Kategorie: Rennradgeschichten

Geschichten rund ums Rennradfahren

Mit dem Rennrad rund um Vorarlberg.

Mit dem Rennrad rund um Vorarlberg

Es war mein 7. Streich der Roundabout Idee, jedes Bundesland in Österreich mit dem Rennrad zu umrunden. Unsupported versteht sich. Was mit Wien (1 Tag) begonnen hatte, fand die letzten Jahre mit dem Burgenland (2 Tage), Oberösterreich (2 Tage), Niederösterreich (2 Tage), der Steiermark (3 Tage) und Kärnten (3 Tage) seine Fortsetzung. Jetzt gesellt sich Vorarlberg noch dazu. Mit der weitesten Anreise und der kürzesten Strecke. Mit dem Rennrad rund um Vorarlberg war deshalb eine ganz kleine Weltreise mit Hindernissen. Jetzt fehlen nur noch Tirol und Salzburg.

Die Streckenplanung.

Roundabout heißt, immer brav innerhalb der Bundeslandgrenzen zu bleiben. Was eigentlich schade ist, denn speziell in Österreich verbinden die schönsten Passstraßen gerne zwei Bundesländer miteinander. Im Falle von Roundabout Vorarlberg also keine Silvretta Hochalpenstraße und keine Arlberg Passstraße. Letztere war dann auch noch für Radfahrer gesperrt (bergauf). Für die Streckenplanung wurden also Ortskenntnisse, Strava und Komoot herangezogen. Nach mehreren Adaptierungen standen am Ende 206 Kilometer und ca. 3.000 Kilometer auf der Tagesordnung.

Ein Bundesland, zwei Gesichter.

Vorarlberg ist flach. Von St. Anton kommend Richtung Bregenz. Die Berge erheben sich links und rechts davon steil in den Himmel. Die ersten 110 Kilometer waren also ein lockeres Einfahren. Kaum 200 Höhenmeter und die Gewissheit, dass ab der Hälfte dann noch 2.600 Höhenmeter geklettert werden mussten. Auf nicht mehr als 100 Kilometern. Die Fahrt durch das Klostertal und im Rheintal war grundsätzlich kein Problem, wenn ich nicht ständig mit Baustellen und mit der eigenen Sturheit zu kämpfen hatte. Die Baustellen, insbesondere eine Brückensperre in Feldkirch und die damit verbundene Unmöglichkeit via Garmin zu navigieren, hatte dafür gesorgt, dass wir (ich war in Begleitung von Phillip) dank meiner Ortskenntnisse einen ungeplanten Abstecher nach Liechtenstein gemacht haben. Ich war noch nie in Liechtenstein. Damit habe ich das auch abgehackt.


Zurück auf die geplante Route haben wir dann erst wieder in Bregenz gefunden. Da Garmin immer wieder versucht hatte, mich zu jenem Punkt zurück zu lotsen, an dem ich die Route verlassen hatte, wurde Garmin einfach abgewürgt und intuitiv navigiert. Trotz weiterer Sperren und für Rennräder ungeeignete Schotterwege entlang des Rheins auf Schweizer Seite waren der Bodensee und Bregenz erreicht. Fotostopp und Pause in der Innenstadt.

Der Bregenzerwald.

Gleich nach der verdienten Mittagspause wurde Anstieg 1 von 11 in Angriff genommen. Richtung Sulzberg. Psychisch ein Hammer. Den Pfänder hatte ich bei der Routenplanung ausgelassen, denn die Auffahrt wäre nur als Stichstraße möglich gewesen. Oder durch nicht bekannte und zu empfehlende Seitenstraßen. Auf dem Weg nach Sulzberg ist uns Emanuel Buchmann entgegengekommen. Deutscher Meister auf der Straße im Bora Hansgrohe Teamoutfit. Trifft man auch nicht alle Tage. Am (oder in) Sulzberg genossen wir eine wunderbare Aussicht auf das Allgäu und gleich anschießen eine steile und vor allem sehr schmale Abfahrt. Techniktraining der Extraklasse. Übrigens ist das Allgäu hier zum Greifen nahe.

Wie schon erwähnt, gilt es möglichst nahe an der Bundeslandgrenze (in diesem Fall Staatsgrenze) zu fahren. Dieser Umstand (und meine Planung) bescherten uns deshalb noch ein paar Extra-Meilen und Höhenmeter Richtung Hittisau. Beim Sutterlüty vor Ort gab es die zweite Pause. Über Egg, Mellau und Au erreichten wir dann die Originalstrecke des Race Around Austria. Erinnerungen an dieses geniale Event wurden wach. Ich habe noch genau gewusst, wo und wann ich hier gefahren bin, wo wir damals gewechselt haben und dass der Hochtannbergpass schon ziemlich fordernd ist. Letzter Stopp für uns, Schoppenau. Im Schlepptau eines Traktors, den wir 5 Kilometer lang catchten und der uns dann aber kaum 1 Kilometer Windschatten gegeben hatte.

Der Hochtannbergpasse.

Es gibt viele wunderschöne Alpenpässe. Der Hochtannbergpass gehört mit Sicherheit dazu. Seine Einzigartigkeit macht ihn aus. Die Brücke von Schröcken ist sein Wahrzeichen und eines der bekanntesten Fotomotive. Der Rest? 12 Kilometer und 700 Höhenmeter bis hinauf auf über 1.700 Metern über dem Meer. Von hier aus bis zum Ziel war nur noch der Flexenpass im Weg.

Hochtannbergpasse bei Schröcken


Vom Hochtannbergpass war Warth am Arlberg schnell erreicht. Neben den grünen Wiesen und schönen Bergen konnten wir die Sünden des hier dekadenten Wintertourismus klar erkennen. Ein Chalet reiht sich dem anderen ein. Lech ist 5 Kilometer weiter nicht anders. Fast schon eine Metropole. Dafür ist Zürs, das wir durch einen kilometerlangen Tunnel erreicht haben, um diese Jahreszeit ausgestorben. Nur ein ständig auf und ab fliegender Hubschrauber störte die beton-betonte Stille.

Endstation Flexenpass. Noch ein paar spektakuläre Galerien und die letzten atemberaubenden Kehren nach Stuben am Arlberg und Vorarlberg war umrundet. Übrigens waren die letzten Kehren aufgrund des Verkehrs (Arlberg Straßentunnel gesperrt) ein Kriechen auf zwei Rädern. Es gibt ganz schön viele LKWs mit Ausnahmegenehmigung. Ende gut, alle gesund daheim. 228 verfahrene Kilometer und 2.888 Höhenmeter.

Mit dem Rennrad rund um Vorarlberg:

  • 206 Kilometer (ohne Verfahren)
  • 2.888 Höhenmeter
  • Highlights: Klostertal, Bregenzer Festspiele, Bodensee, Bregenz Altstadt, Bregenzerwald, Hochtannbergpass, Flexenpass, Abfahrt nach Stuben am Arlberg
  • Idealer Startpunkt: Feldkirch (per Bahn am leichtesten erreichbar)
  • Gefahrenstelle: Tunnel nach Lech Richtung Zürs. Befahren außerhalb der Leitplanken möglich (kein Gehsteig, aber Betonplatten), umfahren nur mit MTB empfehlenswert
  • RenneEsel Holzrahmen: 52/36 und 11/34

#ktrchts #machurlaubfahrrennrad

Autoschubsdienst in den Dolomiten

Autoschubsdienst in den Dolomiten

Mit Adrenalin vollgepumpt und mit einem Puls jenseits meiner Maximalzone krabble ich auf allen Vieren samt Rad ein paar Meter wieder zurück auf die Straße. Eine Dame ruft mir zu “Ich habe alles gesehen. Der Bus wurde absichtlich nach rechts gelenkt und hat sie in den Graben geschubst. Dann ist der Bus einfach weitergefahren.” Ich überlege nicht zweimal. Schnell noch die Kette zurück auf das Kettenblatt und dem Bus hinterher. In der Hoffnung, er würde oben am Würzjoch stehen bleiben. Vergebens. Oben angekommen, war der Täter verschwunden. Was als Autobusdienst gedacht war, entpuppte sich als Autoschubsdienst in den Dolomiten. Unglaublich aber wahr.

Mörderische Absichten.

Rennradfahren in den Dolomiten ist herrlich. Atemberaubende Kulissen, kulinarische Highlights und eine Idylle, die ihresgleichen sucht. Ein Platz für alle, wo aber nicht alle gleichzeitig Platz haben können. Aber wollen. Wer schon einmal auf das Würzjoch gefahren ist, weiß, dass die Straße dort eng ist. Einspurig. Bei Gegenverkehr wird es lustig. Bei großen Autos gefährlich. Und bei Autobussen mörderisch. Irgendwann wirds knapp, denn Platz ist hier keine unendliche Ressource.

