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SuperGiroDolomiti 2016 – in monte veritas.

Bericht von ketterechts - dem Rennradblog und Eventliveblogger
Fressen oder gefressen werden – Monte Zoncolan

Ein großer Torbogen empfängt uns über der strada provinciale 123. Wir befinden uns in Ovaro und biegen gerade, von Comeglians kommend, mitten in der kleinen Ortschaft links ab. Vor uns stemmt sich der unumstrittene Mythos des Radsports in den Himmel hinauf. Il Kaiser Monte Zoncolan. 10,5 km voller Leiden und persönlicher Geschichten. Schmerzen, die man sich nur als radsportbegeisterter Masochist antun will. Er ist wie ein riesiges Maul, das dich hier verschlingt und oben auf 1.750m vielleicht wieder ausspuckt. Einer nach dem anderen begibt sich in den Rachen des eigenen Schicksals. Es wird hochgeschaltet, was Kettenblätter und Ritzel hergeben. Klack. Sum. Klack. Der SuperGiroDolomiti 2016 hat seinen Höhepunkt. Spekulationen, Ängste, Hoffnungen – das alles zählt nicht mehr. Die ersten Rampen hinauf nach Liariis sind nur ein bitterer Vorgeschmack. Hier ist eine direkte Linie noch im Bereich des Machbaren. Die Pizzableche hinten helfen dabei, das Ganze noch halbwegs dynamisch und anschaulich zu gestalten. Man fühlt sich wie ein langsamer nach oben schleichender Rennradfahrer. Noch.

Die Auto-Pause trifft dich direkt ins Rennfahrerherz.

Nach der ersten ernstzunehmenden wie auch sehr kurzen Verschnaufpause ändert sich das Bild schlagartig. Die Einfahrt in die Hölle ist unscheinbar. Sie trifft dich aber mit voller Wucht. Es fühlt sich an wie eine unsichtbare Kraft, die dein Vorderrad ruckartig nach oben hebt und dich nach hinten wirft. Deine noch so bikegefittete Rennmaschine wird zum Chopper. Dein Garmin stoppt ob der zu geringen Geschindigkeit. Die Auto-Pause trifft dich direkt im Rennfahrerherz. Dein Stolz verabschiedet sich verächtlich. Jetzt ist die Psyche gefordert. Die nächsten 7,5 km entscheiden darüber, was deine Enkelkinder von dir erzählt bekommen. Der Berg ist bereit, dich abzuwerfen.

Ein Bericht von ketterechts - dem Rennradblog und Eventliveblogger
Schaut nicht nur steil aus – es ist auch so.

Mit großem körperlichen Einsatz stemmst du dich aber dagegen. Jeder Tritt ist ein kleiner Sieg gegen die Gesetze der Physik. Auch wenn der Rhythmus deiner Trittfrequenz nur mehr ein Trauermarsch in Moll ist. Dein Schicksal ist das der anderen um dich. Die gemeinsame Sprache ist ein wirres Zickzackfahren. Andernfalls ist die Steilheit hier kaum zu überwinden. Wer geglaubt hat, dass man mit den Beinen Rennrad fährt, der wird hier eines Besseren belehrt. Es sind die Arme, die ziehen, und der Oberkörper, der dabei mitgeht und einem balzenden Hahn täuschend ähnlich sieht. Der Monte Zoncolan ist wohl der einzige Berg, der mehr hält als er verspricht.

Steil. Steiler. Aufragend.

Es ist schon der Name, der einen müde macht. Zermürbt. Verlangsamt. Immobilisiert. Den Rest macht die Topografie. Ein untypischer Verlauf. Steil. Steiler. Aufgragend. Kaum eine Ecke, um sich auszuruhen. Kaum eine Möglichkeit, den Puls zu beruhigen. Kaum eine Chance, die Trittfrequenz zu erhöhen. Der Berg gibt vor. Du darfst ihm folgen. Widerstand ist zwecklos.

Noch fehlen knapp 2 km bis zur Erlösung. Du hast alles gegeben. Kannst nicht mehr. Und plötzlich verwandelt sich der Berg. Er schenkt dir unerwartet wieder Mut. Wenn du bis jetzt nicht gefallen bist, dann geht eine Tür ins Radfahrerparadies auf. Der Monte Zoncolan legt sich kurz flach vor dich hin. Du nutzt diese einzig verbliebene Chance, deine Brust zu schwellen. Alles macht wieder Sinn. Deine Gedanken enden nicht mehr oben am Scheitelpunkt. 10% Steigung fühlen sich verdammt abfallend an. Du bist wieder im Rennen. Beim SuperGiroDolomiti 2016. Nur noch die feuchten Gallerien. Dann die längsten 500 Meter deines Lebens. Die übliche Steilheit imponiert dir nicht mehr. Eine andere Welt. Die letzten drei Kehren sind deine Wiedergeburt mit starken Kontraktionen. Nach einer gefühlten Ewigkeit bist du oben und hast deine Radsportgeschichte neu geschrieben.

Die 123 km danach.

Der SuperGiroDolomiti 2016 war nicht nur der Monte Zoncolan. Gut. Dieser Berg stand sicher im Fokus vieler. Es gab aber auch noch den Gailbergsattel, zweimal den Plöckenpass, die Sella Valcalda und das Lesachtal samt Kartischer Sattel. Genug zusätzliche Höhepunkte, das Rennen nicht am Zoncolan gewinnen zu müssen. Oder zu verlieren. Die 10,5 km waren sehr schwer. Die 213 km sehr lang. Es hat aber Spaß gemacht. Wenn das nächste Jahr der Zoncolan wieder im Programm steht, komme ich wieder. Ansonsten auch.

Cristian Gemmato aka @_dieketterechts

PS: Die Teilnahme am diesjährigen SuperGiroDolomiti war wieder Teil meiner Rennradreise nach Osttirol in Zusammenarbeit mit quaeldich.

Cyclassics Hamburg – das Rookie Programm.

Ein Bericht von ketterechts - dem Rennradblog
Leider kein Rookie mehr

Das ist nicht irgend ein Rookie Programm. Sondern das ist das Cyclassics Hamburg Rookie Programm. Noch sind Plätze verfügbar. Wer also das Abenteuer nicht scheut und gut vorbereitet zum größten Radrennen Europas reisen möchte, der hat jetzt die Chance.

Als Ambassador der Cyclassics in Hamburg, möchte ich euch dieses Programm ans Herz legen. Es gibt die Chance, sich in 8 Wochen gut auf das Rennen in der Hansestadt vorzubereiten. Kompetente Trainer vermitteln dabei Know How und arbeiten mit den Rookies an Fahrtechnik und Ausdauer. Schön nach Plan. So dass die Bewältigung der Strecke (kurz oder lang) zum Vergnügen wird.

Die Facts:

  • Dauer: 8 Wochen
  • Trainingsinhalt: Technik, Kraftausdauer, Teambuildung, Regelwerk
  • 3 Trainings pro Woche
  • Individuelles Coaching
  • Inklusive: Cyclassics-Startplatz und Trikot
  • Eigener Rookie-Startblock
  • Professionelle Begleitung im Rennen
  • Limitiert auf 100 Plätze
  • Early-Bird-Preis bis 31. Mai: 179,- statt 199,- Euro (149,- statt 179,- Euro für sportspaß-Mitglieder)

Anmeldungen sind noch möglich – weil Restplätze verfügbar.

Es geht in erster Linie um geschultes Training unter professioneller Leitung. Ein idealer Einstieg in den Radsport. Neben Technik- und Kraftübungen, steht auch die Vermittlung von Basisregeln des Rennens auf dem Trainingsplan. Der körperliche und geistige Grundstein für eine erfolgreiche Teilnahme will gelegt werden.

Leider ist das Programm „nur“ für jene geeignet, die in der Nähe von Hamburg zu Hause sind, oder keine Scheu davor haben, in Abständen dorthin zu fahren. Zum Beispiel für den Body Check zu Beginn. Dieser dient den Fitnesslevel jedes Rookies zu bestimmen und ein realistisches Ziel für die Hamburg Cyclassics zu setzen. Der Rest sind viele Einheiten aus dem Core-Trianing und dem Functional Fitness. Wozu? Das Core-Training ist ein Top-Workout für den Sixpack inklusive Stabilisierung des Körpers aus dem Rumpf. Agilität und Temposteigerung sind angenehme Nebeneffekte. Ergänzende Elemente für Beine, Brust und Arme kommen vom Functional Training.

Detail am Rande. Das Programm ist heuer leider nur jenen vorenthalten, die noch nicht für das Rennen angemeldet sind.

Anmeldungen sind noch möglich – weil Restplätze verfügbar. Würde mich freuen, die/der eine/n oder andere/n in Hamburg persönlich zu treffen.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts

Der Radrennfahrer in der StVO. Können. Dürfen. Müssen. Ein Nachtrag.

Die Straßenerkehrsordnung

Die letzten Tage habe ich unter anderem damit verbracht, Gespräche zum Thema zu führen. Unter anderem mit den StVO Rechtsexperten des ARBÖ und ÖAMTC. Danke an dieser Stelle an Dr. Stefan Mann (ARBÖ) und Mag. Martin Hoffer (ÖAMTC). Ich möchte euch nicht vorenthalten, was dabei rausgekommen ist.

In erster Linie habe ich die Thematiken „Nebeneinanderfahren“, „Trainingsfahrt“ und auch alles rund um Haftung bei gemeinsamen Ausfahrten angesprochen.

Der Rennradfahrer in der StVO.

Zur Erinnerung: §68 StVO regelt die Rolle des Radrennfahrers im öffentlichen Verkehr. Die Norm ist umfangreich und gespickt mit interessanten Absätzen und Formulierungen. Gleichzeitig sind diese Absätze für mich kleine Fallen, welche viel Interpretationsspielraum offen lassen und so Platz für kreatives Zurechtrücken und -biegen bieten. Grundsätzlich gilt:

Radrennfahrer dürfen zu Trainingszwecken auf öffentlichen Straßen* nebeneinanderfahren

Laut Herrn Mag. Hoffer vom ÖAMTC ist diese Regelung auf Wunsch der Radfahrer-Sportorganisationen legalisiert worden, weil anders ein Halten des Standards österreichischer Radsportler gefährdet gewesen wäre. Wer jetzt meint, damit wäre alles gesagt, der irrt. Denn damit ist fast nichts gesagt.

    • im §68 ist nirgendwo „geregelt“, was genau eine Trainingsfahrt ist. Man spricht von einer Fahrt im Rahmen eines systematsich geplanten, pädagogisch fundierten und methodisch zielgerichteten Handlungsverlaufs zur Steigerung und Optimierung sportlicher Leistungen.
  • Es gibt keine formalen Kriterien diesbezüglich. Ausrüstung und Geschwindigkeit können in diesem Fall Aufschluss darüber geben, ob oder nicht. Also gefahrene Geschwindigkeit, die mit jener wie einer radsportlichen Veranstaltung vergleichbar ist, ein den Normen entsprechendes Rennrad (Fahrrad mit Rennlenker, dessen Eigengewicht im fahrbereiten Zustand 12 kg nicht überschreitet, dessen äußerer Felgendurchmesser mindestens 630 mm und dessen äußere Felgenbreite höchstens 23 mm beträgt) und einer entsprechenden Bekleidung (Vereinstrikot?).

    Zum Thema Bekleidung: Gestern erreichte mich ein Schreiben (danke Thomas), in dem geschildert wurde, dass zwei nebeneinanderfahrende Radrennfahrer von der Polizei ermahnt worden sind. Laut Aussage der Beamten: „Wenn Rennradler mit unterschiedlichen Trikots unterwegs sind, ist Nebeneinanderfahren verboten“. Keine Ahnung ob das so stimmt.

    Wir sehen, dass es eine große Wissenslücke gibt. Sogar bei der Exekutive.

    Laut Herrn Mag. Hoffer: „Mit dieser Regelung sollte aber keinesfalls ein allgemeines Nebeneinanderfahren von Radfahrern (Rennradfahrer? Radrennfahrer?) legalisiert oder gefördert werden. Wenn daher jemand bei solchem Verhalten „kritisiert“ wird, erscheint dies in Hinblick auf das oben Ausgeführte nachvollziehbar.“

Heißt jetzt was? Für mich heißt das jetzt, dass es zwar eine Regelung gibt. Im Falle eines Falles müsste nachgewiesen werden, ob es sich um eine Trainingsfahrt gehandelt hat. Lizenzfahrer haben da sicher einen Vorteil, denn diese können damit nachweisen, dass sie sich für (ein) Radrennen vorbereiten (Ich gehe davon aus, dass jemand, der eine Lizenz hat, auch beabsichtigt Lizenzrennen zu fahren). Hobbyfahrer? Hier wird es wohl etwas komplizierter. Trainieren Hobbyfahrer? Natürlich. Aber wofür? Fitnesstraining (also Kondition und so) ist damit wohl nicht gemeint. Eine Vorbereitung auf einen Radmarathon (oder Triathlon) kommt dem viel näher. Möglicherweise genügt eine Anmeldebestätigung für einen Radmarathon. Oder ein Trainingsplan. Nicht, dass man diese Papiere jetzt mithaben sollte. Sie können aber im Beweisfall vorgelegt werden. Welches Tempo jetzt jenem einer radsportlichen Veranstaltung entspricht, bleibt offen. Eindeutig ist die Regelung was MTB und Triathlonräder betrifft. Mit solchen darf man nicht nebeneinander fahren. Siehe auch interessantes Urteil.

Noch eine Frage stellt sich: Es gibt Felgen bei Rennrädern, welche 24,2 mm breit sind. Laut Regelung also nicht zulässig für Nebeneinanderfahren.

Vorsicht und gute Absicht.

Kommt es bei einer Trainingsfahrt, bei der nebeneinandergefahren wird, zu einem Zwischenfall mit anderen Verkehrsteilnehmern mit Schadensansprüchen, kann man sich auf diese Regelung stützen. Es ist aber wie immer so, dass im Einzelfall ein Richter darüber entscheidet, wie eine Regelung anzuwenden ist. Auch rückwirkend aufgrund der Umstände. Da nicht alles gesetzlich geregelt werden kann, gibt es diesen Spielraum. Vor Gericht gilt es im Nachhinein zu beurteilen, was richtig und falsch war und ein Richter wird entscheiden. Zwei Parteien, zwei „ehrliche“ Sachverhalte, zwei Sachverständigengutachten … ein Richter. Gute Nacht.

Die Verkehrsexperten raten also deshalb immer, die Vernunft walten zu lassen. Es darf kein Hintergedanke verfolgt werden. Wer also durch Nebeneinanderfahren, andere Verkehrsteilnehmer provoziert (zum Beispiel durch langsames Fahren und gleichzeitiges Plaudern), dem kann auch eine Teilschuld anerkannt werden. Es gilt wie immer und überall der Vertrauensgrundsatz.

Sicherheit und Abstand.

Das Thema seitlicher Sicherheitsabstand ich auch so ein heikles. Es gibt ein Urteil des OGH, das besagt, dass der Seitenabstand davon abhängt, wie schnell die Geschwindigkeit des vorbeifahrenden Fahrzeuges ist. Der genaue Rechtssatz im Wortlaut: „Der Seitenabstand muss umso größer sein, je höher die Fahrgeschwindigkeit des überholenden Fahrzeuges und je labiler das überholte Fahrzeug (mehrspurig, einspurig) ist. Beim Überholen eines einspurigen Fahrzeuges ist unter normalen Umständen ein Seitenabstand von einem Meter ausreichend, nicht aber bei einer Fahrgeschwindigkeit von fünfundachtzig bis einhundert km/h und einer Sichtbehinderung gegenüber dem zu überholenden Fahrzeug.“

Was heißt das? Das heißt, dass auf Bundesstraßen Autos seitlich mehr als einem Meter Abstand halten müssten. Bedenkt man jetzt, dass ein Rennradfahrer nicht genau am rechten Fahrbahnrand fährt (aus Sicherheitsgründen), ist ein Überholen eigentlich nur durch Verlassen der rechten Fahrbahn möglich. Also nicht bei Gegenverkehr, bei Verkehrsinseln, bei Sperrlinien (einfach und doppelt). Theoretisch. Die Praxis sieht da ganz anders aus. Die 1,5m Seitenabstand sind gesetzlich nirgends festgehalten. Sie können aber aus den Umständen heraus abgeleitet werden. Auf alle Fälle sind sie eine Forderung der Radfahrerlobby. Und noch eins. Dieses Urteil des OGH heißt nicht, dass es immer so sein muss.

Theorie und Praxis sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Zu guter Letzt noch ein heikles Thema. Die Haftung. Das Nebeneinanderfahren (und auch das Hintereinanderfahren) birgt Risiken und Gefahren, die oft auch im Krankenhaus oder bei Radhändlern des Vertrauens enden können. Wer haftet denn wann für was? Gute Frage. Auch hier gelten die Grundsätze der StVO. Also ist der Hinterherfahrende jener, der das Risiko zu tragen hat. So lange alles nach normalen Umständen abläuft und dem Vordermann keine Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Rein rechtlich. Auffahren auf den Vordermann ist also eigenes Pech. Stürzt dabei der Vordermann, hat man ein Problem. Zivilrechtlich wie auch strafrechtlich. Beim Nebeneinanderfahren wird’s komplizierter. Hier kenne ich ähnliche Fälle, die beispielsweise unterschiedlich ausgegangen sind. Selber erlebt. Von der Staatsanwaltschaft (ja, diese schaltet sich automatisch ein, wenn es zu Personenverletzungen kommt) wurde in diesem Fall das Verfahren eingestellt. Auch weil alle Beteiligten auf gegenseitige Ansprüche verzichtet haben. Bei einem anderen Fall kam es zu einer Anklage und Verurteilung wegen Körperverletzung. Siehe hier.

