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Social Ultracycling – Pannonia 400

Social Ultracyling

In the books. Erledigt. Geschafft. Abgehakt. Überlebt. Mission accomplished. Die Bucket List ist um eine Schnapsidee ärmer. Ich habe es getan, wir haben es getan. Meine Idee, den längsten Tag im Jahr mit der (bisher) längsten Ausfahrt des Jahres zu zelebrieren, wurde umgesetzt. Eine Tradition wiederbelebt. 200 Kilometer sind schnell einmal gefahren. 300 Kilometer am Stück mittlerweile auch. 400 Kilometer hingegen sind eine magische Zahl, die bisher nur Randoneurs und verrückte #festive500 FahrerInnen in der Nonstop-Version sowie Ultracycling-Freaks regelmäßig übertreffen. 400 Kilometer en suite sind eine Ansage. Ein Türöffner in eine andere Welt. Die Welt des Ultracycling. Mit #pannonia400 wurde diese Tür geöffnet und das erste Social Ultracycling Event ins Leben gerufen.

Ein langer Tag schreit nach einer langen Ausfahrt.

Der 21. Juni ist bei uns der längste Tag im Jahr. Es ist dann rund um Wien mehr als 16 Stunden hell. Die perfekte Gelegenheit, diesen Umstand zu nutzen, sehr lange am Rad zu sitzen, ohne im Dunkeln herumgurken zu müssen. Wie schon vor Corona (!). Damals ging es von Wien nach Linz und wieder retour. Flach und schnell. Diesmal musst das Burgenland als Kulisse dienen. Die Streckenplanung war nicht schwer. Ich brauchte nur „Rund ums Burgenland“ kürzen. Fertig. Von Eisenstadt nach Eisenstadt. Über die Ausläufer der Buckeligen Welt, dem höchsten „Pass“ Burgenlands, einem kleinen Abstecher nach Ungarn (und Niederösterreich) und durch die Tiefen des Seewinkels (pannonische Tiefebene).

Vorbei an den burgenländischen Weinbaugebieten wie dem typischen Uhudler im Südburgeland, dem Blaufränkisch im Mittelburgenland und den Neusiedler DAC, Ruster Ausbruch DAC oder Leithaberg DAC im Nordburgenland. Für Wein hatten wir aber keine Zeit. So wie wir keine Zeit hatten für andere Sehenswürdigkeiten. Unser Blick galt der Uhr und dem Himmel. Dann das beste Wetter hatte ich mir für dieses Social Ultracycling Abenteuer leider nicht ausgesucht.

Social Ultracycling rund ums Brugenland

Teamarbeit ist Dreamarbeit.

Fahren. Die Strategie hieß einfach nur fahren. Dauere, was es wolle. Aus der Morgendämmerung heraus in die Abenddämmerung hinein. Keine besondere Strategie, aber alles andere hätte nur Stress bedeutet. Natürlich war ich mit Licht ausgestattet und mein Rennrad teilweise noch RACA-tauglich beklebt. Sicherheit geht immer vor. Was auch für die Mitfahrenden gelten musste. Mitfahrende, die bunt zusammengewürfelt waren und dem Aufruf via Social Media sowie durch persönliches Zurufen zusammengekommen sind. Insgesamt acht haben die 400er-Marke geknackt. Davon 2 Damen. Conny, eine Rookie (längste Ausfahrt bisher 200 Kilometer und seit erst einem Jahr am Rennrad) und Pia, eine Veteranin – zigfach Brevet-erfahren und Finisherin bei Paris-Brest-Paris. Bei den Männern „on stage“ Patrick, RAN-Finisher, Stefan (Wiederholungstäter) sowie Wolfgang, Heinz und Roman bei ihrer Premiere über diese Distanz. Unterstützt wurden wir von weiteren fünf Fahrern, die mitgefahren, später eingestiegen und früher ausgestiegen sind. Ihnen gilt auch der Dank für den einen und anderen Windschatten-Kilometer.

Insgesamt waren vier Pausen eingeplant – am Ende waren es sechs. Eine unfreiwillige wegen es Defektes (Platten) und eine notwendige wegen Flüssigkeitsmangel gesellten sich dazu. Supermarkt nach Kilometer 113 in Stegersbach und nach Kilometer 196 in Lockenhaus, eine dringend benötigte ungarische Bäckerei nach Kilometer 260 in Fertöd, eine kurz vor Ladenschluss überfallsartig geplünderte Bäckerei in Nickelsdorf und die lebensrettende AGIP Tankstelle in Bruck an der Leitha. Gegessen haben wir durch und durch ungesundes Glumpert mit viel Zucker. Getrunken haben wir nicht viel Besseres und Gesünderes. Am Ende standen wir alle mit einem Wasserbauch da. Seitliche Aufnahmen wurden kurzerhand verboten. Social Ultracycling dient auch dazu, sich anderen anzupassen und über die eigenen Gewohnheiten und Besonderheiten in der Ernährung hinwegzusehen. Kleiner Tipp: Salametti mit einem Salzstangerl wirken Kraft-Wunder. BiFis auch.

Beobachten, plaudern, zuhören. Das ist auch Radfahren.

Über 14 Stunden am Rad sitzen und über 17 Stunden zusammen sein. Da lernt man sich und seine Grenzen kennen. Aber auch die Mitfahrenden. Man beobachtet, man plaudert, man hört zu und man stellt Fragen. Gruppenfahren ist Gruppendynamik. Das macht es schwierig und interessant gleichzeitig. Wer, was, wie, wann und wo? Darüber habe ich schon einmal ein paar Zeilen geschrieben. Interessant, dass sich einiges wiedergefunden und bewahrheitet hat. Damit wäre dieses Thema erledigt. Es gibt Rennradfahrende, die gerne in der Gruppe fahren (und den Schutz sowie die Motivation der Gruppe brauchen) und es gibt Rennradfahrende, die in der Gruppe auch gerne allein fahren.

Die moderne Technik spielt dabei auch seine Rolle. Sie hilft und schadet manchmal gleichzeitig. Ohne Track fährt heutzutage kaum jemand los. Auch in Gruppenausfahrten „will“ der Track als Unterstützung geladen sein. Das ist als Guide gut, denn man kann sich dann hinterm Feld mit anderen Dingen beschäftigen. Fotografieren, ausruhen oder pinkeln. Ohne dass dabei die Gruppe von der Strecke abweicht. Wenn da nicht jene wären, die ohne Track ausreißen oder sich mit Track verfahren. Solange alle wieder auf die richtige Spur kommen, soll das alles kein Problem sein (und vor allem keine Polemik erzeugen). Auch finden Ausreißer ohne Track die angepeilte Nahrungsaufnahmestelle, weil Hunger und Durst beste Navigationshilfen sind.

Ultracycling Learnings.

Akkustand-Check: Es ist wenig hilfreich, wenn man (ich) den Garmin Edge vorsichtshalber die ganze Nacht an die Stromversorgung anschließt, um kurz vor der Abfahrt um 4 Uhr feststellt, dass der Akkustand bei 27 % liegt. Not macht erfinderisch. Ich wollte immer schon die Powerbank testen. Also, Lenkertasche rauf, 900 Gramm schwere Powerbank rein, oldschool Garminhalterung auf den Vorbau und Gerät anschließen. Nach drei Stunden Fahrzeit hatte ich 100 % Akkustand, das Garmin-Gerät wieder aerodynamisch vor dem Vorbau platziert und die ganze weitere Tour kein Stromproblem mehr. 25 % waren im 5 Jahre alten Edge 1030 am Ende noch vorhanden. Ich hätte noch weiterfahren sollen. Ohne Powerbank wäre sich das also nicht ausgegangen.

Gummibärchen: Neben BiFi sind Gummibärchen „Best of Junkfood“. Ich hatte die vegane Version von Katjes mit dabei. Traumhaft.

Schulmäuse: Auf meiner Bestenliste auch Schulmäsue. Flaumig zartes Hefeteiggebäck gefüllt mit cremiger Nuss-Nougat-Füllung. Dazu ein Cappuccino. Weckt den Pogačar in dir.

Flüssigwachs: Diesmal habe ich wieder Flüssigwachs verwendet. Das hat sich ausgezahlt. Die Kette lief nach 400 Kilometern, reichlich Wasser von oben und von unten, Staub und Dreck immer noch lautlos und geschmeidig.

Radhose: Das Beste ist mir gut genug. Aber was ist das Beste? Ich behaupte einmal, meine Radhose war es. Keine Probleme, kein Rutschen, kein Scheuern, kein Schaum (Achtung Insider). Den ganzen Tag lang ein schmerzfreier Übergang zwischen trocken, nass und verschwitzt. Übrigens trage ich bei den Hosen Größe S. Vielleicht sitzt sie deswegen so gut.

Kopfsache: Es war nicht mein erster 400er. Aber für einige war es eine Premiere. Ich konnte mir schon ausrechnen, was auf mich zukommen hätte können. Wie das die anderen gemacht haben? Ich würde es gerne wissen. Die Gruppendynamik allein kann es nicht gewesen sein.

Packen: Probieren geht über Studieren und Fluchen. Patrick und Conny waren bestens ausgestattet und hätten wohl mehrere Tage unterwegs sein können. Weil sie die Gelegenheit beim Schopf gepackt haben und sich auf Größeres einstimmen wollten. 2 x Licht vorne, 1 x Arschrakete hinten, 2 x Flasche hinten (an der Arschrakete stylisch und aerodynamisch befestigt), 1 x Warnweste … 13,5 kg schwer war Patricks Tarmac S-Works mit Felgenbremsen!

Pannonia 400 ein Klassiker?

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Ultracycling Events. Self-supported oder supported. Man kann es sich aussuchen. Was es noch nicht gibt, sind Social Ultracycling Events, bei denen man „schnuppern“ kann. Pannonia400 wäre in Zukunft eine ideale Gelegenheit dazu. 400 Kilometer im Schutz und im Windschatten einer Gruppe. Jährlich um die Sommersonnenwende. Am längsten Tag im Jahr, die längste Ausfahrt im Jahr. Außer man ist ein Freak, ein Randoneur, ein „male“ oder „female“ Ultracyclist.

Termin 2025: 14. Juni – Start ist um 4 Uhr vor dem Schloss Esterhazy in Eisenstadt (Burgenland). Informationen über Übernachtungsmöglichkeiten blog@dieketterechts.com. Ansonsten einfach hinkommen.

Mehr Rennradabenteuer gibt es hier.

#ktrchts
Cristian

PS: Ich brauche mehr Mitgefühl: Ich muss mich besser abgrenzen. Und lernen, die Geräusche der anderer Fahrräder auszublenden. Speziell dann, wenn im Wiegetritt ein spanisches Kastagnetten-Konzert die Ruhe und Idylle störte. Es war nicht mein Rennesel. Es hat aber trotzdem wehgetan.

Dolomites Escape 2024

Dolomites Escape

Wir haben es wieder getan und die wunderbaren Dolomiten als Rennradurlaubs-Reiseziel besucht. Wie schon die Jahre zuvor. Dolomites Escape 2024 hat uns richtig gutgetan. Sechs wundervolle Tage, sechs wundervolle geführte Touren und mit dem Sellaronda Bikeday ein krönender Abschluss. Inmitten der imposanten Felswände eines einst prähistorischen Korallenmeers. Kaum zu glauben. Die Dolomiten sind und bleiben die Dolomiten. Speziell Anfang Juni. Wenige Tage, nachdem sich der Winter auf den Pässen noch einmal breit gemacht hatte. Mittendrin im auslaufenden Winterschlaf. Kurz vor der Sommersaison. Urlaub machen und Rennrad fahren.

Rennradurlaub in den Dolomiten.

Pedalo per le Dolomiti.

Die Dolomiten sind ein Wirrwarr an Straßen und Anstiegen, die einen entführen und verführen. Die Herausforderungen sind Asphaltschlangen, die sich über Kuppen und Hänge winden und dem Himmel immer näher kommen. Immer wieder streifen sie schroffe Wände aus Dolomitgestein. Auf und ab. Vorbei an ruhenden Liftanlagen, geschichtsträchtigen Schauplätzen und einladenden Hütten im Wechselbad der Jahreszeiten. Unten im Tal der Frühling. Oben am Berg die letzten Spuren eines schneereichen Winters. Mittendrin statt nur daheim meine Gäste. Ihnen habe ich meine alte Heimat gezeigt. Knapp 500 Kilometer und 11.500 Höhenmeter davon sind jetzt bleibende Erinnerungen. „Pedalo per le Dolomiti“ (ich radle durch die Dolomiten) ist als Auftrag erfüllt. Wir hatten Spass, haben die eigenen Grenzen verschoben, ausgezeichnet gegessen und uns auch ohne Rennrad gut verstanden und unterhalten. Dolomites Escape 2024 war unser Ausbruch vom Alltag.

Die Schönheit der Differenz.

Jede Rennradreise ist für mich wie ein Blind-Date. Ich kenne bis zu Ankunft nur die Namen der Gäste. Mehr nicht. Ausnahme WiederholungstäterInnen. Dann gesellen sich die Gesichter dazu. Der erste Eindruck. Von Tag zu Tag kommen interessante Charakterzüge hinzu. Der Mensch hinter dem Namen und unter Helm tritt in den Vordergrund. Interessante Geschichten kommen an die Oberfläche. Dunkle Seiten werden hell. Rollen werden besetzt. Je bunter und gemischter die TeilnehmerInnen, desto spannender die Ausfahrten und natürlich auch die Abende. Die Schönheit der Differenz ist die reichste Facette eines jeden Rennradurlaubes. Paul Watzlawicks „Man kann nicht nicht kommunizieren“ bringt es auf den Punkt. Auch wer nichts sagt, gibt einiges preis. Stille Wasser sind tief und Hunde, die bellen, beißen nicht. Phrasen, die wie Phrasen klingen, aber Wahrheiten untermauern.

Nach einer Woche bleibt einiges zurück und vieles hängen. Das meiste sind persönliche Eigenheiten, die viel über die betroffene Person aussagen und sie charakterisiert. Oft, und zum Glück, passiert vieles unerwartet und mir bleibt die Rolle des Beobachters im Logenplatz erste Reihe fußfrei. Urlaub machen und Rennrad fahren. Das ist Prime-Time Kinoerlebnis rund um die Uhr.

Rennrad fahren in den Dolomiten

Routine, aber selten Langweile.

Die Woche war kurz und strukturiert, aber nie langweilig. Vieles wiederholte sich, aber nichts wirkte langweilig. Essen, schlafen, guiden, Rad putzen. Endlosschleife. Ich brauche schon längst kein Navigationsgerät mehr. 10 Kilometer rauf, 10 Kilometer hinunter, dazwischen vielleicht eine flache Passage. Vielleicht. Summiert ergab es pro Tag zwischen 70 und 100 Kilometer. Je nach Motivation, Wetter und psychologischer Finesse. Auch wenn manche Gemüter nahe an der Selbstaufgabe standen. Hinaufgebracht habe ich sie alle. Und gesund nach Hause auch. Fast hätte es jedoch mich selbst erwischt. Sportwagenfahrer (hier wird absichtlich auf das Gendern verzichtet) kennen kein Erbarmen, wenn es um den Schutz ihres Heiligtums geht. Lieber ein Rennradfahrer im Graben als der eigene geliebte und geleaste Porsche am Kühlergrill eines LKW. Es fehlten nur wenige Zentimeter. Weil ich es kommen sah, konnte ich noch so viel bremsen, um den Rausschmiss in die Botanik zu vermeiden.

Das Drehbuch einer Rennradwoche schreibt immer die Gruppe selbst. Regie führt dabei nicht immer der Zufall, sondern auch der Moment. Beim diesjährigen Dolomites Escape war es die morgendliche Menüauswahl für den Abend. Das Hotel lud nämlich Tag für Tag zu einem Pingpong Spiel zwischen vegetarisch und nicht-vegetarisch ein. Wir sollten uns je Gang für eine dieser Speisen entscheiden. Das haben wir auch mittels Strichsetzung getan. Leider konnten sich einige (wenige) am selben Abend nicht mehr so richtig an ihre Auswahl erinnern. Vielleicht war es Vergesslichkeit, vielleicht aber auch die nicht selten bessere Optik der „anderen“ Wahl. Die Tage darauf gab es für die Küche die gewohnte Strichliste und zur Beweisführung und Erinnerungshilfe eine Namensliste. Was liegt, das pickt.

Alles, was mit Fahrrad zu tun hat.

Alles, was mit Fahrrand zu tun hat, war am letzten Akt beim Sellaronda Bike Day auf den Beinen. Nein, auf zwei und mehr Rädern. Die für den Autoverkehr gesperrten Pässe rund um das Sellamassiv haben bis zu 18.000 gezählte (geschätzte) RadfahrerInnen angelockt. Selbstverständlich haben wir uns dieses Spektakel nicht entgehen lassen. Corvara – Grödnerjoch – Sellajoch – Pordoijoch – Passo Campolongo – Corvara. In etwa 10 Kilometer hinauf, 10 Kilometer hinunter. Dazwischen nichts Flaches. Mehr als nur diszipliniert. Bis auf die Staus an den Pässen und den Abzweigungen. Ganz ehrlich, Tierherden sind oft besser organisiert. Oder intelligenter.

Ein Tag lang (oder zumindest ein paar Stunden lang) ohne absichtliche Fehlzündungen. Man hörte nur Herzklopfen und den Freilauf. Den einen und anderen quasselnden Italiener natürlich auch. Was ich sonst noch gesehen habe? Ein Herr war mit einem Stepper-Rad unterwegs, eine Dame hatte ihren Hund in einer Holzkiste mit, Handbiker waren auch dabei, wie auch ein E-Lastenfahrrad samt Passagier sowie eine Ausnahme auf einem Triathlonrad. Es war ein Fest und auch ein starkes Zeichen. Der nächste Sellaronda Bikeday findet übrigens am 7. September 2024 statt.

Urlaub machen. Rennrad fahren.

Wir kommen wieder. Ich komme wieder. Dolomites Escape 2025 findet vom 1. bis 8. Juni statt. Lust mitzufahren?

#ktrchts
PS: Weitere Möglichkeiten Urlaub zu machen und Rennrad zu fahren gibt es hier. Individuelle Rennradwochen auf Anfrage.

RACA 1000 DNS. Do nothing stupid.

RACA 1000

Eigentlich. Ganz genau. Eigentlich. Eigentlich sollten man Sätze streichen, die mit „eigentlich“ beginnen. Ich tue es nicht. Denn das, was ich jetzt schreibe, liegt mir am Herzen. Die Tatsache, dass ich bei der Premiere des Race Across Austria (RACA 1000) nicht am Start war, schmerzt immer noch. Obwohl ich ganz schön froh darüber bin. Paradox, oder? Ein bisschen mehr als zwei Wochen sind vergangen, und ich bin immer noch innerlich zerrissen. Mein DNS tut weh. Das Gefühl feig gewesen zu sein lässt mich nicht los. Gleichzeitig ist mein DNS auch das Ergebnis einer Vernunft, die ich so nicht kannte. „Did not started“ vs „Do nothing stupid“. Ziemlich gut kann ich mich noch an die Stunden erinnern, die ich benötigt habe, mich zu entscheiden. Noch nie habe ich so viele Wetter-Apps gleichzeitig konsultiert und noch nie habe ich mit einer Entscheidung so gerungen. Das Bild, ich am Küchenboden liegend und apathisch an die Decke schauend, während die Zeit vergeht und das Wetter nicht besser wird, habe zum Glück nur ich im Kopf.

Race Across Austria
Es wäre angerichtet gewesen.

Zwischen können, wollen und sollen.

Ich wollte unbedingt. Bin Nächte lang die Route im Kopf gefahren. Habe mir Strategien ausgedacht. Immer wieder und immer wieder aufs Neue. Irgendwie aber immer mit gezogener Handbremse. „Dolomites Escape“ unmittelbar nach dem RACA 1000 hat mich unbewusst und doch merklich gebremst. Wie sollte ich nach so einem Rennen eine Woche lang eine Gruppe RennradfahrerInnen durch die Dolomiten guiden? Als Rennradguide trage ich Verantwortung und meine Gäste haben das Recht auf einen fitten und aktiven Guide.

Ja, ich wollte. Hoffte lange auf gutes Wetter, um das Race Across Austria gemütlich anzugehen. Samstagmittag wollte ich in Feldkirch sein. Unmittelbar nach Zielschluss meine Siebensachen (Dropbags) einsammeln, um den schon reservierten Zug nach Wien zu erwischen. Irgendwann in der Nacht wäre ich zu Hause angekommen. Sachen waschen und am nächsten Tag hätte (hätte Fahrradkette!) ich in die Dolomiten fahren wollen. Das wären 1 1/2 Tage Regeneration gewesen. Ein guter Plan, oder?

Race Across Austria Wintereinbruch
© wienverkehr

Doch die Wetterprognosen wurden von Tag zu Tag nicht besser. Speziell der Donnerstag, der Freitag und der Samstag sollten im Westen einen merklichen Temperatursturz, Dauerregen und sogar Schnee über 1600 Metern bringen. Prognose, die sich bewahrheitet hatte. Nur ein paar wenige (die Schnellsten, jene, die die die 1.000 Kilometer und 16.000 Höhenmetern unter 48 Stunden (!) bewältigen konnten) blieben etwas verschont. Der Rest? Bilder sagen mehr als tausend Worte. Chapeau an dieser Stelle an alle RACA 1000 und RACA 500 TeilnehmerInnen. Alle, ohne Ausnahme. Jene, die das Ziel gesehen haben und jene, die irgendwo auf der Strecke genug bekommen haben. Das waren gut die Hälfte im RACA 1000 Solo-Bewerb!

DNS statt DNF – der Logistik zuliebe.

Ich wollte wirklich. Auch nachdem ich entschlossen hatte, das einfachste aller Exit-Szenarien zu wählen. DNS statt DNF. Somit waren keine Dropbags von mir irgendwo zwischen Nickelsdorf, Irdning, Kötschach, Mutters und Feldkirch unterwegs. Ich hätte auch nicht von irgendwo zurückmüssen und ich hätte dann alles bei mir, was ich für die Dolomiten gebraucht hätte. Saubere und trockene Wäsche, ein funktionstüchtiges Fahrrad und eine gute Gesundheit. So geil die Idee der Dropbags auch war – bei diesen Konditionen hat und hätte sie mich logistisch überfordert. Während ich über einen Start grübelte, habe ich die drei Dropbags mindestens 10 Mal neu bepackt. Inklusive uralter Löffler GORE-TEX Hosen und Jacke. Zwei Utensilien, die mir wohl das Leben gerettet hätten. Neoprenhandschuhe von Endura habe ich mir dann auch noch am Weg zur Startnummerabholung gekauft. Am Ende stand ich mit einer 7 kg Mitgift für das Rad da. Weitere Tonnen Wechselgewand in den Dropbags.

Somit bleiben viele Fragen offen. Auch jene Frage, wie das die anderen gemacht haben. Was hatten sie mit? Wo haben sie was platziert? Und wie kann man bei so einem Wetter noch Rennrad fahren?

Welche Lehren können gezogen werden?

Da ich nicht am Start war, kann ich für zukünftige Selfsupported Ultrachallenges keine Lehren ziehen. Höchsten in der Terminplanung und im Packen. Die Terminplanung RACA 1000 und Dolomites Escape war dilettantisch, grottenschlecht. Mein Packverhalten ebenso. Verzicht ist wohl der Schlüssel. Nicht Komfort. Aber wie soll ich das lernen? Soll ich bei dem bleiben, was ich glaube zu können? Bikepacking im Urlaubsmodus. Ein bisschen Radfahren und die Nacht gemütlich im Hotelzimmer verbringen. Oder will ich die Komfortzone verlassen? Einen Plan hätte (habe) ich nämlich. Das Race Across Austria Solo zu nachzuholen. An den Originalschauplätzen und entlang der Originalstrecke. Bei besserem Wetter. Vielleicht während der ersten großen Hitzewelle, die bis dato noch ausgeblieben ist und die vieles (alles) erleichtern würde. Einen Termin dazu habe ich schon. Aber wie heißt es schön (Achtung Wiederholung): „Hätte, hätte, Fahrradkette …“ Notiz am Rande: Solange die Kette rechts ist, gibt es keinen Grund zur Panik.

#ktrchts

Race Across Austria.

Race Across Austria

In genau 3 Wochen werde ich seit drei Stunden unterwegs und voll im Abenteuer Race Across Austria eingetaucht sein. Ob ich nervös bin. Nein. Weil ich wie immer total unvorbereitet bin. Ich weiß nur, dass es ein langer Weg sein wird. Von Nickelsdorf nach Feldkirch. 1.000 Kilometer und 15.000 Höhenmeter. Ich weiß noch nicht, mit welchem Rad ich fahren werde, wie lange ich fahren werde, wo ich stoppen werde, was ich mitnehmen werde, welches Licht ich fahren werde, ob ich überhaupt in der Nacht fahren werde. Beste Voraussetzungen, oder? Ich lasse es auf mich zukommen. Ob das eine gute Idee ist und war, wird sich am Samstag, 1. Juni 2024 erweisen. Ich habe nämlich mein Zugticket zurück nach Wien schon gebucht. Denn am 2. Juni geht es für eine Woche zum Urlaub machen und Rennrad fahren in die Dolomiten.

Race Across Austria - die Strecke

Ultracycling Halbwissenerfahrung.

Ein bisschen Ultracycling-Erfahrung habe ich ja bisher gesammelt. Race Around Austria im 4er Team oder die unsupported Umrundungen der 9 Bundesländer (Burgenland, Wien, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Niederösterreich, Kärnten, Steiermark und Oberösterreich) in Österreich. Alles wohl nicht vergleichbar mit dem, was das Race Across Austria zu bieten hat. Die Zahlen sollten mich vielleicht doch etwas nervös machen. 1.000 Kilometer, 15.000 Höhenmeter (12 Pässe) in 112 Stunden. Zwischen Start und Ziel liegen 4 Nächte. Ja. Nächte. Das sind diese dunklen, kalten und einsamen Tageszeiten. Wäre eventuell gut zu wissen, wo ich zu diesen unmöglichen Zeiten sein werde. Am liebsten wäre mir, ich wäre in der Nacht im Bett. Gut zugedeckt mit einer Wärme schenkenden Daunendecke. Tief schlafend und träumend. Da ich aber keine Ahnung (und keinen Plan) habe, kann ich mir gegenwärtig auch nichts ausrechnen. Und eines ist sicher: Mit spekulativem Halbwissen komme ich nicht weit.

Bikepacking Across Austria

Ich weiß, dass ich eigentlich nichts über Ultracycling weiß.

Eines ist fix. Ich werde sicher nicht durchfahren. Dafür bin ich zu alt und zu sozialisiert. Außerdem wüsste ich nicht, wie ich das mit dem Equipment, welches ich aktuell habe, bewerkstelligen sollte. Ich habe ein Vorderlicht, welches mir 4 Stunden Helligkeit schenken kann. Die Nächte dauern Ende Mai laut Reglement aber 10 Stunden. Ich bräuchte also viele „Powerbänke“. Diese sind unter 500 Gramm schwer zu finden (falls wer einen Tipp haben sollte, her damit. Nehme ich dankend an). Unterwegs laden? Wo, wie lange? Auch mein veraltetes Garmin 1030 Gerät hält nicht mehr länger als 16 Stunden. Strom! Ich brauche unerwegs viel Strom. Und Ultra-Fast-Charging-Know-how. Gibt es das?

Man sieht schon, dass ich eigentlich nichts über Ultracycling weiß. Obwohl ich einiges da und dort schon gelesen oder angehört haben könnte. Näher beschäftigt habe ich mich damit leider nicht.

Von Basecamp zu Basecamp.

Ich muss und werde improvisieren. Altbekanntes (und für mich Altbewährtes) mit Neumen kombinieren. Also doch ein Plan? Es ist mehr eine Idee, das Abenteuer Race Across Austria zu überleben. Und rechtzeitig beim Zug zu sein. Von Basecamp zu Basecamp wird der Titel meiner Reise durch Österreich sein. Denn die von der Organisation bereitgestellten Basecamps wollen meine Rettung sein. Insgesamt stehen drei Basecamps bereit. Irding, Kötschach und Mutters. Dazwischen viel Tag, hoffentlich wenig Nacht, viele Kilometer und je näher ich dem Ziel sein werde bedauerlicherweise auch viele Höhenmeter. Von Nickelsdorf nach Irding sind es laut Roadbook 294 Kilometer und 2.170 Höhenmeter. Von Irding nach Kötschach 224 Kilometer und 3.780 Höhenmeter. Von Kötschach nach Mutters 327 Kilometer und 5.480 Höhenmeter (!!!!) und von Mutters nach Feldkirch 207 Kilometer und 4890 Höhenmeter. Grund, nervös zu werden? Definitiv ja.

Und in den Basecamps selbst? Umziehen, Duschen, Power-Nappen und Geräte laden. Ja, wenn ich rechtzeitig dort ankommen werde. Gut, dass man drei 20L DropBags hinterlegen kann und diese in den Basecamps zur Verfügung haben wird. Man müsste jetzt nur noch wissen, was in so ein DropBag hineinkommen soll. Nicht nur. Welche DropBag wird letztendlich wo hingeschickt? Ich glaube, ich brauche neben dem Überlebensplan auch einen ordentlich ausgeklügelten Packplan.

Race Across the Limit

Race Across the Limits.

In genau 3 Wochen werde ich jetzt schon ein paar Stunden mehr im Sattel gesessen sein. Und ich werde schnell gemerkt haben, dass „Unplanung“ die schlechteste Option gewesen ist. Theoretisch fühlt sich alles irgendwie machbar an. Praktisch sind noch viel zu viele Fragen offen. Wie wird eigentlich das Wetter? Darf ich nächtens über den Großglockner? Warum plötzlich das Hahntennjoch, der Hochtannbergpass und Fontanella Faschina statt Silvretta Hochalpenstraße? Welches Fahrrad soll ich nehmen? Rennrad, Gravel, Carbon oder Holz? Wo bekomme ich noch auf die schnell ein ultrastarkes und ultraleichtes Licht her? Wie kann ich noch ein paar Kilos abnehmen, ohne Substanz zu verlieren?

Und warum tue ich mir das überhaupt an?

#ktrchts

PS. Eine Frage hätte ich noch. Warum sind die DropBags erst am Samstag, 1. Juni 2024 ab 12 Uhr zum Abholen bereit? Was, wenn ich wider Willen früher finishen sollte?

Le Grand Depart – Die Tour de France im Giro-Land.

Le Grand Depart

Das ist wie Weihnachten und Ostern gleichzeitig. Dazu noch Geburtstag und sämtliche Jubiläen zusammen. Die Tour de France 2024 startet in Italien. Genauer gesagt am 29. Juni 2024 in Florenz. Das drittgrößte Sportereignis nach Superbowl, und Fußball-WM kommt ins Giro Land und wird Millionen von Zuschauern am Bildschirm und auf den Straßen fesseln. Le Grand Depart – drei Regionen sind bereit, die Rennradgladiatoren zu empfangen. Drei Tage und drei Etappen lang. Firenze – Rimini, Cesenatico – Bologna und Piacenza – Torino. Über Straßen, die vielen Rennradurlaubern bekannt sind und die schon früh das Renngeschehen beeinflussen können.

Visit Emilia Romagna.

Alles begann 2020, als die Emilia Romagna in nur wenigen Wochen eine Ersatz-Straßen-WM auf die Beine gestellt hatte. Hier wurde der organisatorische Grundstein gelegt. Die Amaury Sport Organisation (ASO) war begeistert davon, was hier in kurzer Zeit organisiert wurde. Im Land des beherrschten Chaos. Danach waren Politik und einflussreiche Gremien am Werk. Der Rest dann nur mehr eine Frage des Geldes. Jetzt ist fast alles bereit für ein Spektakel, das nicht nur Radsport bieten wird, sondern auch die kulturellen und kulinarischen Highlights in den Vordergrund stellen wird. Die ganze Radsportwelt wird ihre Blicke auf die Emilia Romagna (Toskana und Piemont) richten. Hotspots wie Barbotto, San Leo, San Marino, aber auch Rimini und Cesenatico erwarten den Ansturm begeisterter Italien- und RennradliebhaberInnen.

Le Grand Depart ist die einmalige Möglichkeit, Meereslaub und Rennradsport zu verbinden. Einen Vorgeschmack konnte ich bei der Pressereise in Zuge der Granfondo Via del Sale am eigenen Leib und mit meinen eigenen Sinnesorganen erleben. Dass die Emilia Romagna nicht nur fürs Radfahren bekannt ist, das brauchte mir aber niemand zu sagen. Das weiß ich, seit ich hier jedes Jahr mit Gästen zum Rennradurlaub anreise.

Die Vorzüge der Emilia Romagna.

Das Essen, die Menschen, die Möglichkeiten. Die Geschichte des Landes, die Kultur und die Landschaft. Ganz egal ob entlang der Küste oder im Landesinneren. Mit dem Rennrad, Gravelbike aber auch mit den E-Bikes. Über 9.000 Kilometer verkehrsarmer Straßen stehen zur Auswahl und zur Verfügung. Highlights wie die Nove Colli rund um Cesenatico, die Panoramica zwischen Gabbice Mare und Pesaro oder der Cippo di Carpegna (Passo Pantan) zählen zu den bekanntesten Routen für Rennradfahrerinnen. Auch wenn die Via Romagna mit ihren 460 Kilometern Schotter- und Asphaltnebenstraßen in der Beliebtheit stark aufholt. Als Mehrtagestour mit Sicherheit ein spannendes Abenteuer.

Hinzu kommt, dass die Emilia Romagna auch bequem mit dem Zug erreichbar ist. Mit Rad. Die wichtigsten Verbindungen erreichen Bologna von Norden oder Westen und Osten. Danach geht’s bequem weiter in (fast) alle Richtungen. Cesenatico Riccione, Cesena, Forli, Faenza … liegen alle am Gleis.

Für alle Nicht-RadfahrerInnen.

Es ist schwer, für alle Nicht-RadfahrerInnen ein geeignetes Programm zu erstellen. Weil die meisten nicht so viel Zeit haben, alles zu sehen. Es gibt in der Emilia Romagna viel Historie. In Savignano hat Julius Cäsar beispielsweise den Rubicone überquert und einen Bürgerkrieg ausgelöst. Mit den berühmt gewordenen Worten „Alea iacta est“. Die Repubblica di San Marino besticht durch ihre Mächtigkeit, hoch oben auf einem Felsen, mit perfekter Rundumsicht. Ravenna, die Stadt der Mosaike, Cervia mit den klassischen Salinen, Bologna die Hauptstadt, bekannt durch die „tortellini in brodo“ oder die „Tante Ceccarelli“ von Wanda (nicht nur). Aber auch die Altstadt von Rimini, mit der Tiberius-Brücke, oder der Porto Canale von Cesenatico bei Sonnenuntergang (hier hatte Leonardo da Vinci seine Finger im Spiel) sind sehenswert.

Oder einfach nur am Strand liegen. Aber auch in den verschiedenen „Borghi“ lässt es sich leben und man kann dort die Dolce Vita genießen. Ein Aperitif in Santarcangelo di Romagna? Ein Stadtbummel durch Cesena? Wie wäre es mit einem Besuch der Formel 1 Strecke in Imola oder eine Begegnung mit Valentino Rossi in Tavullia? Auf alle Fälle lohnt sich auch ein Besuch in der Piadina Experience in Riccione und im Spazie Pantani in Cesenatico.

Non solo bici.

Mehrmals hatte ich schon das Vergnügen, die Vorzüge der Emilia Romagna in vollen Zügen zu genießen. Nicht nur als Austria Bike Guide, sondern auch als Gast und Entdecker. Deswegen geht’s im Herbst wieder dorthin. Vom 19. Oktober bis 2. November 2024. Und wenn’s wird wie die letzten Jahre, dann lohnt es sich, die Badehose einzupacken.

#ktrchts

Hier noch ein paar wichtige Links:

Hotels: www.terrabici.com
Le Grand Depart/Tour de France: www.letouritalia.it
Zugverbindungen: www.trenitalia.it
Rennradurlaub Herbst 2024: www.machurlaubfahrrennrad.com




Granfondo Via del Sale.

Granfondo Via del Sale

Eigentlich wollte ich kein Radrennen fahren. Schon gar keine Granfondo. Ich weiß nämlich, wie ItalienerInnen Radrennen fahren. Sie fahren Radrennen. Vom ersten Zentimeter weg. Eine Gewissheit, die sich mehr als nur bestätigt hat. Schon an der Startlinie wurde ich im Stand von mehr als 20 Menschen überrollt, auf den ersten zwei Kilometern dann von mindestens weitere 1000 RadrennfahrerInnen überholt. Ganz ohne Übertreibung. Auch deshalb, weil ich als eingeladener Medienvertreter und Touristiker (ja, das gibt es) aus der allerersten Startreihe starten durfte. Die Granfondo Via del Sale hat mir einiges aufgezeigt. Ich kann Rennrad fahren, aber ich kann nicht Radrennen fahren.

Gib mir eine Startnummer und ich zeige dir, wer ich bin.

Startnummern beflügeln. Sie machen ein paar Watt aus. Sie pushen. Mit mehr als 40 km/h bin ich auf den ersten Kilometern ganz rechts ein einsames Einzelzeitfahren gefahren. Lasst mich in Ruhe, war meine Devise. Während links die Meute aufgereiht in Einserreihe an mir vorbeigerauscht ist. Eine unendliche Karawane. Gesplittet in Gruppen. Keine Chance, Anschluss zu finden und Anschluss zu halten. Männer, Frauen, Ältere, Jüngere … ItalienerInnen drücken, drücken, drücken. Nach kurzer Zeit liegen schon die ersten Flaschen am Boden. Flaschen, die der eine und andere mit dem Fuß einfach an den Straßenrand schießt. Kurz ausklicken, nach hinten schauen, Tritt – Gefahr gebannt. Bitte zu Hause nicht nachmachen.

145 Kilometer und 1800 Höhenmeter ist die Granfondo Via del Sale lang. Zu lang für dieses Tempo. Ich war ohne Pulsuhr und Wattmesser unterwegs. Hatte mich für das Leihrad entschieden. Cannondale Supersix Evo SE. Mit 32 mm dicken Reifen. Ein Traum. Speziell für dieses Rennen, wo ich kaum Zeit hatte auf die Straße zu schauen. Forlimpopoli, Bertinoro, Fratta Terme …, im Vergleich zum Rest der Fahrrerinnen bewegte ich mich wie eine als Radtourist verkleidete Schnecke.

Endlich Berg. Endlich überholen.

Dass ich kein ausgesprochener Bergfahrer bin, ist kein Geheimnis und lässt sich auch nicht leugnen. Als ich beim ersten richtigen Anstieg angefangen hatte, andere zu überholen, dachte ich mir zuerst, im falschen Film zu sein. Der Auffahrt auf den Monte Cavallo fühlte sich wie ein Triumphzug an. Eine Wiedergutmachung mit großem Ritzel. Videobeweise vorhanden. Plötzlich Radrennfahrer? Leider nein. Wunder gibt es nicht. Kaum wurde es zweistellig, hatte ich Stress, nicht vom Rad zu fallen. Ich hatte in der Schule zwar keinen Physikunterricht, weiß aber, dass wenn sich Masse am Berg zu langsam nach vorne bewegt, diese dann dank Eigengewicht nach hinten, nach links oder nach rechts fällt.

Dafür hat die Masse bergab den Vorteil, sich selbst zu beschleunigen. Die Abfahrt nach Borello war eine gute Gelegenheit, mich etwas zu erholen. Vorbei am ersten Krankenwagen und blutüberströmten Radfahrer. Ein Bild, das mich prägte und den Schalter auf Vernunft stellte. Nichts mehr riskieren.

Granfondo Via de Sale Cervia
©Sportograf

Über kurz oder lang – Radrennen fahren ist hart.

In Borello gab es die Möglichkeit, von „lungo“ auf „medio“ zu wechseln. 104 statt 145 Kilometer. Ich bog, ohne nur einen Augenblick zu zögern nach rechts ab. Lungo, verstand sich von selbst. Es waren noch 80 Kilometer bis zur Erlösung. Ab auf den Colle del Barbotto. Über den von mir noch nie gefahrenen Anstieg über Santa Maria Riopetra. Wunderschöne Straße, bester Asphalt und gemein steil. Das hatte ich jetzt davon. Das war aber nicht alles. Auch die Weiterfahrt über Montegelli war fies und gemein. Bergab ist dieser Streckenabschnitt nicht so anstrengend. Am Berg quatschende ItalienerInnen, die sich dies und das von der Seele erzählten. Als ginge es hier flach dahin, statt steil bergauf. Mit meiner Übersetzung (SRAM Rival eTap AXS 46/33 und 10/36) konnte ich gut kurbeln, kam aber trotzdem nicht vom Fleck. Jeder Versuch in den Wiegetritt zu gehen, fand mit einem Cut am Knie sein Ende. Ich hatte für meinen Geschmack einen zu kurzen Vorbau – trotz 56er-Rahmenhöhe.

Endlich Barbotto und endlich Ristoro. War die Verpflegung am Monte Cavallo mehr eine Diätkur, hoffte ich hier auf typisch italienische Sonderkost für Naschkatzen. Die Kost war besonders, aber leider nicht für Naschkatzen. Bananen, Äpfel, Marmeladenbrote, Cola und Wasser. Nicht berauschend, aber besser als gar nichts. Denn gar nichts hatte ich mitgenommen.

Fertig ist erst, wenn du fertig bist.

Ein kleines Kind hätte jetzt die Eltern gefragt, wie lange es noch bis zu Ankunft sei. Genau das habe ich getan. Es war aber mein Garmingerät, welches mir die Antwort gegeben hat. Noch über 60 Kilometer – inklusive zwei böser Anstiege. Formignano und Lizzano.

Bevor ich aber dort zu leiden hatte, musste noch die „Valle del Savio“ talauswärts gerollt werden. Wobei Rollen hier nicht das beschreibt, was auf der Strecke abgegangen ist. Es war wieder dieses typische „Hilfe, ich verliere den Anschluss“. Weil wieder geballert wurde. Jeder gegen jeden – kannte ich bis jetzt nur von Zwift.

Dann waren sie da. Die zwei kleinen und unscheinbaren Hügel. Wie eine Mauer ragten Sie jeweils von der Hauptstraße in den Himmel. Zickzack fahren war angesagt. Kurbelumdrehung für Kurbelumdrehung. Ich musste alles im Sitzen fahren. Mein Rücken hat immer noch eine posttraumatische Belastungsstörung. In guter alter „kommt Zeit, kommt Gipfel“ Manier schaffte ich beide Gipfel. Gipfel, die jeweils mit einem weiteren Labe bestückt waren. Auf der letzten gab es diesmal Nutellabrote. Bei mehr als 30 Grad in der Sonne, eine Sauerei, die über meine Finger, meinen Lenker bis auf die Schuhe geflossen ist.

Ende gut, alles halb so schlimm.

Das Ende der Granfondo Via del Sale war nur noch 40 Kilometer weit entfernt. 40 Kilometer, die ich endlich so fahren konnte, wie ich es mir vorgestellt hatte. Im Windschatten einiger, die noch genug Energie hatten, das Tempo so hochzuhalten, dass immer mehr aus der Gruppe flogen. Ich war mittendrin, statt ganz allein. Wir saugten uns an immer mehr vor uns Fahrenden an, schluckten und überholten sie. Die Gruppe wurde immer größer. Ich wusste es. Ich bin nicht schnell, aber schnell bringt man mich auch nicht um. So erreichte ich nach über 5 Stunden Fahrzeit das Ziel am Lungomare in Cervia. Ende gut, alles halb so schlimm. Denn in der offiziellen Gesamtwertung scheine ich nicht auf. Ich musste ohne Chip starten. Den hatte ich nicht bekommen. Mein ärztliches Attest wurde nicht als „agonistico“ akzeptiert.

Ich wollte kein Radrennen fahren. Bin also auch kein Radrennen gefahren. Zumindest offiziell. Es war ein sauschneller Sonntags-Gruppen-Dropride. Mit viel Lehrgeld und der Bestätigung, dass ich kein Radrennfahrer bin. Dafür fehlt mit der letzte Wille, der letzte Biss, der Mut, die Risikobereitschaft und vor allem das gezielte Training. Und wie Coach-Mario predigen würde: die Regenerationszeit.

#ktrchts

Italien und die Tour de France 2024.

Italien und die Tour de France.

Die Regionen Toskana, Emilia-Romagna und Piemont heißen den Grand Départ (la grande partenza) der Tour de France willkommen, die vom 29. Juni bis 1. Juli 2024 von Florenz nach Rimini, dann vom Cesenatico nach Bologna und tags darauf von Piacenza nach Turin. Zum Schluss verlässt die Tour de France am 2. