreszeit ist einzig und allein der innere Schweinehund. Und der Schnee. Nicht der auf der Straße. Der in den Bergen. Der Powder. Frisch. Flockig. Leicht. Hier hat das Rennrad, egal ob Straße, MTB, Crosser oder Bahn, einfach keine Chance. Einfache Regel der Physik. Verzichten? Schwer. Unmöglich. Ein Aufstieg in der unverspurten Natur. Eine Abfahrt. Freeriding. Sonntags. Leider geil.

Was sich herrlich anfühlt ist aber eigentlich eine schwere Entscheidung. Eine, welche Gewissensbisse nährt. Eine, die nicht leichtfertig getroffen werden darf und kann. Sie muss überlegt sein. Rennrad oder Freeriding? Pro und Contra. Rennradler werden im Winter geformt. Grundlage oder Vergnügen? Mögen die Insider jetzt protestieren. Ja, auch der Aufstieg ist eine Art des Trainings. Ein gutes Training habe ich mir sagen lassen. Aber ich bin kein Tourengeher. Ein paar hundert Höhenmeter hinauf ja. Vom  letztmöglichen Punkt, der mit einer Aufstiegshilfe erreicht werden kann. Und das ein paar Mal. Vielleicht auch ein paar Mal mehr. Ski am Buckel. Samt Rucksack ein schönes Gewicht. Dazu noch die schweren Skischuhe. Ok. Krafttraining für die Beine. Kann auch nicht schaden. Aber es ist kein Rennrad fahren. Die Profis fahren im Winter auch nicht in die Alpen. Sie fahren in den Süden. Eben weil sie sich im Winter für den Sommer formen. Und sogar die Skifahrer, fahren im Sommer mit dem Rad. Um sich für den Winter zu formen. Grundlagentraining. Das perfide Zauberwort. Freeriding ist kein Grundlagentraining. Skifahren ist kein Grundlagentraining.

Warum ist denn alles so kompliziert? Warum habe ich mehrere Leidenschaften? Es ist schon schwer, Schwimmen und Laufen mit den Rennrad fahren zu kombinieren. Was ich ja eh nicht mache und vernachlässige.  Wenn also der Tiefschnee lockt, dann packt mich das schlechte Gewissen. Es zerreist mich innerlich. Raus oder rauf?

Egal. Jetzt einmal Weihnachtkekse essen. Viele. Sehr viele. Das hilft. Denn das schlechte Gewissen verlagert sich dann auf die Ansicht der Wampe und den Gürtel, der jetzt weiter geschnallt werden muss. Problem verschoben. Problem aufgehoben. Es muss nach Weihnachten Grundlagentraining her. Rennradler werden im Winter geformt. 

Stay tuned.
Cristian Gemmato aka @_ketterechts

*ich, ihr, wir.

Cyclocross – mein Selbstversuch.

Ein Crosser auf den Schultern. Premiere im Querfeldein.

Endlich. Höchste Zeit. Viel zu spät. Warum nicht gleich. Cyclocross. Querfeldein. Crosser. Gemüse. Ich habe es getan und mich auch in dieser Disziplin entjungfernt. Yuppie Du. Bei Kaiserwetter. An einem der sonnigsten November Sonntage. Der Vorletzte. Nächste Woche ist der 1. Advent. Strahlend blauer Himmel. Angenehme Temperaturen. Herzklopfen. Aufregung.

Dieses Mal bin ich dem Ruf von Bernhard Kohl gefolgt, der das Cyclocross Schnuppertraining ausgerufen hat. Ich habe mich gleich angemeldet und das Beste vom Besten nach bewährter Ketterechts Philosophie reservieren lassen. Ein Ridley Crosser Model 2015. Genauer gesagt das Ridely X-Fire. Disc. Mit Shimano Ultegra. Als ich pünktlichst um 0930 bei der Brigittenauer Bucht ankam, stand es schon dort. Für mich reserviert. Mit meinem eigenen Namen. Falsch geschrieben. Aber immerhin. Eigentlich wollte ich schon früher dort sein, aber ich bin ca. 30 Minuten zwischen der A22, der Brigittenauer Brücke und den Katakomben des Vienna Int. Center umhergeirrt. Nicht ganz freiwillig. Ortskenntnisse. Nie von Nachteil. Navigationsgeräte sind keine Allekönner.