Was heißt das jetzt? Auf alle Fälle heißt es aufpassen. Dass nichts passiert. Gegenseitiges Vertrauen. Und natürlich gegenseitige Hilfe. Unter „Kollegen“ und Freunden sollte hier der Verstand siegen. Jeder von uns weiß um die Risiken von Windschattenfahren und Nebeneinanderfahren. Diese Risiken bewusst einzugehen heißt auch mit den Konsequenzen zu leben. Ohne Anwälte. Einzelfälle oder Extremfälle ausgeschlossen. Falls sich jemand „Fremder“ jetzt anhängt oder mitfährt und es passiert was? Fragt mich was Leichteres. Eine Haftpflichtversicherung und eine Rechtschutzversicherung empfehle ich sowieso.

Organisierte Gruppenausfahrten.

Neben der persönlichen Haftung bei Fahrlässigkeit (mit Betonung auf Fahrlässigkeit) gibt es noch die Haftung von Veranstaltern. Wie zB. bei Radmarathons. Ein Veranstalter hat für einen reibungslosen Ablauf seine Veranstaltung zu sorgen. Er haftet für sein Verschulden. Was das ist, wird auch im Nachhinein zu definieren sein. Ein Veranstalter haftet nicht für Verschulden der Teilnehmer oder Dritter. Haftungsauschlüsse seitens der Teilnehmer sind bindend – außer sie sind sittenwidrig. Auch hier sind Einzelfälle und Spezialfälle nicht einfach so pauschal abzuhandeln.

Viel interessanter wird es aber ,wenn es um Gruppenausfahrten geht. So wie sie heute über Facebook oder andere Plattformen organisiert werden. Wird so eine Gruppenausfahrt von einer Person aktiviert, dann kann diese Person sehr wohl auch als „Veranstalter“ im Sinne des Haftungsgesetzes gesehen werden. Beispielsweise, wenn diese Person Startpunkt, Startzeit und die genaue Route festlegt. Mit Betonung auf dem „könnte“. In diesem Fall könnte eine Haftung zum Tragen kommen, wenn beispielsweise die Strecke über eine Passage führt, die für Rennräder nicht geeignet ist (Schotter, Baustelle …), dadurch jemand zu Sturz kommt und sich verletzt. Nicht haftbar ist die Person aber wiederum bei Verschulden einzelner Teilnehmer oder Dritter (parkende Autos, Gegenverkehr …). Pasagen wie „jeder fährt auf eigene Gefahr“ sind mit Vorsicht (seitens des Veranstalters) zu genießen. Eine genaue Kenntnis der Strecke inklusive Plan B oder Ähnliches kann von Vorteil sein.

Ob so eine Gruppenausfahrt auch als Trainingsausfahrt gilt und ab einer bestimmten Anzahl von Teilnehmern angemeldet werden muss – das werde ich noch herausfinden.

Ich hoffe, so etwas mehr Licht in die Dunkelheit des §68 der StVO gebracht zu haben. Weiterhin viel Spass bei der schönsten Nebenbeschäftigung der Welt. Und passt bitte auf euch und die anderen auf.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts

PS: auch der ORF hat sich dem Thema gewidmet. Systemgemäß mit einem Prominenten. Ehemaliger Exekutivbeamter und selber vor Gericht. Nicht alles was er sagt stimmt so. Das Video hier.

*nicht auf Schnellstraßen und Autobahnen

Der Radrennfahrer in der StVO. Können. Dürfen. Müssen.

Der Rennradfahrer und die StVO

Niederösterreich. B16. Auf meinem Rennrad am Weg von Wampersdorf  Richtung Weigelsdorf. Es ist Freitagnachmittag. Ich nehme ein immer lauter werdendes Motorgeräusch wahr. Dann taucht im linken Augenwinkel ein dunkler Ford auf, dessen rechter seitlicher Rückspiegel zuerst knapp meinen Oberschenkel und in weiterer Folge meinen linken Arm und meinen Lenker hauchdünn verfehlt. Im Affekt sage ich dem Vorbeirasenden mit italienischer Handbewegung meine Meinung . Das Auto macht eine Vollbremsung und kommt zum Stehen. Auf der rechten Fahrspur. Einfach so. Es riecht nach Gummi. Ich fahre weiter. Rechts am Auto vorbei. Der Fahrer hat das Beifahrerfenster geöffnet. „Oaschloch. Schleich di. Sunst fohr I di übern Haufn“. Ob dieser Drohung überlege ich mir, meine Trinkflasche zu nehmen und zu antworten. Mit einem Kavalierstart Marke fast and furious deeskaliert die Situation. Der Ford ist weg. Die StVO wohl verletzt?

Der Rennradfahrer und die StVO. Können, dürfen, müssen.

Kein Einzelfall auf Österreichs Straßen. Radrennfahrer und Autofahrer. Das ist schlimmer als Hund und Katz, Kai und Abel, Austria und Rapid, Plus und Minus. Aber warum? Ist ja alles geregelt. Benutzung der Straße, Nebeneinanderfahren …. Mit dem § 68 der StVO*. Klar. Deutlich. Vielleicht etwas zu viel Gesetzesdeutsch. Aber immerhin. Aus. Basta. Geregelt ist geregelt. Und an Regeln sollte sich jeder halten. Auch der Autofahrer.

Theoretisch. Das Problem ist, dass Autofahrer kaum akzeptieren können, dass es einen Paragraphen gibt, der sie in „ihrem“ Straßenverkehr schlechter stellt. Schon das Wort „dürfen“ ist Zündstoff. Was? Radrennfahrer dürfen etwas? Frechheit. Skandal. Unverschämtheit. Da wird recht schnell eine gesetzliche Verordnung selbst uminterpretiert. Das „Dürfen“ wird zum „Müssen“. Eine eigene Wirklichkeit (Autofahrerwirklichkeit) konstruiert. Radrennfahrer müssen hintereinanderfahren. Und überhaupt – sie müssen auf den Radweg ausweichen. Den hat man ja schließlich mit Steuern mitfinanziert. Je mehr Radrennfahrer dann in weiterer Folge auf ihr Recht pochen, desto größer wird der Konflikt. Weil in den Augen der Autofahrer ein solches Recht ja unmöglich ist. Was ein Autofahrer nicht kennt, das gibt es nicht. Schon gar keinen § 68 StVO.

§ 68 StVO.

Dazu kommt noch die mediale Berichterstattung. Das Thema, der Klassenkampf, ist ja interessant und schafft Quote. Also hier und da mal einen kleinen Bericht über diesen ewigen Streit im Straßenverkehr. Mit Zitierung des ominösen § 68 StVO und Betonung auf dem „Dürfen“. Redakteure, die womöglich selber noch nie mit einem Rennrad unterwegs waren, schreiben drauf los und gscheiteln. Mit dem einzigen Ergebnis, dadurch die falschen Mäuler zu nähren.

Nicht „dürfen“ und „müssen“, sondern „können“ und „sollen“.

Was tun? Chuck Norris rufen. Er ist der Einzige, der hier reinen Tisch machen kann und machen würde.  Ich selber kann nur vorschlagen, die Thematik einmal ganz von einer andere Seite aus zu betrachten. Kein „Dürfen“ und „Müssen“, sondern ein „Können“ und „Sollen“. Im Sinne der Verkehrssicherheit. Redakteure sollen endlich darüber schreiben, dass Radrennfahrer nebeneinanderfahren sollen. Ein Umstand, der Autofahrern entgegenkommt. Wie dieses Video zeigt. 3×2 Radrennfahrer sind leichter zu überholen, als 6×1. Ohne dabei diese in den Graben zu drängen oder den Gegenverkehr zu unterschätzen. 3×2 Radrennfahrer entsprechen einem Auto. Mehr Radrennfahrer einem Autobus. Nichts Außergewöhnliches. Das wäre einmal der Anfang und nach Chuck Norris ein guter Plan B. Plan C wäre eine Intervention des Verkehrsministeriums. Eine Vereinfachung des Paragraphen inklusive Aktualisierung veralterter technischer Beschreibungen wäre hilfreich. Und bitte, jemand soll mir den Unterschied zwischen Radrennfahrer und Rennradfahrer genau erklären.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#ketterechts #styliseyourride

*es empfiehlt sich für Autofahrer, Motorradfahrer, Mopedfahrer, Busfahrer und Radrennfahrer den Link zu öffnen und das Dokument zu lesen.

Ergänzung 1: RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Straßenverkehrsordnung 1960, Fassung vom 31.05.2016
Ergänzung 2: jusiline.at – Verhalten der Radfahrer StVO

Osttirol ladies‘ days 2016 – Windschatten statt Lidschatten.

Ein Bericht von ketterechts - dem Rennradblog
Osttirol – dein Bergtirol. Perfekte Kulisse.