Wir schreiben den 9. Juni 2023. Es ist kurz von 15 Uhr. Das ist wichtig, um das ganze auch rekonstruieren zu können. Meine Gruppe fährt aufgesplittet den Pass hoch. Von Afers kommend. Die Schnelleren vorne weg, die Gemütlicheren hinter mir. Auf dem letzten Kilometer ist die Straße eine lange gerade und eigentlich mehr als übersichtlich. Vor mit schiebt eine Dame ihr Fahrrad am Straßenrad nach oben. Von Oben kommt ein Motorradfahrer entgegen. Plötzlich steht ein Bus neben mir. Er versucht, sich vorbeizudrängen. Muss aber stehen bleiben, da der Weg von der Dame und vom Motorradfahrer versperrt ist. Drei Zentimeter rechts von mir die Böschung, 20 Zentimeter links von mir (großzügig geschätzt) ein Bus. Farbe grün und grau. Um nicht umzufallen (man weiß nie) fahre ich weiter und vorbei am stehenden Bus. Nicht ohne meinen Unmut über die Aktion des Busfahrer (der Busfahrerin) Ausdruck zu verleihen. Ich habe mich durch Klopfen auf die Karosserie bemerkbar gemacht.

Kein Platz haben, aber Platz haben wollen.

Ich schaffe es, ohne größeren Schwierigkeiten am Bus und an der Dame vorbeizufahren. Die Straße vor mir jetzt komplett frei. Ein paar Meter später drehe ich mich um, und sehe den Bus. Der Busfahrer (die Busfahrerin) gestikuliert wild und will mir anscheinend etwas mitteilen. Für mich war das Geschehene eigentlich erledigt. Der Bus verlangsamt nicht und drängt sich erneut an mir vorbei. Die Straße ist hier nicht breiter als vorher. Auf gleicher Höhe lenkt der Bus plötzlich aus dem Nichts nach rechts und mir bleibt nichts anderes übrig, als mich in die Botanik zu verabschieden.

Ob ich mit dem Bus touchiert bin, kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass es mich mehrmals überschlagen hat und mein geliebter, kaum 3 Wochen alter maßgefertigter Esel mit mir. Ich komme mit dem Kopf nach unten und dem Holzrahmen auf mir zum Stehen. Der Rest ist wie oben beschrieben. Die Worte der Frau im Ohr krabble ich zurück auf die Straße. Wäre der Bus oben stehen geblieben, hätte die Geschichte mit Sicherheit eine andere Dramaturgie bekommen.

Was folgte, war neben Fassungslosigkeit auch ein bürokratischer Hürdenlauf. Zuerst die Polizei gerufen. Diese wollte (konnte) nicht kommen. Dann mehrmals von einem Kommissariat zum anderen verbunden und weitergeleitet worden. Mörderische Absichten sind anscheinend kein Delikt oder die Lust freitagnachmittags zu arbeiten gering. Die Zeugin habe ich dann auch noch getroffen und mir alles nochmals schildern lassen. Ihre Aussage wird Goldes wert sein.

Am nächsten Tag nochmals zu den Carabinieri in La Villa. Unfall zu Protokoll geben. Der Maresciallo erklärt mir, dass man seitens der Carabinieri nichts unternehmen werde. Ich sei ja nicht verletzt. Mir bleibt nur noch der zivilrechtliche Weg. Rahmen kaputt, Powermeter-Kurberl zerkratzt und eine beim Sturz verloren gegangene Insta360 Go2 wollen eingeklagt werden.

Zerosbatti – Italien ist Vorreiter

Ich gebe nicht gerne auf. Und wo ich mich in meinen Rechten als Mensch (nicht unbedingt als Radfahrer) verletzt fühle, erst recht nicht. Vorsatz ist etwas, was mich triggert. Wissend, dass das ein langer Prozess werden würde, bin ich tätig geworden. Zuerst habe ich den Bus bzw. die Busnummer ausfindig gemacht. Es kann sich nur um den Bus 339 gehandelt haben. Wer ihn operiert hat, bleibt offen. Es fährt für Südtirol Mobil unter der Schirmherrschaft (oder Flagge) der Autonomen Provinz Südtirol. Ein Schreiben an die zuständigen Ämter fiel fehl. Auch ein Schreiben an die Tageszeitung Dolomiten blieb ohne Antwort. Ich dachte mir, die Omertà gäbe es nur in Süditalien.

Dann stoße ich in meinen Recherchen auf zerosbatti.it. Ein ehemaliger Rennradfahrer und Jurist hat diese Idee ins Leben gerufen. Eine rechtliche Assistenz für genau solche Fälle. Gilt europaweit. Und das für nur € 15,-. Gültig 12 Monate. Italien als Vorreiter. Kurz korrespondiert, Fall akzeptiert. Alle Dokumente sind schon vor Ort. Fehlt noch die schriftliche Aussage der Zeugin. Dann geht’s los. Schauen wir, was herauskommt.

Meine persönliche Meinung zählt da nicht. Zu viele Gesetze, bürokratische Hürden, Versteck-Spielchen … Ein Mensch, der vorsätzlich (eine Zeugin kann das bestätigen) einem anderen einen Schaden zufügen will, hat im Straßenverkehr gar nichts zu suchen. Wenn ich was zu sagen hätte, dann Führerschein weg. Tut mir leid. Wo kein Platz ist, kann man sich keinen Platz verschaffen. Alles andere ist nicht die Diskussion wert.

#ktrchts

Ötztaler Radmarathon 2023

Ötztaler Radmarathon 2023

Es war eine heiße Premiere. Der Ötztaler Radmarathon 2023 hat in seiner ersten (und wohl letzten) Juli-Edition vielen TeilnehmerInnen einen großen Traum erfüllt, gleichzeitig aber auch einigen alle Hoffnungen auf das begehrteste Finisher-Trikot der Geschichte genommen. Der “Ötzi” ist und bleibt gnadenlos. Er kennt Jahr für Jahr kein Erbarmen. Schwitzen oder frieren. Dazwischen gibt es selten Spielraum. Wer die letzten Jahre sein Königreich für einen wärmenden Sonnenstrahl am Timmelsjoch verschenkt hätte, wäre dieses Jahr an gleicher Stelle mit einem kühlen Schauer richtig glücklich geworden. Vielleicht haben einige sogar vom Schnee vergangener Jahre geträumt. Der Hitze zum Trotz haben von 4.337 StarterInnen (4.014 Männer und 322 Frauen) 3.869 den Weg ins Ziel nach Sölden gefunden. Sie alle dürfen sich über ein äußerst prestigeträchtiges Stück Lycra freuen. Chapeau. Natürlich auch den SiegerInnen Manuel Senni und Janine Meyer.

Plötzlich Juli und plötzlich Hochsommer.

Es war schon eine ganz große Überraschung, als der Termin 2023 für den 9. Juli angekündigt wurde. Ein Ötztaler Radmarathon im Hochsommer? Feine Sache. Ganz ohne Ballast. Keine Überschuhe, keine Merino-Socken, keine Mütze, keine Handschuhe, keine Beinlinge und vor allem kein nerviges An- und Ausziehen. Das war zumindest die Hoffnung. Hoffnung, aus der, je näher der Termin rückte, Gewissheit wurde. Der Celsius-Dreier war fix. Und wer St. Leonhard kennt, weiß, dass ein Vierer hier unten keine Utopie sein muss. Plötzlich Juli und plötzlich Hochsommer in Sölden. Es war also alles angerichtet. Für ein chilliges Rennwochenende. Ohne den gefürchteten Ötzi-Wetter-Schreck. Ein kühler Donnerstag, ein sonniger und frischer Freitag (samt Gewitter-Eintagsfliege), ein trockener Samstag und der heiße Rennsonntag, von dem viele noch ihren Enkeln erzählen werden.

Tipps vom Profi Anton Palzer.

Eine gute Vorbereitung ist das eine, der Renntag selber das andere. Und die Hitze? Die große Unbekannte. Zum Glück gab es Tipps von Anton “Toni” Palzer (#goschnpoliern) beim Medienempfang im Bergzauber hoch über Sölden. “Viel trinken und vor allem essen. Bis zu 120 bis 140 g Kohlehydrate pro Stunde. Und eine Flasche mit Wasser. Zum Kühlen”. Na bumm. Aerobee haben 18-19 g Kohlenhydrate und 180 mg Salz pro Gel. Das wären dann 7,3 Packungen pro Stunde. Die Tipps vom Profi Anton Palzer waren gut gemeint, haben jedoch ein schier unlösbares Logistikproblem geweckt. Wohin mit den Gels? Das Wasser? Die Salztabletten? Das Pulver für die Flasche? Glücklich all jene, die eine Betreuung entlang der Strecke “buchen” konnten. Trotz Vollpension entlang der 227 Kilometer mit insgesamt 5 + 1 Labestationen auf 5.300 Höhenmeter. Ein Hobbyrennen ist der Ötztaler Radmarathon schon lange nicht mehr.

Dead Valley auf 1500 Metern Höhe.

Alle haben sich es warm gewünscht. Alle haben es heiß bekommen. Der Höhepunkt der Hitze lag eindeutig zwischen St. Leonhard und Moos. Einen Wimpernschlag nach dem Blick auf das kühle Blau des Schwimmbades von St. Leonhard, welches auf der Abfahrt vom Jaufenpass prominent ins Auge gestochen ist. Hier wären einige liebend gerne stehen geblieben und abgetaucht. Ab hier jedoch erwischte es wohl alle. Die 29 Kilometer mit knapp 1.800 Höhenmetern hinauf auf das Timmelsjoch waren ein frontaler Angriff auf den Kreislauf aller noch im Rennen Verbliebenen. Der tiefste Punkt erreicht. Das Vorspiel abrupt beendet. Jetzt ging es nur noch ums Überleben.

Die Kunst bestand von nun an darin, zwischen Schwarzsehen, Umfallen und Kotzen trotzdem einfach weiter zu kurbeln. Rhythmus hatten da nicht mehr viele. Kühlung Mangelware. Die Dame im Bikini in Moos hatte alle Hände und Becher voll zu tun, die Temperatur aufgeheizter TeilnehmerInnen zu regulieren. “Mogsch a wosso?” Mehr war nicht zu vernehmen. Gleichzeitig ergoss sich ein Wasserschwall vom Helm bis tief unter den Rücken. Zehn Sekunden Power. Dann war der Spuk vorbei. Auch die Motorradfahrer konnten nicht mehr wirklich helfen. Ihr Getränkevorrat entweder aufgebraucht oder brodelnd. Fast kochend. Dead Valley auf über 1500 Metern Höhe. Was für ein Traum.

Wem der Kreislauf zu kippen drohte oder wem dadurch langsam die Kräfte schwanden, war am Höhepunkt des Ötztaler Radmarathons 2023 angekommen. Auch die Qual, sich mit Energie versorgen zu müssen und die Unmöglichkeit, den Körper zu kühlen, war Teil des vorprogrammierten Untergangs. Die Gesetze des Ötztaler Radmarathon kann man nicht brechen. Weder im Juli, noch Ende August. Und was hatte Anton Palzer noch am Vortag gesagt?

Ötztaler Leiden

Zwischen Hitzewelle und Wattschwelle.

Der Mensch ist zu vielem fähig. Dazu braucht er den Kopf. Beim Rennrad fahren auch die Beine. Wenn diese nicht mehr wollen, hilft nur mehr der Kopf. Fehlt aber die Verbindung, ist es aus. Hitze und Watt sind schwer in Einklang zu bringen. Das haben die meisten gespürt. Der Ötztaler Radmarathon verwandelt dich. Vor, während und nach dem Rennen. Egal ob kalt oder heiß. Du bist im Ziel ein anderer Rennradfahrer. Eine andere Rennradfahrerin. Die Verwandlung dauert je nach Kondition und Willenskraft 7 bis 14 Stunden. Ganz egal wie oft du bereits am Start gestanden bist. Nirgendwo anders wird das Finisher-Trikot mit derartigem Stolz getragen und vorgeführt. Der Mythos lebt. Eine Erfahrung, die man als RennradfahrerIn gemacht haben will. Warum das so ist, können nur jene beschreiben, die dabei waren und dabei sein werden.

Der Ötztaler Radmarathon ist nicht nur ein Rennen. Es ist ein Urlaub bei Freunden und mit Freunden. Auch wenn nicht mehr ganz so erschwinglich. Wie alles im Leben. Ein Teller Nudeln für € 14,- ist fast wie von einem anderen Stern. Der Stern der Reichen und Schönen. Vonseiten der TeilnehmerInnen wird nicht nur auf der Strecke vieles abverlangt. Es ist auch der Verzicht auf dem Weg nach Sölden. Um in Sölden anzukommen, bleibt einiges auf der Strecke. Familie, Beruf, Vermögen. Das Ötztal hat vieles richtig gemacht. Die Frage ist, wohin es noch gehen wird. Der Hobby-Radsport darf kein elitäres Eventspielzeug werden. Ein Wochenende für 2 Personen in Sölden ist samt Startplatz unter € 1.000 fast nicht mehr zu kriegen. Aber so ist die freie Marktwirtschaft. Angebotsknappheit und ganz viel Nachfrage.

Es geht um die eigenen Grenzen.

Das mit dem schönen Wetter über den vier Pässen hat dieses Mal perfekt funktioniert. Der Juli hat seinen Vorteil voll ausgespielt. Ein Segen für die TeilnehmerInnen und den Veranstalter. Sogar der letzte Teilnehmer konnte bei Tageslicht knapp unter 14 Stunden sein Ziel erreichen. Stress war ihm dabei nicht anzusehen. Er brauchte weder eine wärmende Decke oder Folie noch fremde Hilfe. Der Allerletzte zitterte nicht. Nein, er strahlte und mit ihm die vielen noch im Zielraum verbliebenen ZuschauerInnen. Einzig die Lichter der vielen Begleitfahrzeuge von Rettung, Polizei, Rennleiter und Traumfänger kamen nicht so zur Geltung wie üblich, wenn über Sölden die Nacht hereinbricht. Der Party im Ziel hat das aber nicht geschadet. Hier weiß man, wie man den Tag zur Nacht macht und den Morgen danach gut verschleiert.

Beim Ötztaler Radmarathon geht es um die eigenen Grenzen. Grenzen, die man hier verschieben muss. Beim Schreiben dieser Zeilen sind die Anstrengungen nach wie vor zu spüren. Aber auch die erlebten Hochs und Tiefs. Das 15. Finisher Trikot ist gut verstaut. Die 18. Teilnahme (plus der virtuelle Ötzi 2020) ist “in the books”. Sofern die Rechnung stimmt. Aufzeichnungen aus einer Zeit, als noch Armbändchen die Durchfahrt am Jaufenpass bestätigt haben, gibt es keine. Klopfen wir auf Holz, dass es weitere Teilnahmen geben wird. Warum man sich das antut? Einmal mitfahren und man bekommt die Antwort. Nein, man spürt sie. Sie geht durch den ganzen Körper. Schüttelt dich durch und rührt dich zu Tränen. Der Ötztaler Radmarathon nimmt viel und schenkt dir am Ende mehr als du dir je erhofft hast.

2024 wird alles wieder gleich anders.

Tür auf und gleich Tür wieder zu. Danke Juli. Es war eine schweißtreibende Freude. Wir werden dich vermissen. Kehren zurück zur alten Tradition. Die Frage, wie das Wetter werden wird, beschäftigt uns jetzt schon. Wir werden uns alle wieder anstellen und hoffen, dass wir dabei sein dürfen. Denn nach dem Ötztaler Radmarathon ist wie immer vor dem Ötztaler Radmarathon. Nie mehr wieder, bis zum nächsten Mal.

Der Ötztaler Radmarathon 2023 in Zahlen: 3.869 FinisherInnen und 4.337 Heldinnen. Dazu noch Hunderte von freiwilligen HelferInnen und Tausende Begleitpersonen, ohne die der Ötztaler Radmarathon nicht das wäre, was er ist. Ein ganzes Tal steht kopf. Für all jene, die sich diesen Traum erfüllen wollen. Die nächste Gelegenheit ist am 1. September 2024. Bei vielleicht kühleren Temperaturen oder wie eh und je. Gnadenlos und ohne Erbarmen. Zwischen frieren und schwitzen. Mehr zum Event gibt es hier.

#ktrchts

Gruppenfahren – warum das so schwierig ist.

Gruppenfahren

Was gibt es schöneres, als mit dem Rennrad in einer großen und homogenen Gruppe dahinzurollen. Leichtfüßig dahinzugleiten und die Vorteile des Windschattens zu nutzen. Kilometer zu sammeln, die man sich sonst schwer erarbeiten müsste. Gruppenfahren ist und bleibt die höchste und schnellste Form des Weiterkommens. Kollektives Kräfteschonen. Einer für alle, alle für einen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Individualismus die Gruppendynamik wieder einmal sprengt.

Gruppendynamik ist der Teufel.

Über das sichere Gruppenfahren habe ich mich schon einmal gestürzt. Das Thema ist durch und es gibt nicht mehr viel zu ergänzen. Diesmal sind es andere Gedanken, die mich beschäftigen. Vielleicht, weil ich älter werde und mich deshalb nicht mehr beweisen kann. Möglicherweise bin ich aber für das Gruppenfahren nicht geschaffen. Wer weiß. Für mich ist das Rennradfahren in der Gruppe ein gemeinsames Erlebnis und kein Kräftemessen. Aber genau das erlebe ich immer wieder. Gruppendynamik ist der Teufel und das sich Zügeln eine Tugend, die man braucht, um eine Rennradgruppe zusammenzuhalten.

Rennradgruppen sind wie Organisationen, in der unterschiedliche Charaktere und Persönlichkeiten zusammentreffen. Das kann nie friktionsfrei sein. Da geht es um Positionen und Ansprüche. Und um Rollen, die dann jede*r in der Gruppe selbst einnimmt. Spannend, wenn man sich ein wenig mit der Materie beschäftigt. Beispielsweise das Ganze durch das rangdynamische Positionsmodell (Gruppendynamik) von Raoul Schindler betrachtet und analysiert.

Soziale Interaktion innerhalb von Rennradgruppen.

Auch in einer Rennradgruppe geht es um Positionen. Diese werden eingenommen und können auch immer wieder verlassen werden. Es gilt auch, dass Positionen mehr verliehen als genommen werden (Raoul Schindler). Erst durch die Akzeptanz der Anderen gelangt ein Gruppenmitlied in eine bestimmte Position (niemand wird zum Anführer, ohne dass die anderen Gruppenmitglieder ihm folgen).

Gruppendynamik Rennradfahren
© Roberto M.

Rangdynamischse Postionen* im “Peloton”.

G” (Gruppenaufgabe bzw. Gegenüber bzw. Gegner): Auf dieses Außenkonstrukt ist die Wirkung der Gruppe gerichtet. Das kann das Ziel der Gruppenausfahrt sein. Zum Beispiel die Kilometer, die Geschwindigkeit, der Berg … Wichtig ist, dass die Gruppe “G” (das Ziel) durch Alpha erreichbar sieht.

Alpha (Anführer): Alpha führt dem Ziel entgegen und leitet die Auseinandersetzung mit dem Gegenüber („G“). In einer Rennradgruppe ist Alpha, jene*r, mit dem Ziel vor Augen und sagt, wo es langgehen wird (soll). Alpha ist stark außen gewandt und in seinem Handeln nur davon beschränkt, ob die Gruppe ihm/ihr folgt. Folgt die Gruppe Alpha nicht, so ist Alpha auch nicht länger Alpha. Zum Beispiel, wenn die Gruppe sich nicht in der Lage sieht, das Ziel zu erreichen. Oder der Weg zum Ziel zu beschwerlicher wird (zu schnell, zu anstrengend …). Alpha schaut nach vorne und verliert so gerne den Blick nach hinten.

Beta (ExpertIn): Die klassischen „Zweiten“ sind die typischen BeraterInnen. Das Verhältnis zu Alpha ist ambivalent: Einerseits braucht Alpha Beta, um zu führen, und Beta braucht Alpha, um an der Macht teilzuhaben. Andererseits haben Betas am ehesten das Potenzial, Alpha zu stürzen und selbst die Führung zu übernehmen. Betas sind in der Rennradgruppe jene, die mit Alpha die Führungsarbeit leisten und auf ihre Chance lauern.

Gamma (einfaches Gruppenmitglied): identifiziert sich mit Alpha (genauer: mit seiner Außensicht auf “G” und unterstützt seinen/ihren Weg durch Zuarbeiten ohne eigenen Führungsanspruch. Gammas sind jene, die die „Knochenarbeit“ verrichten, ohne die keine Gruppe arbeitsfähig ist. Gammas findet man in Rennradgruppen zuhauf. Sie sind die HelferInnen, WasserträgerInnen und die Domestiques. Sie schließen Lücken, schauen nach hinten, informieren nach vorne …

Omega (Gegenposition zu Alpha – nicht zu verwechseln mit dem in der Biologie als Omega bezeichneten rangniedrigsten Individuum): ist der Gegenpol des dominanten Gruppengeschehens. Sein/ihr Verhalten äußert sich in offenem oder verdecktem Widerstand gegen die von Alpha kommunizierte Zielerreichung. Zentrales Element ist eine un- oder gegenabhängige Außensicht auf „G“, und genau das zieht in dieser Position den Widerstand auf sich: von Gamma(s), weil er/sie die Identifikation mit Alpha gefährdet (Alpha definiert den Blick auf „G“), und von Alpha, weil er/sie die Führungsposition gefährdet. Omega ist eine konstitutive (= bestimmende) Position in der Gruppe und ein wichtiger Qualitätsindikator für die Gruppenfunktionen – bei Omega drücken sich als Erstes Gruppendefizite (Zielerreichung, Zusammenhalt etc.) aus. Oft wird Omega jedoch nicht als Qualitätsindikator, sondern als Störfaktor angesehen, angegriffen und ausgeschlossen. Nicht selten rutscht nach kurzen kathartischen Episoden ein anderes Gruppenmitglied in diese Position, und das Spiel beginnt von Neuem.

Gruppenfahren ist deshalb so schwierig.

Und jetzt wird es spannend. Wenn die Konflikte um die Omega-Position steigen, besteht die grundsätzliche Möglichkeit, dass aus der Perspektive der Gammas die Verbindung Omega zu “G” (dem Ziel) stärker erlebt wird, als die von Alpha zu “G” (dem Ziel). Also, dann die Gruppe Omega eher zutraut, das Ziel zu erreichen. Dazu kommt noch, dass in Rennradgruppen die Betas auch immer wieder auf Ihre Chance lauern und bei einer Schwäche von Alpha gnadenlos zuschlagen.

Genau diese in Gruppe immer wieder auftretenden Spannungen – auch in Rennradgruppen, sind der Grund, warum Gruppenfahren teils schwierig ist oder wird.

Funktion, Position und Rolle in Rennradgruppen.

Funktion und Postion in einer Rennradgruppe geben Auskunft über die Aufgabe und die Macht, die man in einer Gruppe hat. Wie diese ausgeübt wird, bleibt dann von Fall zu Fall offen. Spezifische Merkmale wie Handlungen, Aussehen, Sprache, Körpersprache … sind die Rolle. Rollen sind daher stärker selbstgewählt und haben stärker mit den Persönlichkeitseigenschaften der Rollenträger zu tun

Kompliziert? Nein. Nicht wirklich und von Rennradgruppe zu Rennradgruppe verschieden. Überlegt euch selbst einmal, wo ihr eure Position bei einer Gruppenausfahrt seht. Oder welche Postion ihr beim Gruppenfahren anderen streitig macht oder machen wollt. Dieses Modell ist uns allen näher als wir glauben.

Viel Spass beim Gruppenfahren.
#ktchts

*Quelle: rangdynamisches Positionsmodell von Raoul Schindler (Wikipedia)

Wir haben neue Rennradschuhe. Eine Mann-Frau Geschichte.

Neue Rennradschuhe

Es gibt bekanntlich zwischen Mann und Frau einige Unterschiede. Kleine und große. Im Denken, im Handeln und vor allem im Rennradschuhe-Kaufen. Das ist bei uns nicht anders. Und so war es bei uns auch nicht anders. Der Wunsch nach neuen Rennradschuhen am Anfang war noch ziemlich paarkonform. Auch das Ergebnis am Ende, wenngleich mit unterschiedlichem Ausgang. Doch der Weg dorthin war ein diametrales Auseinanderdriften zweier Welten. Trotzdem haben wir jetzt neue Rennradschuhe. Und so ist es dazu gekommen.

Der Wunsch nach weißen Rennradschuhen.

Es war unser beider Wunsch, wieder einmal weiße Rennradschuhe zu fahren. Meine letzten weißen sind schon 13 Jahre alt und eigentlich weiß rot (Sidi Wire Carbon). Den Lake CX 403 habe ich nie so richtig ins Herz schließen können, weil die Innenseite schwarz war. Sie hingegen hatte auch weiße Lake. Das Model CX ist aber schon ein wenig in die Jahre gekommen. Die Schuhpflege blieb etwas auf der Strecke. Es war also unser beider Wunsch, nach einem Intermezzo bei Suplest (Model Egde3) wieder auf weiße Rennradschuhe zu setzen.

Seit über einem Jahr trage ich schon meinem Wunschschuh mit mir mit. Es war Liebe auf den ersten Blick. Crono CR 1 – Made in Italy. Genau der musste es es werden. Und kein anderer. Fix. Ausgemacht. Doch ich war nicht bereit dafür den Listenpreis von € 360,- auszugeben. Ich musste Geduld aufbringen – was mir sehr schwergefallen ist. Und ich habe einige Möglichkeiten ausprobiert, den Schuh vergünstigt zu bekommen. Allesamt legale Wege. Vom Importeur bis hin zum Hersteller selber. Niemand hat sich meiner erbarmt. Mein Bitten und mein Betteln löste sich in Luft auf. Bis ich eines Tages im Netz das Angebot von muziker gesehen habe. Ein slowakischer “Amazon” mit einem Angebot, welches von Musikinstrumenten über Golf und anderen Sportsachen auch Radschuhe beinhaltet. Dort kostet(e) der Schuh € 259.-. Ohne Ust. noch weniger.

Rennradschuhe von Crono
Crono CR 1

Wie Mann und Frau Rennradschuhe kaufen.

Ein paar Mal hatte ich das Angebot im Warenkorb. In der Hoffnung, vielleicht doch noch erhört zu werden. Dann aber war es so weit. Ein Klick und die Schuhe waren meine. Prompt geliefert haben sie sich schnell in mein Herz geschlichen und an meine Füße geklebt. Mittlerweile haben meine neuen Lieblinge schon ein paar Kilometer auf der Sohle. Alle Indoor. Und sie schauen nicht nur gut aus, sie sitzen perfekt. Zumindest der Linke. Muss aber nicht unbedingt mit dem rechten Schuh zu tun haben. Es kann auch an meinem Fuß liegen. Ist mir nicht neu.

Eigentlich wollte ich den Crono CR 1 auch ihr kaufen (lassen). Zum vergünstigten Preis. Ihre Größe wäre lagernd gewesen. Doch ihr gefällt der Löwe auf der Innenseite nicht. Löwe, der mir gar nicht aufgefallen wäre, wenn sie ihn nicht auf ihre “Dislike-Liste” gegeben hätte. Meine Versuche, ihr den Schuh schmackhaft zu machen, blieben alle erfolglos. Sie macht keine Kompromisse. Und eigentlich will sie keine neuen Schuhe. Denn sie hat ja die noch sehr wenig benutzten Suplest. Das hat sie mehrmals betont, nachdem sie aber doch von der Idee, neue weiße Rennradschuhe haben zu wollen, wieder und immer wieder heimgesucht wurde. In diesen Momenten klebte sie auch im Netz und suchte nach ihrer persönlichen Wunsch-Alternative. Alle von mir vorgeschlagenen Optionen wurden kategorisch abgelehnt. Alles, was nicht weiß war, fiel ihr zum Opfer. Sie macht keine Kompromisse.

Crone Shoes Made in Italy
Crono CR 1 Löwentatoo

Sie weiß, dass sie weiß will.

Da eine Farbe zu viel. Dort ein Merkmal am falschen Platz. Weiß ist eben nicht gleich weiß. Und einige weiße Rennradschuhe sind eben weißer als die anderen. Die weißesten davon sind aber leider auch die teuersten. Specialized S-Works Torch, Shimano RC9 Damen … mit € 400,- +/- keine Schnäppchen. Wer weiß will, muss bluten. Schnäppchen wie der EKOI Ultralight Carbon Weiß wurden trotz ihres Aktionspreises dankend abgelehnt. Für sie war der EKOI Carbon Weiß eben zu wenig weiß. Und mit den Exoten von Spiuk konnte sie wenig anfangen. Gleich wenig wie mit Schuhen von Scott oder Gaerne.

Mein Latein ist selten am Ende. Vor allem dann, wenn es ums Rennrad geht. So zauberte ich dann auch noch die Fi’zi:k Ass aus dem Ärmel. “Christina fährt Fi’zi:k …” hatte sie getriggert. Fi’zi:k? Wer oder was ist das? Das Netz musste wieder dran glauben und in Windeseile wurde alles gestalkt, was mit Fi’zi:k zu tun hatte. Facebook, Instagram und Google wurden, durchforstet. Und am Ende stand ihr Wunschschuh ganz oben. Ein neuer, weißer Rennradschuh. So weiß, dass es weißer nicht geht.

Fizik Rennradschuhe
Fi’zi:k Tempo Decos Carbon

Danach ging es relativ schnell. Preis ok. Fuß vermessen (ja so etwas mache ich immer noch), Größentabelle studieren, kurz beraten (besser etwas größer als, nachher zu klein) und schon war er bestellt. Eigentlich wollte sie zwei Größen bestellen. Gewohnheit. Man könne ja eine zurückschicken. Ich musste ihr erklären, dass bike24 nicht Zalando sei und dass man bei bike24 zwei Größen bezahlen muss, wenn man zwei Größen bestellt. Nach ein paar Tagen, waren die Schuhe (1 Paar) da.

Und dann war da noch die Sache mit den Schuhplatten.

Noch hat der Fi’zi:k keine Kurbelumdrehung hinter sich. Denn sie wolle die Schuhe erst einmal stehen lassen und sie anschauen. Auch hat sie noch keine Cleats. Ich wollte ihr die Garmin Cleats empfehlen. Ich verwende diese seit ich die Vector Pedale habe, weil sie im Vergleich zu den Look Schuhplatten länger leben. Zumindest bei mir. Seit ewig verwende ich dabei die roten (auch bei Look). Sie verwendete bisher die grauen. Die grauen sind bei Garmin aber jene ohne Bewegungsfreiheit. Ich schlage ihr deshalb die roten Garmin Schuhplatten vor. Diese will sie nicht. Nicht wegen der erhöhten Bewegungsfreiheit, sondern weil sie rot sind. Und rot passt nicht zu weiß. Es muss grau sein. Also Look. Also weniger Bewegungsfreiheit. Nur der Ordnung halber und fürs Protokoll. Es geht ja darum, wie Mann und Frau sich um neue Rennradschuhe kümmern. Ich so, sie eben anders.

Pedalplatten Rennradschuhe
Garmin und Look Schuhplatten

Montiert sind ihre neuen Cleats noch nicht. Aktuell ruhen die Schuhe ja. Und wenn man die Cleats montiert, kann man die Schuhe ja nicht mehr zurückschicken. Aber warum zurückschicken? Sind Sie vielleicht doch nicht weiß genug?

Fi’zi:k vs Crono.

Sowohl Fi’zi:k als auch Crono sind Made in Italy. Wobei Crono sogar mit Handmade in Italy wirbt. Kann unabhängig nicht überprüft werden. Vielleicht statte ich Crono Shoes am Weg nach Cesenatico oder zum Monte Grappa einen Besuch ab. Es wäre die Gelegenheit, einen Schönheitsfehler beim Schuh zu reklamieren. Handmade in Italy hat ein wenig gepatzt. Nicht schlimm, sollte und darf aber nicht sein. Auf den Einsatz draußen bin ich schon gespannt. Wie schon geschrieben, habe ich den Schuh Indoor (Zwift) ausgiebig mit mehreren unterschiedlichen Setups getestet. Mit Orignalsohle, mit Solestar BLK und Solestar Kontrol. Dazu habe ich noch ein paar Cleat-Einstellungen ausprobiert. Den ersten 100er hat der Schuh auch schon hinter sich. Beim Vätternrundan Group Ride der Swedish Zwift Riders (SZW). Und das erste Rennen. Etappe 1 bei der Tour de Watopia 2023.

Die Verarbeitung des Fi’zi:k Schuhes (Model Tempo Decos Carbon) scheint auf alle Fälle ideenreicher zu sein. Mit gefällt die Verstärkung im Frontbereich ausgesprochen gut. Denn beim Einklicken in die Pedale, ist das jene Stelle vom gesamten Schuh, die das meiste Fett abbekommt. Chapeau Fi’zi:k. Auch der Hinweis, dass man Schuhe nur am Teppich probieren soll, ergibt Sinn. Mehr zum Schuh selbst, werde ich hoffentlich in Erfahrung bringen, wenn sie ihn gefahren ist und nicht zurückgeschickt hat.


Auf alle Fälle haben wir beide jetzt neue Rennradschuhe. Traumhaft. Oder?

#ktrchts

PS: Beide Schuhe wurden regulär im Handel gekauft. Vergünstigt zu Preisen, die allen zugänglich sind.

Zwift dich! Indoor ist wie Mordor.

Zwift dich

Die letzten 10 Tage hat der Winter dann doch noch seine spitzen Krallen ausgepackt und das pannonische Flachland unter dem Gefrierpunkt gefangen gehalten. Der kalte und stürmische Wind hat diese Gefangenschaft noch mehr verschärft. Der Tritt vor der Tür wurde zu einer charakterlichen Mutprobe. Die Entscheidung frieren oder fluchen, fiel bei mir zugunsten des Fluchens. Fluchen über eine Software namens Zwift. Denn auch nach vielen Jahren ist zwischen mir und Zwift immer noch keine gesunde Freundschaft entstanden. Das Verhältnis toxisch. Und das hat berechtigte, wenn auch subjektive Gründe.

Hirnloses Kurbeln.

Ich habe Betriebswirtschaft studiert. Im zweiten Abschnitt sogar Betriebsinformatik. Deshalb verstehe ich nichts von Bits und Bytes. Obwohl mir logisches Denken liegt und ich das “if then go to” Basic-Denken beherrsche, fühlt sich Zwift für mich niemals logisch an. Einmal so und dann wieder anders. Das Verhältnis w/kg zur gefahrenen Geschwindigkeit variiert. Je nach Laune einer willkürlichen Software. Ich weiß, ERG Modus, Windschatten, Gruppe, Gummiband, Kalibrierung … Am besten, man schaltet beim Zwiften das Hirn aus und kurbelt ohne zu denken. Irgendwas kommt am Ende bestimmt raus. Und die Hauptsache ist, man bewegt sich.

118 Watt, 127 Puls und 46 km/h Geschwindigkeit

Mathematisches Kurbeln.

Rechnen kann ich. Berechnen liegt mir aber weniger. Wenn Kraft nicht gleich Geschwindigkeit bedeutet, dann muss man das Vorankommen anders berechnen. Bei Zwift ist es so, dass die Frequenz entscheidet, wie schnell man fahren “darf”. Nicht zwingend die Kraft. Man muss also immer die richtige Balance zwischen Kraft (power) und Frequenz (spinning) finden. Verpasst man sie, fährt die Meute an dir vorbei und lässt dich im Nirwana stehen. Das Wechselspiel zwischen “reduce power” und “spin faster” ist ein Wechselspiel der Gefühle und eine mathematische Gleichung, dessen Lösung ich nicht gefunden habe. Denn wo liegt der logische Unterschied zwischen gemütlichen Dahinrollen und abgehängt werden, wenn alle in der Gruppe mit derselben Leistung (w/kg) fahren? Frage für einen Nicht-Mathematiker (und Nicht-Tech-Nerd).

Egomanes kurbeln

Hirnloses Kurbeln fällt am leichtesten, wenn man sich auf Zwift in einer Gruppe bewegt. Je größer die Gruppe, desto schneller ist sie. Das ergibt die Mathematik hinter der Software. Minuten, Kilometer und Leistung sind die Parameter, an denen man sich bei der Gruppenauswahl orientieren kann. Doch auch das sind stets Empfehlungen. Egomane Flyer sind die Realität. Und die armen Leader habe ihre Finger voll zu tun, Aufrufe zu tippen, vorne langsamer zu fahren. Flyer sind auf und davon. Egal ob mit Fence gefahren wird oder nicht. Wobei das Fence-Zapping genial ist. Wer weg will, kann weg und ist dann auch weg. Das ist gut für die Psyche.

Spielregeln bei Zwift
Spielregeln werden oft und gerne mißachet.

Zeitversetztes Kurbeln.

Bei Zwift hinkt alles ein wenig nach. Zeitversetzt bin aber nicht nur ich im Hinterherfahren, zeitversetzt ist auch die Reaktion der Software auf meine Beine. Was wieder mit dem mathematischen Kurbeln zu tun hat. Ich muss stets mitdenken. Oder allein fahren. Aber auch ich lerne. Langsam, aber stetig. So weiß ich, dass man am Ende einer Steigung, wenn man diese in einer Gruppe erreicht, die Frequenz nicht um einen Bruchteil einer Umdrehung reduzieren darf. Schnappatmung ja, Schnapptreten nein. Tut man dies doch, ist die Gruppe schneller weg, als man es für möglich hält. Nachkommen? Mathematisch gesehen keine Chance.

Group ride “blue zone” – einmal nicht aufgepasst und schon sieht man rot.

Blindes Kurbeln.

Augen zu und durch. Eine Devise fürs Leben. Umso mehr für Zwift. Die völlige intransparente Transparenz macht mich nervös. Weil niemand vor Zwift gleich ist. Watt pro Kilo sind nie Watt pro Kilo. Wenn mich ein Mitfahrender bei gleicher Leistung richtig verprügelt, dann kommen berechtigte Zweifel auf. Ich zweifle dann nicht zwingend an meiner Kondition und Kraft. Das auch. Eher zweifle ich an meinen mathematischen und logisch denkenden Fähigkeiten. Alpe du Zwift, Epic Kom samt Auffahrt zum Radio Tower sowie Ven-Top bringen mich jedes Mal zur Verzweiflung. Egal, wie sehr ich mich anstrenge, schwitze, kräftig oder schnell kurble. Es wird nicht besser, leichter und schneller. Und neben mir pfeifen sie mir nichts, dir nichts, mit weniger Leistung vorbei. Ich bin deshalb schon öfters frühzeitig abgestiegen. Draußen ist es zwar kalt, aber gerechter.

Sub2 Group ride ohne Leader. Mit 2,3 w/kg am Ende des Feldes. Nach 2 km.

Im Ernst. Zwift ist ok. Ziemlich ok. Und jede*r findet bei Zwift, das, was er/sie sich wünscht. Schönreden kann man sich alles. Und mit genügend Isogetränk auch schöntrinken.

#ktrchts

Rad fahren im Winter. Unmöglich möglich.

Rad fahren im Winter

Leise rieselt der Schnee. Nicht zu Weihnachten, aber doch noch mitten im Hochwinter. Im flachsten Teil der Alpenrepublik Österreich. Winterwonderland im Burgenland ist eine Seltenheit und ein wunderschönes Schauspiel, welches oft nur wenige Stunden dauert. Denn fallen endlich wieder einmal Schneeflocken vom Himmel und bleiben diese auch liegen, werden Straßen, Rad- und Gehwege sofort geräumt und gesalzen. Das Weiß wird schnell grau und braun. Die Fahrbahn wird rasch nass und dreckig. Rad fahren im Winter wird so in Windeseile unmöglich möglich.

Burgenlands Radwege im Winter
Burgenlands Radwege im Winter – Spielwiese für Quad-Fahrer?

Radweg oder Rad weg?

Vielleicht gibt es immer noch Menschen, die im Auto die Göttin der Fortbewegung sehen. Doch die Mobilität hat sich hierzulande verändert. Auch in der kalten Jahreszeit. Rad fahren im Winter ist nicht nur mehr Auserwählten (Spinnern) vorbehalten. Viele wollen Rad fahren, einige müssen. Egal ob jetzt als AlltagsradlerIn oder SportlerIn. Es ist aber nicht immer leicht. Ein gesundes Weiterkommen scheitert mancherorts an gesetzlichen Vorschriften, Überpflichten, aber auch an Versäumnissen. Nicht immer ist Gutes gemeint, auch Gutes gewollt. Es scheint, als gäbe es im Winter keinen Platz für RadfahrerInnen.

Geräumte Straßen oder Radwege müssen nicht zwangsläufig ein Vorteil sein. Auch nicht geräumte. Wenn beispielsweise ein Traktor, ein Auto oder auch ein paar lustige und gelangweilte Quad-Fahrer im frisch gefallenen Schnee tiefe Spuren hinterlassen. Abenteuerlust wird schnell zum Abenteuerfrust.

Andere Länder, andere Sitten.

Dass man in Sachen Schneeräumung nicht päpstlicher sein muss als der Papst, zeigen die Nordeuropäer. Sicher, anderes Klima, längere Kälteperioden … alles verständlich und nachvollziehbar. Andere Länder, andere Sitten. Dort wird genommen, was kommt. Kommt Schnee? Who cares?

Snowy day yesterday here in Oulu. I went to check how many people arrived by bicycle at this local Kastelli school & community center. Check it out 👇
#MeanwhileInOulu #Oulu 🇫🇮

As you can see, no one can use bicycles in winter 🤗

Oh, and the weather conditions yesterday: Snowy, windy, and about -12°C, down to -22°C with wind chill.

Originally tweeted by Pekka Tahkola 🇺🇦 (@pekkatahkola) on 14. December 2022.

Der Spagat zwischen Wunsch und Realität.

Der Fahrradmarkt boomt und der Anteil der RadfahrerInnen im Alltagsverkehr steigt. Trotzdem scheint das Auto immer noch privilegiert zu sein. Nicht nur im Winter. Stichwort Seitenabstand. 11 von 10 AutofahrerInnen halten sich nicht daran. Da hat die Frau Bundesministerin, Frau Gewessler noch viel Arbeit vor sich. Aber das ist ein anderes Thema. Als Radfahrer im Winter werde ich gezwungen, ein höheres Risiko in Kauf zu nehmen. Es wird mir weniger Platz gegeben. Platz, der mir ohnehin schon fehlt. Weil am Straßenrad der weggeräumte Schnee liegt und die Gratwanderung zwischen Leben und Spital dadurch risikoreicher wird.

Ich muss nicht Rad fahren? Stimmt. Aber das ist Doppelmoral. Soll ich mich nur dann umweltfreundlich fortbewegen, wenn es gerade passt und keine Autos benachteiligt werden? Tu felix Austria. Wie immer und überall.

Klimawandel als Problem und Lösung.

So sehr das große Ganze dramatische Ausmaße erreicht hat und womöglich den Plafond noch nicht erreicht hat. Mir kommt der Klimawandel entgegen. Die Tage des freiwilligen Verzichtes auf das Fahrrad werden immer weniger. Die äußerlichen Bedingungen immer besser. Der letzte Wintereinbrauch im Burgenland hat nach exakt zwei Tagen seine Gefährlichkeit bereits wieder verloren. So ein Spuk dauert nicht lange. Genauso wie mein Frust, beim winterlichen Radfahren von Wasser, Salz, Match, Dreck, Schmutz, Traktorspuren, Quad-Rillen, Autofahrern und Schneehaufen gestört worden zu sein.

#ktrchts

Welcher Festive500 Typ bist du?

Festive500 Typ

Alle Jahre nicht schon wieder. Die Festive500 stehen vor der Tür. Und jeder weiß ganz genau, was das bedeutet. 500 Kilometer radeln. Zwischen Weihnachten und Neujahr, Vanillekipferln und Karpfen, Schweinsbraten und Tiramisu, Familie und Verwandte. Dazu kommt noch das Radeln gegen den Wind und gegen das Wetter, bei Schnee und Eis, bei Tag und bei Nacht. 500 Kilometer in 8 Tagen sind nur 62,5 Kilometer pro Tag. Nicht viel, aber zu viel für die Zeit, die eigentlich die stillste im Jahr sein sollte. Diese Challenge hat‘s in sich und ist auch für dich die Möglichkeit, dir selbst am Ende des Jahres eine besondere EGO-Krone aufzusetzen. Bist du dabei? Wenn ja, hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, welcher Festive500 Typ du eigentlich bist? Vielleicht findest du dich irgendwo wieder.

Draußen oder drinnen?

Der Streber. Die Streberin.

Dieser Typ RadfahrerIn hat sich in den letzten Jahren stark evolviert und ist auch dank der Challenge über sich hinausgewachsen. Diese Typen fackeln nicht lange herum und setzen der Festive500 ihren eigenen Stempel auf. Ihr Credo lautet – nonstop oder gar nicht. Der Streber und die Streberin brauchen also nur einen Tag, die Challenge erfolgreich abzuschließen. Krank, aber geil.

Der Mimimi. Die Mimimi.

Ich weiß nicht. Zu kalt. Zu wenig Zeit. Viel zu gefährlich. Die Familie ist wichtiger. Ich brauche das nicht. Es gibt keine Ausrede, die dem Minimis zu blöd ist. Sie sind zwar dabei, scheitern aber meistens an sich selbst. Am Ende stehen vielleicht 100, 200, 250 oder auch 300 Kilometer zu Buche. Kilometer, mit denen sie dann versuchen, doch und dank der Ausreden ein bisschen vom magischen Festive500 Helden- und Heldinnenstatus abzubekommen.

Mimimi by sweets.ch

Der Noch-Denker. Die Noch-Denkerin.

Diese Typen denken von Anfang an, dass sie noch so und so viele Kilometer zu strampeln haben und dass noch so und so viele Tage zur Verfügung stehen. Noch 500 Kilometer und noch 8 Tage sind der Anfang und jeder Kilometer und Tag bringt sie näher an das Ziel heran. Was sich mit noch 500 und wenig später mit noch 499 Kilometern frustrierend anfühlt, wird von Kilometer zu Kilometer besser. Was sich mit noch 8 Tage freudig anhört, lässt hingegen mit noch 7, 6 … hingegen immer mehr Stress aufkommen. Noch-Denker und Noch-Denkerinnen sind gefangen im Zwiespalt zwischen Erreichtem und Verbleibenden. Ihr Problem? Noch wenig erreicht und noch weniger Tage Zeit.

Die Schon-Denker. Die Schon-Denkerinnen.

Schon-Denker und Schon-Denkerinnen sind das Gegenteil der Noch-Denkenden. Ihr Dilemma und die Zwiespalt liegt genau andersrum. Sie zählen, was sie schon erreicht haben und wie viele Tage schon vergangen sind. Das ist praktisch, wenn man fleißig und konsequent war. Ihr Problem? Schon zu wenig erreicht und schon zu viele Tage vergangen.

Der Buchhalter. Die Buchalterin.

Die Buchhalter haben einen genauen Plan. Für sie sind die 8 Tage penibelst verplant. Das Zeitkontingent ist straff reglementiert. Die einzelnen Tages-Einheiten zwischen Elternbesuch, Kinderdienst, Verwandtentratsch und beruflicher Karriereleiter hineingequetscht. Wiederholungstäterinnen planen dabei genug Puffer ein. Mann und Frau weiß ja nie.

Hilfsmittel der BuchhalterInnen

Der Indorianer. Die Indorianerin.

IndorianerInnen gehen auf Nummer sicher und stellen sich der Festive500-Challenge selbstbewusst und unerschrocken einfach nur Indoor. Sicher ist sicher. Flexibilität und Wetterunabhängigkeit sowie ein gewisses Maß an situationselastischem Zeitmanagement sind die stichhaltigen Werte dieses Festive500 Typ. IndorianerInnen sind nicht selten auch NetflixianerInnen. Am Ende der Festive500 haben sie nicht nur 500 Kilometer am Konto, sondern auch die neuesten Serien intus.

Der Polarisierende. Die Polarisierende.

Im Gegensatz zu den IndorianerInnen gehen die Polarisierenden nach draußen. Für sie ist das Hier und Jetzt in freien Natur. Ausschließlich in freier Natur. Je kälter und winterlicher, desto besser. Ihr Ziel ist die Glorifizierung (und die Eismumifizierung) ihrer Outdooraktivität. Besonders im alpinen Raum und in der nördlichen Hemisphäre sind die Polarisierenden gegenwärtig. Denn jeder kann bei Plusgraden und Sonne Rad fahren gehen. An dieser Stelle schöne Grüße an alle, die sich auf der südlichen Halbkugel oder in wärmeren Gefilde befinden.

Der Spätzünder. Die Spätzünderin.

Die Spätzünder und die Spätzünderin tun alles, probieren alles und versuchen alles. In letzter Instanz. Ihr Weg ist das Ziel. Sie verkörpern eine situationsbedingte Mischung aus allen Typologien. Sie beißen und verbeißen sich am Ende der Challenge, um doch noch zu reüssieren. Aus Ihnen hat sich möglicherweise der Typus Streber entwickelt. Aus einer Not heraus. Ihre Motivation? Erst. Erst eine geringe Anzahl an Kilometer und schon viele Tage vergangen. Mit der logischen Konsequenz einer kilometerweiten Glanzleistung.

Welcher Festive500 Typ bist du jetzt? Schreibe es gerne in die Kommentare. Auf alle Fälle gutes Gelingen, frohe Festtage und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

ktrchts
#machurlaubfahrrennrad

Istria300 – oder die Angst vor sich selbst.

Istria300

Was Mütter sagen, hat immer Hand und Fuß. Manchmal dauert es Jahre, bis man das versteht. Am Start der Istria300 ist mir das so richtig bewusst geworden. Die Worte meiner Mama, dass man im Leben immer ganz genau wissen soll, wo man hingehört, haben um Punkt 7 Uhr des 8. Oktobers 2022 den Lügentest bravourös bestanden. Ich weiß jetzt, dass ich im ersten Startblock eines Radmarathons, nur knapp hinter dem Führungsfahrzeug, nichts, aber schon gar nichts verloren hatte. Die feinen Vorteile dieses Daseins verflogen rasch nach der Aufhebung der Neutralisierung. War es bis dahin ein halbwegs gesittetes Dahinrollen mit der Meute, die sich unaufhaltsam von hinten herangeschlichen hatte, blieb danach nur mehr die Flucht nach ganz rechts. Um nicht gleichzeitig überrollt, überfahren und überfordert zu werden. Mehr als 300 Watt ab Kilometer drei sind für ein Unterfangen, welches bis zu 12 Stunden dauern sollte, einfach nicht ratsam.

Meer, Sonnenuntergang, Trüffel und Burek.

Istrien, Poreč, Sonnenuntergang, Meer, Trüffel, Burek … eigentlich reicht das aus, um sich immer wieder hier her zu verirren. Besitzt man eine Yacht (eine wirklich große Yacht), dann ist das Ankern im Hafen sowieso ein Muss. Nennt man aber ein Rennrad sein Eigen, dann ist die Teilnahme an Istria300 die Kür einer langen Radsaison. Heuer fand dieses einzigartige Event zum zweiten Mal statt. Bei besten Bedingungen. Und dieses Mal ohne Bora. 155, 230 oder 300 Kilometer über knapp 2.000, 3.600 oder 5.400 Höhenmeter. Mittendrin statt nur daheim, wie sollte es anders sein, meine Wenigkeit. Unentschlossen von Anfang an, die abschließende Krönung zu beantragen. Um es gleich vorwegzunehmen: Wieder nur die 230 Kilometer solide beendet. Gescheitert an der Altersvernunft. Die Komfortzone ist schon etwas Schönes.

Die Teilnahme an Istria300 ist unbedingt mit einem Kurzurlaub zu verbinden. Auch weil die Partnerhotels von Valamar (Hauptgeldgeber der Veranstaltung) mit einer Mindestaufenthaltsdauer von drei Nächten samt Rabattcode locken. Eine durchdachte Strategie. Als Touristiker ziehe ich meinen Hut. Ein paar Tage in Poreč sind kurzweilig. Die Touren rund um die Hafenstadt vielfältig und empfehlenswert. Nicht umsonst, war Poreč lange Zeit auch Brennpunkt vergangener Rennradreisen.

Österreich Enklave Istrien.

Geschichtlich betrachtet war Istrien einmal Teil der Kaisertums Österreich. Danach wechselten die Herrschaften. Noch heute findet man in Istrien zum Beispiel Spuren italienischer Vergangenheit. Neben den sowieso anzutreffenden Urlaubern aus Deutschland, sind es aber immer noch die ÖsterreicherInnen, die Istrien fest in der Hand haben. Das fängt bei der Istria300 Organisation an und findet in der Zweidrittelmehrheit der TeilnehmerInnen seine Bestätigung. Neben “dobro”, “hvala”, “molim” oder wahlweise “dobro jutro”, “doberdan” bzw. “dobra večer“, kann ungeniert Deutsch gesprochen werden. Auch weil, sich die schlauen Einheimischen, insbesondere KellnerInnen, Bar- und RestaurantbesitzerInnen, den zahlenden deutschsprachigen Touristen gut angepasst haben. Mit zynischem und lakonischem “Servas” oder “Pfiat di” werden den Urlaubern Heimatgefühle vorgegaukelt. Eine Art Koratien-Saga.

Eines ist in Istrien noch (ab 1. Jänner 2023 wird diese Herausforderung wegfallen) wichtiger als die Bereitschaft sich genussvoll zu quälen. Nämlich das Rechnen. Trotz der Tatsache, dass Kroatien bei der EU ist und trotz der Tatsache, dass sämtliche Reiseführer behaupten, in Istrien würde der Euro als Zahlungsmittel gelten, wird dieser kaum bis gar nicht akzeptiert. Kuna über alles. Die Suche nach einem fixen Wechselkurs kann man sich sparen. Und bei jeder Behebung am Bankomat, werden 3 – 5 Euro Gebühren und Spesen eingehoben. Das lässt die guten alten Zeiten des Geldwechselns zu Hause bei der Hausbank (wer hat denn noch eine?) vermissen.

300 Kilometer sind lang. Ziemlich lang.

300 Kilometer sind lang. Ziemlich lang. Dieses Ziel gleich zu Beginn der Istria300 aufs Spiel zu setzen, war nicht Teil meiner Rennstrategie. Diese lautete (ohne wirklich daran zu glauben), vor 1230 Uhr in Pazin zu sein, um dann heroisch auf die lange Strecke abzubiegen. So musste (und wollte) ich die Schmach des sich Durchreichen lassen widerwillig und stoisch, aber besonnen auf mich ergehen lassen. Hunderte hechelten an mir vorbei. Niemand wollte meinen komfortablen Windschatten. Noch. Mein Einzelzeitfahren füllte ich mit Foto- und Filmaufnahmen.

Über Rennstrategien könnte man sowieso einen eigenen Beitrag schreiben. Einen, der tief in die Psyche einiger durchdringen müsste. Nicht jener, die vorne weg sind. Die wollen das und können das. Es sind vielmehr andere, die mich beschäftigen. 300 Kilometer sind lang. Auch 230 Kilometer sind es. Warum also, Kraft und Energie gleich zu Beginn zu vergeuden? Genau dieser Frage würde ich gerne nachgehen.

Europameister und Paris Roubaix Sieger.

Wir kennen es alles. Das Bild von Sonny Colbrelli nachdem er 2021 die Schlammschlacht Paris Roubaix gewonnen hatte. Im selben Jahr wurde Sonny UCI Europameister. Bei der Vuelta erlitt er dann einen Herzstillstand. Heute lebt er mit einem Defibrillator im Körper. Ob er je wieder Rennen fahren wird, weiß niemand. Er auch nicht. Mit ihm eine Runde drehen zu können und Trüffel-Tagliatelle zu essen, war deshalb etwas ganz Besonderes. Der Typ ist einzigartig. Seine neue Lebenseinstellung vorbildlich. Seine Kraft nach wie vor unglaublich. Ihm zuzusehen, wie kompakt er am Rad sitzt oder einfach nur steht – wie aus dem Lehrbuch. Grazie Sonny.

Ride your Limits.

Das Interessante an Istria300 ist die Tatsache, dass trotz der vielen Höhenmeter eine ganz andere Durchschnittsgeschwindigkeit gefahren werden kann. Und muss. Will man die Zeitlimits schaffen. Weil es keine langen Auffahrten gibt und die Höhenmeter bei ständigem auf und ab über die Distanz verteilt aufs Konto gutgeschrieben werden. Das ist im Vergleich zu einem Ötztaler Radmarathon nicht minder anstrengend, es fühlt sich aber anders an. Drücker sind im Vorteil und Schwergewichte wie ich können sich da und dort gut über die Hügel schwindeln.

Die fehlende Bora (einmal reicht) und die Streckenkenntnis haben dazu geführt, dass auch ich das erste Zeitlimit mit weniger Bauchschmerzen erreichen und passieren konnte. Auch danach war es solides Dahinrollen. Trotz einiger Streckenänderungen wie die Durchfahrt bei Labin und eine Rampe am Weg nach Pazin. Pazin, das ich genau um 1220 Uhr erreichen konnte. Trotzdem ließ ich mich verleiten, nach links auf die 230 Strecke abzubiegen. Noch heute ärgert mich das. Ich habe mich vor mir selbst angeschissen und das Finish einem möglichen Sterben vorgezogen. Dass man im Alter vernünftiger wird, ist kein Vorteil. Plan B also. Damit war die Kraft frei für die letzten ca. 85 km.

Ohne wenn, aber mit viel aber.

Ab Pazin ging also die Post ab und ich spendete genügend Windschatten. Auch für jene, die anfangs keinen wollten und sich entlang der Strecke hinter mich gesellten. Mir gefiel die Rolle des Gejagten. Ein paar Versuche in der Führungsarbeit abgelöst zu werden (auf dem Weg zur goldenen Ananas) scheiterten an der kollektiven Arbeitsverweigerung der restlichen Gruppe. Es blieb mir also keine andere Wahl, als bei der nächsten besten Gelegenheit die Flucht nach vorne zu ergreifen und fast solo das Ziel zu erreichen.

Am Ende blieben viele Fragen offen. Ohne wenn, aber mit viel aber. Was wäre gewesen, wenn ich die 300 Kilometer gefahren wäre? Bin ich nicht. Aber einige, mit denen ich bis Pazin unterwegs war und mindestens so gelitten hatten wie ich, haben es geschafft, in 10, 11 und unter 12 Stunden ihre Grenzen zu überwinden. Was wäre gewesen, wenn ich mit ihnen gefahren wäre? Bin ich nicht. Altersbedingte Vernunft ist keine Tugend im Rennradsport.

Istria300 ist und bleibt ein Abenteuer. Für Solisten mit starkem Charakter oder Gruppen mit Gemeinschaftsgefühl. Für sich fahren und da und dort Verbündete zu suchen kann helfen. Nur so überlebt man den Kurzurlaub in Poreč samt Radmarathon, bei dem einzig und allein der Wille zählt, die magischen 300 Kilometer in 12 Stunden zu knacken. Wir sehen uns hoffentlich wieder am 7. Oktober 2023. Mit altersbedingter Unvernunft.

#ktrchts