Egal. Ich war dort. Shimano Pedale drauf (uralte SPD 535er), Sattel etwas einstellen. Nach Gefühl. Schuhe an. Und schon war ich bereit. „Es gibt 2 Grundregeln“, erklärt man uns. Ich lausche jenen, die sich auskennen. Zuerst zeigt man uns, wie man ein Crossbike trägt. Ja. Man trägt diese Räder. „Es ist eine Mischung aus Radfahren und Laufen“. Und da man bekanntlich mit den Beinen läuft, muss man derweil das Fahrrad tragen. Schieben ist verpönt. Und langsam. Griff 1 und 2 sind leicht zu merken. Wichtig ist das Rad stabil zu halten und sich nicht selber im Weg zu stehen. Entweder auf der Schulter oder neben sich her.

Dann ging es schon los. Ich hatte vorerst einmal große Probleme mit der Shimano Schaltung. Wie immer. Darüber habe ich schon so oft berichtet. Als alter Campagnolo Fan ein Graus. Erste Gerade. Erster kleiner Hügel. Erste Spitzkehre. Erste Berührung mit dem Boden. Auf die Goschn gefallen. „Du darfst nicht so stark einschlagen. Vor allem, wenn es bergauf geht,“ ein gut gemeinter Ratschlag. Aber zu spät. Ich lass mich nicht unterkriegen. Fahre weiter. Suche vergebens jedes Mal in die Pedale zu kommen. Der tiefe Boden hindert mich. Besser gesagt hindert er die Schuhe eine Verbindung mit dem Rad herzustellen. Irgendwie geht es aber doch.

Wenig später gleich das nächste Hinderniss. Eine Uferdamm muss passiert werden. Nicht gerade aus. Sondern zuerst hinunter und dann wieder hinauf. Ca 5 Meter freier Fall. Und dann das selbe wieder steil nach oben. Mit dem Rad. Unten nur eine Kehre Zeit Schwung zu holen. „Den Schwung mitnehmen“, wieder so ein Tipp. Die Frage ist nur wohin den Schwung mitnehmen. Nach links hinauf oder gerade aus in die Absperrung? Ich werde es gleich erleben.

Scheibenbremsen. Was für eine göttliche Gabe. Der freie Fall ist halb so schlimm, wenn man sich auf eine gute Bremsleistung verlassen kann. Ich drücke voll zu. Das Hinterrad blockiert. Es rutscht. Ich rutsche. Die Fliehkraft drückt mich nach unten. Mein Hintern verlängert sich in die Gegenrichtung. Ich brauche einen Ausgleich. „Unten kurz die Vorderbremese aufmachen“. Ich erinnere mich. Öffne diese und kann das Rad in die richtige Fahrtrichtung lenken. Drei Pedaltritte und dann das Vermeintliche. Absteigen. Rad heben und rauf laufen. Ich bin kein Superman. Zum Glück habe ich gute Schuhe. Mit Stollen vorne. Vier Stück zu Beginn. Drei Stück am Ende. Der eine ist irgendwo noch in der Brigittenauer Bucht. Bitte komm heim.

Die zwei Schlüsselstellen des Rundkurses habe ich schon mal überlebt. Ohne mein zuvor im UKH Meidling vorsichtshalber reserviertes Zimmer beanspruchen zu müssen. Der Rest ist dann ein Herantasten. Asphalt. Schotter. Wiese. Und ein Hinderniss. Eine 30 cm hohe Absperrung. Laut vieler Youtube Videos könnte man so etwas überspringen. Könnte man. Ich lasse diese Erfahrung aus. Nehme diese Hürde, so wie man mir es gezeigt hat. Nicht schnell, dafür umso eleganter. Den Boden küsse ich nicht. Ich bin ein Naturtalent. Ja.

Auf. Ab. Links. Rechts. Rauf. Runter. Cyclocross macht sehr viel Spass. Und ist anstrengend. Die kurzen knackigen Anstiege haben es in sich. Intervalltraining Deluxe. Von Runde zu Runde werde ich schneller und sicherer. Fast zu sicher. In der zweiten Runde passiert es fast. Die Spitzkehre vom ersten Sturz wird mir zum Verhängnis. Vollgas rauf. Vollgas nach rechts. Fliehkraft nach hinten. Ich stürze über die Abgrenzung. Drehe mich in der Luft und sehe einen großen Stein. Gedanklich habe ich ihn schon am Helm. UKH ich komme. Reflexartig drehe ich den Kopf auf die Seite. Beim Aufprall am Boden verfehle ich den Stein um ein paar Zentimeter. Danke Schutzengel. Ein Zeichen? Ich ignoriere es. Weiter gehts. Taste mich immer mehr an meine Grenzen heran. Diese sind in der Technik. Aber ich schlage mich tapfer. Mit der GoPro. Video folgt.

Der Rennkurs füllt sich. Cyclocross scheint doch keine Randsportart zu sein. Kurz vor dem Rennen tummeln sich gestählte Körper und teure Carbonräder. Aller Marken. Ich bekomme das Bedürfnis mich mit all diesen Menschen messen zu wollen. Doch meine Freude wird gedämpt. Ich dachte, das Rennen mitfahren zu dürfen. Habe in der Ausschreiben da wohl was überlesen. Aus Freude. Zu großer Vorfreude. Und/oder hieß es. Schnuppertraining und/oder Schnupperrennen. Das Schnupperrennen aber unter Bedingungen. Ein Rad anzahlen. Es dann beim Rennen crossen. Danach zurückgeben und ab 30.11. dann im Empfang nehmen. Mit der Restzahlung. Bernhard Kohl persönlich erklärt mir das alles. Ohne zu sehen, wie traurig meine Augen waren, als ich diese Hiobsbotschaft hörte. Kein Rad. Kein Rennen. Schade. Ich hätte sicher nicht als Letzter die Ziellinie überquert.

Get lucky. Cross it.
Cristian Gemmato aka @_ketterechts

Wenn Rennrad fahren nichts mehr mit Rennrad fahren zu tun hat.

Redaktionstreffen von quäldich.de. Ich war dabei. Hätte ich gewusst, was mich erwartet, würde ich an dieser Stelle einen ganz anderen Blogbeitrag verfassen. Mit Rennrad fahren hatten 2 von 3 Ausfahrten nichts zu tun. Wer kann schon wissen, dass wo quäldich drauf steht auch wirklich quäldich drinnen steckt.

Donnerstag Anreise. Akklimatisierung. Es sind noch nicht alle da. Die Schweizer fehlen. Die Norddeutschen kommen ob der längeren Anreise später. Der Abend bleibt gemütlich. Auch weil der Kühlschrank noch leer ist. Dafür ist der Getränkevorrat so wie er sein muss. Freitag. Es regnet. Das haben wir gewusst. Dann hört es auf. Von Null auf Rennraddress in wenigen Minuten. Die Meute schart in den Löchern. Reto hat (s)eine Tour ausgesucht. Wir folgen ihm. Es geht zuerst nach Immenstadt. Von dort rauf auf den Mittagberg. RAUF. Großgeschrieben. Der Mittagberg sind knapp 700 HM auf 4,3 km mit einer Durchschnittssteigung von 15,06%. Teilweise kraxeln wir die Rodelbahn nach oben. Der Rest ist im Winter Skipiste. Der Asphalt in erbärmlichen Zustand. Ein Flachstück von ca. 5 m ist keine Hilfe. Oben schütteln wir alle den Kopf. Das hat mir Rennrad fahren nichts zu tun. Wir sind uns einig. Hinunter brauchen wir gleich lang wie nach oben. Dauerbremsen.  Wir streichen die Auffahrt auf die Grüntenhütte. Kein Bock mehr auf Stichstraßen. Rollen statt dessen im Allgäu ein wenig auf und ab. Zurück in der Bleibe geht es den Nudeln an den Kragen. Der nächste Tag soll ein Laktatgemetzel werden. Den internen Codenamen dafür, darf ich aus Jungendschutzgründen hier nicht anbringen.

Samstag. Wir fahren zuerst 112 km nach Bludenz (!!!). Mit dem Auto. Von dort mit den Rennrädern auf die Silvretta Hochalpenstrasse. Lukas attackiert noch in der neutralisierten Zone. Jan und Roli folgen. Ich sehe die drei erst wieder oben auf der Bieler Höhe. Mit Tobias und Reto ziehe ich bis an den Fuß der Hochalpenstrasse. Dann sind die beiden auch weg. Ich sehe sie erst wieder oben auf der Bieler Höhe. Bis dorthin sind es insgesamt 1500 HM am Stück (von Bludenz aus). Unzählige Kehren und ein herrlicher Anblick je höher man nach oben kommt. Höhepunkt die Sicht auf den schneebedeckten Piz Buin. Es ist der 18. Oktober 2014. Oben auf 2.036m hat es 14 Grad. Ich habe eindeutig zu viel an. Weil ich die Ärmlinge vergessen hatte, bin ich mit dem Winter Langarmtrikot losgefahren.

Wiedervereint machen wir uns auf den Weg durch das Panznauntal nach Pians. Die Zeit eine Packung Manner Schnitten zu verschlingen geht sich gerade noch aus. Ein paar Serpentinen und schon sind wir in Galtür. Jetzt wird gekreiselt. Und gebolzt. Ich halte mich raus. Mir friert. Links und rechts Raureif. Das Langarmtrikot kann mich jetzt auch nicht retten. So schnell kann es gehen. Galtür. Ischgl. Kappl. Ich sehe diese Orte flüchtig. Sehr flüchtig. Habe das Gefühl die quäldich.de Leute wollen sich gegenseitig zerstören. Doch keiner geht kaputt. Pians. Es geht hinauf auf den Arlberg. Der 2te Hungerast an diesem Tag. Ich lass abreißen. Meine Beine sind leer. Ich rette mich nach St. Anton. Besuche dort einen Sparmarkt. Eine Wurstsemmel, ein Red Bull und ein Milka Tender. Dann weiter auf den Pass. Unzählige Male bin ich mit dem Auto hier hoch. Das erste Mal jetzt mit dem Rad. Bis zu 13% machen sich bemerkbar. Wurstsemmel, Red Bull und Milka Tender bleiben wirkungslos. Es geht nichts weiter. Ich brauche die gesamte Straßenbreite. Zick Zack.

Ich erreiche die Passhöhe. Stürze hinunter nach Alpe Rauz. Eigentlich ist dieser Teil gesperrt. Bauarbeiten. Komme zur Baustelle. Es wird neu asphaltiert. Muss absteigen. Trage mein Rad abseits der Leitschiene. Dann der Flexenpass. Nur des Panorama wegens, wage ich mich hinauf. Oben mache ich Pause. Der Rest ist bereits in Lech. Also nicht weit weg. Beim Mittagessen. Es warten noch der Hochtannbergpass und das Faschinajoch. Ich überlege, ob ich mir das antun kann.

Ich tue es mir nicht mehr an. Ich nehme den direkten Weg nach Bludenz. Über das Klostertal. Vollgas. Die Wartezeit verbringe ich in Nüziders im Dorf Cafe bei sommerlichen 26 Grad. So muss es sein.  Für mich waren es 162 km und 2.700 HM. Die Helden hingegen haben sich mit 200 km und 4.000 HM ein Denkmal gesetzt. Schwanzmessen. Ups. Jetzt habe ich das interne Codewort doch noch ausgeplaudert.

Sonntag. Eine Challenge der besonderen Art. Das Nebelhorn. Die Passbeschreibung macht Angst. 1200 HM auf 7 km. Eine durchschnittliche Steigung von 23% auf den letzten 2 km. Spitzen bis zu 30%. Fahrbar? Wir probieren es. Natürlich bin ich dabei. Wir rollen durch Oberstdorf. Erreichen bald die mächtigen Sprungschanzen in der Erdinger Arena. Heute Training. Wir sehen Zahnstocher mit Sprungskiern. Gleich danach geht es zur Sache. Minimalziel Seealpe. Schnell komme ich ins Schwitzen. Kehre für Kehre geht es hinauf. Bis zu 15% die Neigung. Ziehen. Drücken. Das fehlende Oberarm und Rumpfmuskulaturtraining rächt sich. Jetzt vor allem. Mit Rennrad fahren hat das schon lange nichts mehr zu tun.

Ein paar Wanderer werden überholt. Sie staunen. Fragen sich wohl, wer diese Spinner sind. Die Trikots verraten es. quäldich und ketterechts. Wobei das quäldich im Vordergrund steht. An Kette rechts ist hier nicht einmal zu denken.

Seealpe. Es wird flacher. Vor mir eine Wand. Ich kenne sie vom Winter. Mit den Skiern. Die Wand wird zur Mauer je näher ich herankomme. Normalerweise bräuchte man hier einen Lift, um nach oben zu kommen. Wir haben Rennräder. 34/29, 34/28 und 35/27. Letzterer bin ich. Optimistisch. Es wird steil, steiler, Nebelhorn. Reto liegt schon am Boden. Hinten keine Traktion. Vorderrad etwas zu weit nach links gedreht. Umgefallen wie ein Kartoffelsack. Die Straße ist voller Rollsplit. Auch in der Mitte. Wir können nicht kreuzen. Müssen alles im direkten Weg nach oben fahren. Es ist ein Spiel mit der Physik. Hart über der Grenze. Die erste Rampe schaffen wir. Jetzt kommen Kehren. Und es wird noch steiler. Kehre für Kehre würgen wir uns nach oben. Ausklicken kann lebensgefährlich werden. Bei dieser Steigung hat man mit Look Platten keinen Halt.

Mit Rennrad fahren hat das alles jetzt erst Recht nichts mehr zu tun. Es ist verkrampfte Akrobatik. Es fehlt an allen Ecken und Enden an Traktion. Fährst du zu schnell, dreht dein Hinterrad durch. Fährst du zu langsam, wirft dich der Berg ab. Mehrmals muss ich absteigen. Habe Mühe mich und meine Princess of Pain zu halten. 50 Meter gehe ich zu Fuß. Nehme dann einen neuen Anlauf. Es bleibt beim Anlauf. Weit komme ich nicht. Die Grenzen der Rennradpysik sind erreicht. Aus. Basta. Wir müssen umkehren. Auf ca. 1560m Seehöhe. Die Bergstation und somit der Probst Haus liegen knapp unter 2.000m. Wir hätten also noch ca. 350 HM gebraucht. Auf weniger als 2 km! Umkehren.

Bergab ist es nicht ungefährlicher. Die Bremsen am Anschlag. Ein Fuß ausgeklickt. Bereit für alle Eventualitäten. Ich habe das Gefühl im freien Fall zu sein. Körper und Fließkraft drücken mich nach unten. Ein Fehler und ich schaffe die 100 km/h mit einem Wimpernschlag. Es wird zu viel. Ich fürchte um meine Felgen. Und um meine Gesundheit. Ich steige ab. Laufe ein Stück. Bis das Schlimmste vorbei ist. Zurück auf der Seealpe. Zurück in der Zivilisation. Wir fahren weiter nach Oberstdorf. Kehren ein. Kaffee und Kuchen. Fahrzeit 1h 24 Minuten für 14 km und 1.000 Höhenmeter. Schnitt 13 km/h. Mein langsamste Ausfahrt.

Was bleibt ist der Versuch und die Erkentniss, dass man Sportgeräte nicht außerhalb ihres Verwendungszweckes vergewaltigen soll. Tatsache ist, dass es muskulär machbar gewesen wäre. Aber damit kann ich mir nichts kaufen. Auf ein Neues! Mit quäldich.de. Weil die spinnen.

Stay tuned.
Cristian Gemmato aka @_ketterechts