Wieder einmal machte sich Lienz als Sonnenstadt alle Ehre. Entgegen aller weniger erfreulichen und postivien Wetterprognosen, präsentierte sich Osttirol zu Pfingsten von der gewohnt sonnigen Seite. Blauer Himmel, angezuckerte Berggipfel und angenehme Temperaturen – perfektes Rennradwetter und Voraussetzungen für die angereisten Damen aus Deutschland und dem Osten Österreichs. Das Lucknerhaus auf über 1.900m Seehöhe am ersten Tag, die original Strecke der Dolomitenradrundfahrt mit dem Gailbergsattel, dem Lesachtal auf den Spuren von 007 und dem Kartitschersattel inklusive Pustertaler Höhenstraße tags darauf sowie der Iselsberg und die Großglockner Hochalpenstrasse an Tag 3 waren die Highlights eines ausgesprochen kurzweiligen verlängeten Wochenendes. Die 5 km über Dölsach erneut hinauf auf den Iselsberg die Körnung und die Meisterprüfung. Wenn man bedenkt, dass diese Straße von Einheimischen nur mit dem MTB gefahren wird.

Rennradfahren ohne Männergeschwätz.

Geradelt wurde unter Aufsicht zweier erfahrenen weiblichen Gudies und in Begleitung eines Betreuerfahrzeugs. So waren Weschelkleidung, Proviant, Motivation und gute Laune stets zur Stelle. Für den Fall. Geübt wurde unterwegs das Fahren in der Gruppe, das sichere Abfahren in Kehren und das Bergauffahren an flachen und steileren Rampen bis zu 23%. Jede Teilnehmerin konnte dabei ihr eigenes Tempo wählen und treten. Regelmäßiges Zusammenwarten hielt die Gruppe beisammen und stärkte das Team. Die „ladies“ ohne „gentlemen“ hatten sichtlich Spaß und profitierten stark von den Tipps und Tricks. Mit Videoanalysen, Zeitlupen und Fotostudien wurde in geselliger Runde bis spät in die Nacht hinein debattiert. Die Stimmung unter den Damen dank der starken Leistungen am Rad natürlich sehr locker und positiv. Die perfekte Kulisse bestehend aus Lienzer Dolomiten und den Hohen Tauern trug ihren Beitrag dazu bei. Einzig der Blick auf seine Majestät den Großglockner blieb den Damen verwehrt. Sowohl von der Kärntner als auch von der Osttiroler Seite aus. Ein guter Grund auch 2017 wieder dabei zu sein.

Von müden Muskeln war die ganzen Tage nichts zu merken. Dank Massage und Saunalandschaft im Hotel Moarhof. Die zahlreichen verbrannten Kalorien wurden nach jeder Ausfahrt bei leckerem Kuchenbuffet und duftendem Kaffee schnell aufgefüllt. Weitere Stärkung gabe es beim gemeinsamen Früchstück und beim 5 bis 7 Gänge Menü am Abend. Verhungert ist niemand.


Ich bedanke mich an dieser Stelle bei allen Teilnehmerinnen fürs Dabeisein. Danke an quäldich für die Mitorganisation. Danke auch dem Team: Lorraine, Nathalie und Roli.

Das Video zu den Osttirol ladies‘ days gibt es hier.

 

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#ostld2016 #osttirolladiesdays2016 #ketterechts

PS: Und noch was. Alles was in Lienz passiert ist, bleibt in Lienz.

Die Eckdaten:
5 Tage, 4 Nächte
4 geführte Touren

327 km
6.260 Höhenmeter

Foto ketterechts - der Rennradblog

Foto ketterechts - der Rennradblog

Foto ketterechts - der Rennradblog

Foto ketterechts - der Rennradblog

Foto ketterechts - der Rennradblog

Foto ketterechts - der Rennradblog

Rennradfahren in der Buckeligen Welt. Immer wieder ein schweißtreibendes Erlebnis.

Ein Bericht von ketterechts - dem Rennradblog und Eventliveblogger
Die Buckelige Welt – schweißtreibendes Rad-Erlebnis.

„Sie haben gewonnen.“ Mit dieser Anzeige auf meinem Garmin Edge Display beendete ich nach 143 km und 1.900 Höhenmetern meine zweite Solofahrt auf und ab in der Buckeligen Welt. Mit einem Schnitt von knapp 29 km/h.

Nach der „hurt me plenty“ Aktion im April, eine etwas kürzere und „leichtere“ Variante der Buckeligen Welt Achterbahnfahrt. Kurzweilig war es allemal.

Diesmal habe ich mich auf Strava verlassen. Schnell ist dort eine Route erstellt. Wenn man sich in der Gegend ein wenig auskennt. Ein paar Punkte als Highlight markieren und schon hat man den Track. Meiner schlug mir eben die 143 km mit 2.300 Höhenmetern vor. Mit den Zuckerln Bromberg, Thernberg, Schlag und Kirchschlag i.d.B.W., Sieggrabner Sattel und Marzer Kogel. Altbewährtes und natürlich Neues. Für das Ganze sollte ich mir 5h11min Zeit nehmen. Errechnet aus dem Schnitt meiner letzten Ausfahrten. Herausforderung akzeptiert. Wird doch der Griller um 1500 Uhr eingeheizt.

Los ging es mit einer kleinen Verzögerung. Die 220 km von Linz nach Wien am Feiertag und die regenerative Ausfahrt tags zuvor haben meinem neuen Vittoria Schlauchreifen nicht gut getan. Beim Aufpumpen auf 10 Bar pfiff es. Aus einem kleinen Loch. Keine 400 km und schon wieder defekt. Über Nacht. Wie aus dem Nichts. Panik? Nein. Vittoria Pit Stop. Doch dieser zeigte keine Wirkung. Das Loch ließ sich nicht von innen schließen. Panik? Nein. Super Kleber. Ein paar Tropfen von außen auf das kleine Loch reichten. Der Schlauchreifen war wieder dicht. Aus Sicherheitsgründen nahm ich einen weiteren Pannenspray, eine CO2 Patrone und eben den Super Kleber mit auf die Tour.

Pöttschinger Berg – der Laktatregler

Eisenstadt – Steinbrunn. Zum Aufwärmen. Vom ersten Kilometer weg gebe ich Gas. Meine Devise: So weit wie möglich fahren. Und hoffen, dass genug Luft bleibt. Wetter traumhaft. Temperaturen frisch. Kurze Hose und kurzes Trikot. Windweste und Ärmlinge bleiben diemal zu Hause. Die Fahrt bis jetzt ohne besondere Vorkommnisse. Außer den üblichen ungarischen Autofahrern. Steinbrunn – Pöttsching. Die ersten zwei Wellen. Kette rechts. Pötsching- Neufeld. Es ist Samstagmorgen. Die Menschen gehen einkaufen. Es ist eng auf den Straßen. Ich treffe an einer roten Ampel zwei Radfahrer auf Zeitfahrmaschinen. Kurze Plauderei. „Wo geht’s hin?“ Die einen wollen nach Seebenstein. Ich nicht. Es wird grün. Ich fahre kurz hinter den beiden. Dann höre ich im linken Ohr ein vertrautes Geräusch. Ein sich anschleichender Traktor. Sofort weiß ich, was zu tun ist. Schwung holen. Fertig machen für den Windschatten. Doch der Traktor biegt ab. Ich bleibe am Drücken. Immer an der 300 Watt Schwelle. Der Pöttschinger Berg ist und bleibt mein Laktatregler. Was ich hier kann, kann ich später auf der ganzen Tour. Mein Kette rechts Hügel. Knapp 2 km lang. Am Ende des Tages sollte es ein neuer PR werden. 4 Minuten 297 Watt Durchschnitt.

Bis Neufeld habe ich etwas Zeit Laktat abzubauen. Neufeld – Katzeldorf via Neudörfler Holzfarbrik. Hier treffe ich erneut die beiden von der Ampel. Sie haben wohl eine Abkürzung gekannt. Kurzes Kopfgrüßen und weiter über Kleinwolkersdorf, Schlainzer Kreuz und Walpersbach Richtung Bad Erlach. Es bläst mäßiger Südwind. Die erste Stunde ist um. Rechts abbiegen. Bromberg ich komme. Eine grenzgeniale Gegend diese L142. Kein Verkehr. Gegenwind und die Sonne. Mehr brauche ich nicht. Es grünt wie in besten Frühlingszeiten. Der Schweiß verdampft am Asphalt. Zuerst schmiert es gleichmäßig, dann erhebt sich die Straße recht ordentlich in den zweistelligen Bereich. Nicht lange, aber lange genug, um richtig zu transpirieren. Zwei Kehren kurz hintereinander und Bromberg ist erreicht. Von hier könnte man nach Hochwolkersdorf und auf die Rosalia (empfehlenswerter Track). Oder rechts nach Schlag (Achtung: hurt me plenty!). Ich wähle die Abfahrt nach Thernberg.

Schlag den Star.

Thernberg – Schlag. Diesmal in entgegengesetzter Richtung. Bergauf. Es geht auf über 800 Meter Seehöhe. Ein idyllisches Tal. Der Asphalt hier katastrophal – aber fahrbar. Ich trainiere mein Fahrkönnen. Zwischen Rollsplitt und Schlaglöchern ist nicht viel Platz. Manchmal kaum 23 mm. Kurz vor Eichberg Alpenfeeling. Drei fesche Kehren. So etwas mag ich. Dann geht es weiter durch einen dichten Fichtenwald. Rampenartig. Schlag ist erreicht. Typisches „Hochplateau“. Windanfällig. Weitläufig. Noch ein letzter Kilometer. Geradeaus. Bergauf. Cima Coppi für heute. Nach 2h2min, 53,1 km ist der höchste Punkt der Tour mit 835 Metern Seehöhe erreicht. Es ist frisch. Die Sonne versteckt sich hinter den Wolken. Weiter. Bergab. Und wieder weiter bergauf. Kaltenberg – Lichtenegg. Typisch Buckelige Welt. Lichtenegg lockt mir ein Lächeln raus. Der Blick auf den Dom weckt Erinnerungen. Und das Ende der Abfahrt auch. Ich bin im Bilde. Ich bin in der Gegend um Spratzau. Ein kleines Tal. Links ein Hang. Ein paar Häuser. Die Straße. Ein Bach. Rechts ein Hang. Es rollt bei Gegenwind. Noch 13 km bis Kirchschlag i.d.B.W. Hier will ich mit verpflegen.

Ich mache die Rechnung ohne dem Track. Dieser will mich nach Hollenthon schicken. Was ich auch mache. Das Schild 17% ist mir an dieser Stelle nicht unbekannt. Die Welt ist klein. Die Buckelige Welt auch. Diesmal hält sich die Furcht in Grenzen. Wenn man so einen Streckenabschnitt schon einmal gefahren ist. Hollenthon ist erreicht. Raus aus der Ortschaft. Immer noch bergauf. Eine kurze Zwischenabfahrt bis zur Abzweigung nach Kirchschlag. i.d.B.W. Scheint, dass hier alle Wege dorthin führen. Rechts wäre Wiesmath der nächste Ort. Volles Tempo und Zeit zum Nachdenken Was sagt mein Garmin? Knapp 1000 Höhenmeter erst. Wo soll ich denn die restlichen 1.300 fahren? In Blumau. Hier schwenkt die L149 rechts ab. Sie windet sich in die Höhe. Drei Kilometer. 250 Höhenmeter. Oben wieder typisch Buckelige Welt. Hochebene. Windanfällig. Weitläufig. Im Süden schwarze Gewitterwolken. Warm ist mir nicht. Kirchschlag lasse ich aus. Nur in den Ort zu fahren bringt nichts. Karl ruft.

Karl. Weingraben. Kaisersdorf. 

Eisenstadt 42 km. Eigentlich nicht mehr weit. Zumindest auf dem direkten Weg. Aber wer wählt denn so einen? Zwischen Rapsfeldern geht es von Karl, Weingraben nach Kaisersdorf. Immer ordentlich auf und ab. Rampe rauf. Rampe runter. Langsam macht sich Langweile breit. Ich will Alpenpässe. Markt St. Martin. Ich kenne mich wieder aus. Die B50 ist fast schon meine zweite Heimat. Weppersdort, km 95,5. Kurze Pause beim Billa. Bis jetzt noch nichts gegessen. Nur 0,5 Liter Melasan Sportgetränk mit BCAA. Ein Eistee Pfirsich Geschmack und zweimal Milka Tender klassisch finden den Weg in meinen Magen. Ein Gatorade Orange, jenen in meine Trinkflasche. Während ich da auf der Blumenerde sitze und speise, radeln die zwei von heute Morgen – jene von der Ampel, vorbei. Zufall? Die Zeit für ein paar Live Tweets und Instagram Postings bleibt noch.

B50 – mein Wohnzimmer.

Weppersdorf – Sieggraben. Die B50 ist von hier aus ein perfekter Zubringer in den Norden. Parallel zur S31. Natürlich gebe ich Gas. Mein Rückstand auf den von Strava errechneten Schnitt beträgt 2min40sek. Sieggraben – Sieggrabner Sattel – Marz. Herrliche Speed Strecke. Bei Rückenwind. Bei Gegenwind kann dieser Teil sehr weh tun. Ich habe es blöderweise und glücklicherweise windstill. Beinahe. Es gibt ja auch den Fahrtwind. Das dritte Milka Tender, einstweilen im Trikot verstaut, muss herhalten. Die hohe Geschwindigkeit und die Temperatur gönnen mir nur die Hälfte davon. Der Rest ist Schokomus. Das brauche ich nicht. Marz – Marzer Kogel. Letzte Bergwertung. Natürlich mit PR. Milka Tender gibt Kraft. Das Gatorade hingegen ist kaum mehr brauchbar. Warm, süß, klebrig. Im Gegensatz zum Melasan Sportgetränk. Das bleibt viel länger fruchtig, frisch und trinkbar.

Bring me home.

Die Zeit wird knapp. Nicht nur jene gegen den virtuellen Partner. Auch die zur Verfügung stehende. Der Griller wartet schon. Loipersbach – Schattendort – Baumgarten – Draßburg. Vollgas. Was geht. Der Rückstand schon unter zwei Minuten. Leichter Süd-Ostwind. Zu meinem Vorteil.

Ein Bericht von ketterechts - dem Rennradblog
Hurt me plenty light

Auch wenn die Oberschenkel schon mächtig brennen. Ich nutze den natürlichen Schub von hinten und hole auf. Zagersdorf – Siegendorf. Ein Zick Zack durch typisch burgenländische Ortsstraßen. Es ist Samstag, eng und hektisch.

Nach Siegendorf komme ich in den Löwenkäfig. Die L212 ist hier Spielweise ungarischer Rennrad-Wilderer. Von fünf Autos die mich schneiden und zu knapp vorbeifahren sind fünf mit ungarischem Kennzeichen. Ich mache mich mit internationaler Mittelfingersprache bemerkbar. Die Kommunikation verläuft aber im Sand.

Jetzt nur noch durch Eisenstadt. Dreimal Kreisverkehr auf der Ruster Straße mitten im Einkaufszentrum. Es ist Samstagnachmittag. Ich fühle mich nicht sicher. Als hätte ich es verschrien. Im letzten Kreisverkehr treffe ich auf den Taxler mit dem roten Ford Galaxy „E 141 TX“. Er fährt von rechts in den Kreisverkehr, obwohl ich schon drinnen bin und gleich raus will. Ich muss eine Vollbremsung machen. Im Kreisverkehr. Nur der Ordnung und der Schuldzuweisung halber. Mein Ausgang ist versperrt. Durch das rote Taxi. Tempo? Sicher über 30 km/h.

„Sie haben gewonnen.“ Mit dieser Anzeige auf meinem Garmin Edge Display beendete ich nach 143 km und 1.900 Höhenmetern meine zweite Solofahrt auf und ab in der Buckeligen Welt. Mit einem Schnitt von knapp 29 km/h. 400 Höhenmeter weniger als der ursprüngliche Track. Gut so.

Ein wunderschöner, kurzweiliger und landschafltich genießbarer Soloritt durch die Buckelige Welt ist beendet. Ein neuer ist schon in Planung. Schade um die verpassten Möglichkeiten der Einkehr. Ein gutes Kaffee wäre wünschenswert.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts

Für die Technikfreaks: gefahren mit 50/34 vorne und 11/25 hinten.

PS: Track hier

Ein Bericht von ketterechts - dem Rennradblog

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Neusiedlersee Radmarathon. Warum. Weshalb. Wieso. Und eigentlich gar nicht.

Ein Bericht von ketterechts - dem Rennradblog und Eventliveblogger
Neusiedlersee Radmarathon – 125,5 km Einöde

Das Allerwichtigste wie immer vorab. Ich bin heil ins Ziel gekommen. Danke an alle verfügbaren Schutzengel. Sie haben gut über uns alle gewacht. Damit ist aber sicher nicht schon alles über den Neusiedlersee Radmarathon gesagt. Es gibt viel zu erzählen. Ich halte mich deshalb lang.

Meine Teilnahme, nach etlichen „nie mehr wieder“, war eine langfristig geplante und kurzfristig entschlossene Idee. Was mich letztendlich € 69,- gekostet hat. Chapeau demjenigen, der diese „depperte“ Anmeldegebührregelung erfunden hat. Ich frage mich schon, warum eine Nachmeldung teurer sein muss, als eine, die zu Zeiten erfolgt, in denen man über eine Teilnahme quasi nur spekulieren kann.

Kurz die Fakten: Neusiedlersee Radmarathon. Mit Start und Ziel in Mörbisch. 125 km und laut Veranstalter knapp 300 Höhenmeter. Diese sind zu 85% auf den ersten 8 km zu bewältigen. Der Rest sind Mega-Kreisverkehre in Sopron, Paris-Roubaix revivals in Ungarn, lange unendlich Geraden im Seewinkel und eine ausnahmsweise fahrbare B50 am Rückweg. Dazu kommen Startblockeinteilungen. Austria Top Tour, VIP’s und Sternchen sowie die ersten 300 Einzahler in Startblock 1. Der Rest aufgeteilt bis Startblock 4. Straßensicherungen nur bis 30 Minuten nach dem Spitzenfeld. Der Rest fährt auf eigene Gefahr. Zahlt aber trotzdem den vollen Preis.

Von der Renntaktik ergibt sich damit folgende Strategie. Wer nicht vorne wegfährt (oder wegfahren kann), kommt auch nicht vorne an. Der oder die SiegerIn ist meistens jene/r aus einer 30  – 50 Mann/Frau starken Spitzengruppe, die/der beim Ziel S, das eigene Leben (und der anderen) risikofreudiger aufs Spiel setzt. Danach Splittergruppen, Einzelfahrer und Nachzügler. The same procedure as every year.

Meine langfristige Planung und kurzfristige Entschlossenheit bescherte mir einen Platz außerhalb des ersten Startblockes. Also habe ich mich entschieden, ein Experiment zu wagen. Als Allerletzter über die Startlinie und dann schauen wie weit ich nach vorne kommen kann.

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Letzte Reihe hinterradfrei.

Der Vorteil dieser Idee: Ich hatte keinen Stress am Start. Um 0957 Uhr entleerte ich noch seelengemütlich meine Blase von allfälliger Nervosität. Dann der Startschuss. Es dauerte, bis sich in den hinteren Reihen etwas Bewegung breit machte. Mir war es egal. Ich hatte Zeit. Der Sprecher sprach schon von einer Vorentscheidung an der Mauer von Mörbisch Richtung Weinhügel und ungarischer Grenze, als ich endlich den rechten Schuh einklicken konnte und mich langsam, aber sicher vorwärts bewegen durfte. Mein Garmin war startrklar. Hatte ich doch so einen wichtigen Transponder am Rad. Nettozeit und so ein Blödsinn. Was sich erst nachher herausstellte. Als ich über die Startlinie rollte (zwei Zeitnehmungsmatten lagen im Abstand von fünf Metern am Boden) und punktgenau meinen Edge1000 aktiviert habe, war sogar noch Zeit mit dem Publikum zu flirten. Ich übte Jubelposen und bekam gebührenden Applaus. Wenig später durfte ich das Schlussfahrzeug des Österreichischen Roten Kreuz überholen. Das Rennen war für mich eröffnet.

Radmarathon statt Friedensfahrt.

Auf den ersten Kilometern bergauf (relativ bergauf, Burgenland bergauf) in die Weinhügel hätte ich gerne eine Glocke gehabt. Oder noch besser einen Subwoofer samt Megaphon. Rosengasse und Triftweg in 4er und 5er Reihe quer radwanderten die Teilnehmer gemütlich und unbekümmert dort hinauf. Ich schiss auf die StVO und überholte links und rechts, in der Wiese, am Bankett, am Asphalt und sogar über Weinreben. Es heißt ja Neusiedlersee Radmarathon und nicht Mörbisch Friedensfahrt. Der gesamt Schuschenwald und Siegendorf Güter/Radweg (maximal 2 1/2 Meter breit) bis nach Klingenbach war eine Querschaubahn der Gefühle. Luft, um mir Platz zu verschaffen hatte ich aufgrund des hohen Tempos wenig. Zum Glück quietschten meine Carbon-Boras so laut, dass ich damit meine Vorfahrenden erschrecken konnte. Ansaugen, kurz anbremsen, erschrecken und vorbei fahren. Ich war bösartig. Ja. Ich weiß.

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Ungewähnliche Mitstreiter am Ende des Feldes

Manch einer versuchte in meinem Windschatten mitzukommen. Es blieb immer beim Versuch. Bis zum Grenzübergang Klingenbach: Überholte Gegner < 100 vs. überholende Gegner 0. Bis jetzt hatte ich Spaß. Dieser verging mir aber dann Richtung Sopron. Ich war plötzlich Freiwild. Für ungarische Autofahrer. Mit Tempo 40+ zwischen linksfahrenden Autos und Bankett auf ca 50 cm Breite. Hinter mir niemand. Vor mit Gruppen, welche ich mit Leichtigkeit ein- und überholte. Highlight dieser Rennpassage, die drei großen Kreisverkehre in Sopron. Je vier bis fünf ungarische Polizisten und trotzdem Chaos pur. Stop and Go vom Allerfeinsten. Beim letzten Kreisverkehr versuchte ich ein Mercedes Zuhälterauto außen zu überholen, bis dieser Wagen dann entschied, rechts abzubiegen und mich in die selbe Richtung mitnahm. Leider war das nicht meine Ausfahrt. Ich musste bremsen und umkehren. Mindestens fünf, wenn nicht sogar zehn Sekunden Zeit verloren.

Ein Tanz auf rohen Eiern. Die eigenen.

Jetzt war der Weg frei für die Ungarische Pusta. Fertóboz, Hidegség, Hegykó und Fertód. Einzelzeitfahren. Unterlenker. Ein Ritt auf rohen Eigern. Leider waren diese Eier meine eigenen. Ein bocksteifes Dogma 65.1, Carbon-Boras und auf zehn Bar aufgepumpte Schlauchreifen machten diesen Streckenabschnitt zum Rüttelpiste. Ständig katapultierte es mich aus dem Sattel. Die Anziehungskraft und mein Gewicht zogen mich dann aber wieder zurück. Autsch. Autsch. Autsch.

Die erste Rennstunde war mit einem Schnitt von über 36 km/h im Alleingang absolviert. Mitstreiter keine. Die größere Gruppe von Sopron nicht mehr gefährlich, auch wenn sie einmal kurz näherkommen konnte. Gelegenheit, mich mit einem Tandempaar kurz auszutauschen. Danke an dieser Stelle für den Zuspruch für meinen Blog. Und herzlichen Glückwunsch für die superLeistung. „Allein, Allein“ von Polarkreis 18 wäre hier der perfekte Soundtrack gewesen.

Dann ca. 5 km vor Fertód sehe ich eine größere Gruppe. Ein Ansporn. Kurz vor Schloss Eszterháza, auch Schloss Fertőd genannt, schließe ich auf diese Gruppe auf. Zeit mich etwas zu erholen. Und zu essen. 50 km sind absolviert. Da ich zickig werde, wenn ich Hunger habe, zog ich ein Snickers aus meiner Trikottasche und ließ es mir schmecken. Das Tempo in der Gruppe war kaum höher als 30/33 km/h. Mir zu langsam. Eindeutig zu langsam. Doch Gegenwind und eine katastrophale Schlaglochorgie brachte mich um das Vergnügen einer Solofahrt aus der Gruppe. Hier ist die Mittellinie der Straße ein Mittelgraben. Etwas breiter als ein Rennradreifen. So dauerte es nicht lange, bis weitere von hinten aufschließen konnte. Im Speziellen vier Fahren gewannen dabei meine Aufmerksamkeit. Sie tuschelten. Sie mauschelten. „Traust es dir zu?“ Fragte deren Rudeslführer.  Ich wusste, die haben was vor.


Windkante. Nicht jeder kann das.

Und so war es auch. Kaum wieder auf österreichischem Hoheitsgebiet und gutem Asphalt starteten diese vier los. Ich ließ mir die Chance nicht entgegen mitzufahren. Sonst wäre das Rennen gelaufen. Die Fantastischen Vier featuring ketterechts. Die Einöde zwischen Pamhagen, Apleton, Illmitz und Podersdorf ist vom Panorama her kein wirkliches Highlight. Windtechnisch aber die Meisterprüfung mit Potential zun Ritterschlag. Herausforderung. Speziell dann, wenn der Wind von vorne rechts kommt. Hier können Dramen geschrieben und Helden geboren werden. Jedes Jahr. Ich war diesmal unter den Helden. An den Dramen – es gab sehr viele davon – bin ich vorbeigefahren.

Wir fuhren zu fünft eine perfekte Windkante mit lehrbuchmäßigen Abwechseln. Das eigene Vorderrad links vom Hinterrad des Vordermannes. Über die gesamt Fahrbahnspur. Vom Bankett rechts bis zur Mittellinie links. Manchmal brauchten wir auch etwas mehr. Aber zum Glück hatten wir eine „Fliegende“ vor uns. Die zweite Rennstunde mit einem Schnitt von 37 km/h. Nicht übel. Ich beteiligte mich an der Führungsarbeit und wurde somit gut in die Gruppe integriert. Wir harmonierten sehr gut und hatten unseren Spass. Auch das Überholen Einzelner, die sich gegen den Wind stemmten zählte dazu. Der eine oder andere versuchte sich in unsere Gruppe zu schwindeln. Was das Rudel nicht duldete. Kaum war dieser eine oder andere im Wind und ließ sich beim Wechsel zurückfallen, schob der zweite in der Gruppe, vom Wind bevorzugt, den ersten nach vorne. Somit wurde das Tempo minimal höher. Der Letzte verpasste damit die Chance sich hinten wieder einzureihen und blieb zurück. Allein. Allein. Polarkries 18.

Ein Radrennen, ein Suf Weltcup und eine Schlagernacht.

Podersdorf am See. Mekka der Surf Welt. Weltcup und so. Und vergangenes Wochenende auch die Schlagernacht. Das bedeutete Verkehr. Am Weg zum Autobahnzubringer in Weiden am See. Das bedeutete Stau. Also nichts gutes. Für eine Windkante fahrende Gruppe. Die frischen Erinnerungen an Ungarn wurden wach. Wir mussten uns links und rechts an kriechenden Autos vorbeischleichen. Dabei machten wir uns mit Klopfzeichen an Heck und Heckklappen bemerkbar. Polizei hier Fehlanzeige. Seewinkel Freiwild. Erst am Kreisverkehr vorne ein paar Uniformierte. Spät, sehr spät aber doch. Umsonst. Richtung Neusiedl am See ging es dann wieder. Nochmals Essen und Trinken. Sondieren und weiter gehts. Wir holten noch ein paar ein. Doch hinauf nach Jois verloren wir diese wieder. Die dritte Rennstunde war mit einem Schnitt von 36 km/h auch schon Geschichte. Und das gegen den Wind.

Von Jois Richtung Mörbisch erlebte ich dann erstmals an diesem Tag Rückenwind. Das Tempo dementsprechend auch höher. Immer noch zu Fünft. Mit dem Unterschied, dass die Intervalle im Wind immer kürzer wurden. Die Kraft ließ schon etwas nach. Breitenbrunn, Purbach, Donnerskirchen. Alles auf der B50. Reglement ist Reglement. Wieder als Freiwild für den motorisierten Verkehr. Normal darf man hier nicht fahren. Wir waren also weniger als 30 Minuten hinter der Spitze.

Die Harmonie in der Gruppe noch sehr gut. Jetzt konnte auch nichts mehr schief gehen. Vor Oggau nochmals Seitenwind. Windkante musste her. Diesmal von der Mitte der Fahrbahn nach rechts in den Graben. Oggauer „Berg“ und weiter nach Rust. Am Ruster „Berg“ ließen meine Mitstreiter die Beine fallen und gönnten mir einen Soloritt auf den letzten Kilometern. Ich drückte nochmals ordentlich drauf. Ziel „S“ im Solo-Mode. Inklusive Zielsprint. Die Uhr auf der Ziellinie zeigte 3h23min. Ich stoppte den Garmin bei 3h25min. 125,5 km und über 500 Höhenmeter. 36,7 km/h Schnitt.

Fazit.

Der Neusiedlersee wird auf den ersten 8 km entschieden. Und es gibt beim Neusiedlersee Radmarathon keine Nettozeit. Im Endergebnis scheine ich mit einer Zeit von 3h29 auf. Top 300 vom Allerletzten Startplatz aus. Über 1000 Anmeldungen. Letztendlich knapp 800 im Ziel. Wie viele ich auf der Strecke überholt habe und wieviele virtuell? Keine Ahnung. Fakt ist, dass mich auf der Strecke niemand, mit Betonung auf keine/r überholt hat. Experiment gelungen. Patient wohl auf.

Warum sollte man jetzt beim Neusiedlersee Radmarathon starten?

  • weil man sonst nie freiwillig rund um den See fahren würde (außer mit der Familie, am Radweg in Ausnahmefällen)
  • weil das „Rennen“ bereits nach 8 km entschieden ist. Für diejenigen, die von Null auf 400 Watt kommen können ein Vorteil. Der Rest ist ein Training, eine Friedensfahrt, ein Ausflug, eine Sonntagsfahrt …
  • weil man sich auf das Rennrad fahren konzentrieren kann. Sonst gibt es außer nichts, nichts zu sehen und zu bewundern
  • weil der Wind hier so geil ist 
  • weil man hier so gut und tragisch eingehen kann
  • weil man die Strapazierfähigkeit der eigenen Eier (für Männer) im Feldtest = ungarisches Staatsgebiet, ausgiebig testen kann
  • weil man annähernd mitfühlen kann, was Paris – Roubaix für die Profis bedeutet
  • weil man viel über Luftdruck in den Reifen lernen kann
  • weil man mit dem Sieger ins Ziel kommen kann, sofern man einen Schnitt von über 40 km/h auf 125 km halten kann
  • weil man gewinnen kann, wenn man einen Schnitt weit über 40 km/h auf 125 km halten kann
  • weil du jedes Jahr gleich gut sein kannst – je nach Wind und Wetter +/- ein paar Minuten

Warum sollte man jetzt nicht beim Neusiedlersee Radmarathon starten?

  • weil das Rennen knapp 8 km lang ist. Der Rest ist Training, eine Friedensfahrt, ein Ausflug, eine Sonntagsfahrt …
  • weil Lügen kurze Beine haben und „nie mehr wieder“ die schlechteste Lüge ist
  • weil Wind bremst
  • weil starker Wind, stark bremst
  • weil es angenehmere Möglichkeiten gibt, ins Krankenhaus zu kommen
  • weil in Ungarn immer Jagdsaison ist
  • weil es zwei Labstationen gibt, die man nicht anfahren kann – wer bremst denn schon freiwillig?
  • weil diejenigen, die dann doch starten größere Gewinnchancen haben
  • weil einfach die Berge fehlen (Rosengasse wir nie ein Klassiker werden) und die Cima Coppi am Grenzübergang in Klingenbach ist auch uninteressant)
  • weil du jedes Jahr gleich gut bist – je nach Wind und Wetter +/- ein paar Minuten

Ob ich 2017 nochmals hier an den Start gehen werde? Sicher nicht. Kann sich aber ändern. Kurzfristig.

Cristia Gemmato aka @_ketterechts

PS1: Für alle Stravasüchtigen: der Track

PS2: Hier rolle ich gemütlich zum Start.

Was echte RennradfahrerInnen nie sagen und tun würden.

Gedanken von Ketterechts - dem Rennradblog.
Echte RennradfahrerInnen halten sich an Regeln.

Jeder Mensch darf auf der Welt tun und lassen was er will. Außer sie oder er ist ein echter Rennradfahrer. Dann nämlich, verringert sich diese Freiheit um die Maßeinheit Stil. Ästhetisch wie verbal. Hier die 13 wichtigsten Dinge, welche echte RennradfahrerInnen nie sagen und tun würden.

1. „Ich bin müde.“ Müdigkeit gibt es nicht. Und wenn man müde ist, dann hat man einfach einen Regenerationstag. Oder zwei. Maximal. Am dritten Tag hat man gefälligst wieder aufs Rad zu steigen.

2. „Ich muss erst schauen, ob sich das ausgeht.“ Es geht sich immer aus. Und wenn es sich nicht ausgehen sollte, dann muss man halt die Familie vertrösten und die Arbeit verschieben. Weil es im Leben immer darum geht, die richtigen Prioritäten zu setzen.

3. „Ich dusche zuerst.“ Einzig allein das Rennrad darf so was sagen. Und weil Rennräder nicht reden und auch nicht duschen können, wird man im Kreise echter RadfahrerInnen diese Worte niemals hören. Zuerst wird das Fahrrad gereinigt und dann der eigene Körper. Falls wer einen Privatmechaniker haben sollte, welcher die Reinigung des Rennrades übernimmt, dann ist einem schnellen Gang unter die Dusche nichts entgegenzusetzen.

4. „Ich muss mal pinkeln.“ Diesmal heben wir die Gleichberechtigung und das Gendergetue auf. Rennradfahrer pinkeln während der Fahrt. Wenn sie das nicht können, müssen sie nur mehr schwitzen, um zu kompensieren. Zu kompliziert? Üben. Üben. Üben. Mit der richtigen Technik geht das. Und natürlich auch mit der richtigen Länge. Zumindest einfacher.

5. „Ich biege dann schon mal ab.“ Frühzeitiges Abbiegen ist ein Zeichen der Schwäche. RennradfahrerInnen treffen sich immer gemeinsam am Startort und verabschieden sich immer gemeinsam vom Zielort. Was davor und danach passiert ist jedem selber überlassen. Wenn sich dies zeitlich nicht ausgeht, greift was in Punkt 2 geschrieben ist. Es muss sich ausgehen.

6. „Ich kenne da eine Abkürzung.“ Abkürzen ist mindestens so verpönt wie frühzeitiges Abbiegen. Eine Tour ist erst dann eine gute Tour, wenn möglichst viele Kilometer in der zur Verfügung stehenden Zeit abgestrampelt worden sind. Außer die Abkürzung ist falsch und am Ende ist man länger gefahren. Das ist selbstverständlich erlaubt.

7. „Kannst du mir deinen Garmin Track senden.“ Und sonst noch was? Nur die eigenen Aufzeichnungen zählen. Hat man den Garmin vergessen oder hat dieser keinen Akku mehr oder was auch immer, selber schuld. Da hilft nur eins. Strecke nochmals fahren.

8. „Ich darf heute nicht sprinten.“ Egal ob Ortstafel oder Bergwertung. Echte RennradfahrerInnen nehmen jeden Fehdenhandschuh an, den man ihnen zu wirft. Verweigern ist wie abbiegen oder abkürzen. Ein oder mehrere Sprints haben noch niemanden geschadet. Laktat-, Leistungs- und Herzfrequenzkurven sind erst sexy, wenn sie entsprechende Ausreißer nach oben haben. Ist das Profil flach, muss man Zacken provozieren.

9. „den Runden nicht vollmachen„. 49,7, 98,3 147,5. Was sollen solche Kilometerangaben auf strava? Einmal noch rund ums Haus oder die Straße ein paar Mal auf und ab. Auch wenn die letzten Kilometer die längsten sind. Damit der Runde voll ist. Alles andere stinkt nach Abbiegen, Abbrechen oder Abkürzen.

10. „Kannst du meinen Kaffee mitzahlen“. Arg. Echte Rennradfahrer haben immer mindestens so viel Kleingeld mit, dass sich ein Espresso ausgeht. Ok. In Österreich wohl eher einen fünf Euro Schein, weil Münzen schwer sind und der Kaffee teuer. Im Idealfall auch mehr. Um die gesamte Runde zu übernehmen. Zumindest, wenn ich dabei bin.

11. „Lutschen“. Wer kennt sie nicht. Sie tauchen irgendwo am Horizont auf. Weit entfernt vorne auf der Straße. Bald hat man sie eingeholt und überholt. Nach zehn Kilometern merkt man, wie sie am Hinterrad picken. Ohne Muh und ohne Mäh. Still. Leise. Ein kurzes „Hallo“ wäre da schon angebracht.

12. „Nicht Anhalten.“ Echte RennradfahrerInnen blieben stehen, wenn sie einen Gleichgesinnten am Straßenrand stehen, hocken, weinen oder auch nur Wunden lecken sehen. „Alles in Ordnung? Brauchtst du was?“ Mehr ist nicht notwendig. Das schadet keinem Trainingsplan und keiner Durchschnittsgeschwindigkeit.

13. „Ich steh nicht so auf KOM’s.“  Und schon wächst die Nase. Jeder ist geil auf KOM’s. Es geht nichts über ein KOM oder ein QOM. Jene, die mit dem Rennrad ergattert worden sind. Nicht mit dem Auto. Nicht mit dem Motorrad. Nicht mit dem Moped. Nur natürliche Hilfsmittel sind erlaubt. Pulk, Wind oder eingeholte Traktoren, Busse, Motorräder oder Mopeds.

Geht in euch und überprüft ob ihr echte RennradfahrerInnen seid.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts

PS: Sollte ich was vergessen haben oder wollt ihr die Liste erweiteren – nur zu.

Radfahrer gegen den Rest der Welt. Warum das nie gut gehen kann.

Gedanken von ketterechts - dem Rennradblog und Eventliveblogger
Gegenseitige Rücksicht.

Ich muss wieder einmal das Thema „Radfahrer vs. Autofahrer“ aufgreifen. Aus gegebenem Anlass. Meine letzte Ausfahrt inspiriert mich dazu. Nein, sie zwingt mich regelrecht. Nicht nur, dass die Radwege in Wien eine Zumutung sind. Frei nach dem Motto „Stirb langsam“. Und zwar 1, 2, 3, 4, 5 und jetzt erst recht. Auch die Landstraßen rund um die Bundeshauptstadt sind voller Gefahren. Besser bekannt als „Idioten“. Mindestens vier Mal musste ich gestern aktiv ausweichen, um keine Kollision mit zwei Autos, einem Kleinlaster (beide sind von rechts ohne zu schauen auf meine Fahrbahn geschossen) und einem +Blaguss Reisebus (dieser hat beim Abbiegen nach rechts einfach nicht geschaut – obwohl ich am Radweg war) zu vermeiden. „Guat is gangen, nix is gschehn“. Aber kann ich immer dieses Glück haben? Hoffentlich.

Mittlerweile zweifle ich daran, dass sich an der aktuellen Situation was ändern wird. Radfahrer vs. Autofahrer (und andere Verkehrsteilnehmer) wird ein Konflikt bleiben. Unlösbar. Es fehlt einfach die Vernunft . Einen offenen Brief an die Autofahrer habe ich schon einmal verfasst. Mehrere Appelle auch schon. Fehlt noch mein Verständnis. Verstandiss dafür, dass der „Rest der Welt“ einfach nicht anders kann. Klingt blöd, aber ich kann mittlerweile Autofahrer, Fußgänger, Taxler, Busfahrer  und wie sie alle heißen, verstehen. Ja. Mittlerweile ist aus meiner Wut großes Mitleid geworden. Schauen wir uns diese natürlichen Feinde einmal genauer an. Ich weiß was ihnen fehlt, um unsere Sicherheit zu erhöhen.

Autofahrer: Diese Spezies fehlt das Gefühl für Geschindigkeit. Nicht nur die eigene. „Was ich soll 160 km/h schnell gefahren sein? Ich dachte es waren maximal 100 km/h“. Sie ist auch unfähig Geschwindigkeiten von Radfahrern richtig einzuschätzen. Meine vor allem. Wer glaubt bei 160 nur 100 zu fahren, der vermutet auch, dass ein jenseits der 30 km/h herannahender Rennradfahrer 5 km/h fährt. Oder sein Rennrad sogar schiebt. Wenn es also darum geht, von einer Seitenstraße in die Hauptstraße einzubiegen, wird der herannahende Velocista ignoriert. Der braucht ja noch sicher eine Ewigkeit, bis er vorbeifährt. Was bekanntlich nicht stimmt. Egal wie schnell wir sind. Wir sind immer mit gefühlter Lichtgeschwindigkeit unterwegs. Und Lichtgeschwindigkeit darf man nicht unterschätzen. Das selbe gilt auch für entgegenkommende Autos, die noch unbedingt und dringend ein anderes überholen wollen.

Weiters sehen Autofahrer selten so fesche, durchtrainierte Menschen, wie wir es sind. Ein überholender Autofahrer wird quasi automatisch zum Gaffer, Spanner und Schaulustigen. Neidisch rechts oder links zur Seite blickend. Wo wir mit dem Rennrad unterwegs sind. Da das Auto meistens dem Blick des Fahrers folgt, ist es logisch, dass die 1,5 m Seitenabstand beim Vorbeifahren schnell geringer werden. Wir Rennradler sind quasi ein Magnet. Böse Absichten und Vorsätzlichkeift möchte ich da niemanden unterstellen.

Taxler: der Schlag der Taxler sind eine eigene Geschichte. Ihr Ziel ist die Personenbeförderung. Alles was sich dagegen stemmt ist als Hinderniss zu betrachten. Auch Radfahrer. Vor allem Radfahrer. Weil sie nicht nur auf Taxispuren (Busspuren) fahren dürfen. Nein, sie haben auch eigene Radwege. Dort wo ein Taxi meistens nicht stehen bleiben darf, es aber doch tut. Wegen der Personenbeförderung. Zeitdruck, Gier, Überheblichkeit,  … alles Gründe die dafür sprechen, dass dem Taxler alles Wurscht ist. Wie Parken auf Radwegen. Tür öffnen ohne zu schauen. Abbiegen ohne zu Blinken. Wer von Geld getrieben ist, der kann niemals dieses Gefühl der Freiheit am Rennrad nachvollziehen und Pro-Rennradler fahren.

Busfahrer: Hochsitzende Taxler mit Sonderstatus. Gladiatoren der Neuzeit. Opfer der Industriellen Revolution. Busfahrer können nicht alles sehen. Und wollen es auch nicht. Außer man zeigt ihnen den Mittelfinger. Meist sind sie neben der Spur. Nicht nur gedanklich. Sie haben einen langen Schwanz mit lediglich zwei Rückspiegeln. Was soll man da noch dazu sagen. Kopf schütteln und ausweichen.

LKW Fahrer: Brummende Zeitbomben mit Führerschein C und Hauptschulabschluss. Wären sie in einem Gymnasium gewesen, hätten sie auch etwas von Physik mitbekommen. Wer also nichts über Luftmassen und Sog weiß, der kann darauf auch keine Rücksicht nehmen. Verständlich. LKW Fahrern ist einfach nicht bekannt, dass hinter Ihnen ein gewaltiger Sog entsteht. Weil die vorne geschobenen Luftmassen seitlich um den LKW ausweichen. Irgendwann dann hinterm Heck die Lücke wieder schließen. Bei einem Überholmanöver ohne Seitenabstand wird der Radfahrer zuerst von der vorderen Luftblase getroffen (vom entgegenkommenden LKW fast erschlagen), wenig später von der seitlich nach hinten strömenden Luft mitgerissen und gegen den LKW gedrängt, um dann im Heck an den LKW wieder herangesaugt zu werden.

Fußgänger: Eigentlich der schwächste Gegner. Und der Gebildetste. Eingebildet. Er glaubt, das Recht sowieso auf seiner Seite zu haben. So ist es erklärlich, dass er sich um nichts schert. Würde ich ja auch tun. Was kann mir im schlimmsten Fall passieren. Koma? Fein. Das ist Regeneration deluxe. Also: Gehen auf Radwegen und überqueren dieser. Last Minute. Für den Kick. Geil.

Flugzeuge: Spielen wie UFO’s und Panzer eine untergeordnete Rolle. Ihre Präsenz auf Radwegen und Bundesstraßen ist zu vernachlässigen. Sollte es aber doch vorkommen, ihnen zu begegnen. Handykamera zucken. Ein derartige Selfie geht sicher um dei Welt.

Cristian Gemamto aka @_ketterechts

PS: Vergessen wir nicht, dass auch wir Autofahrer und Fußgänger sind. Vielelicht auch Busfahrer, Taxler und LKW Fahrer. Vielleicht kann unser gutes Beispiel Schule machen.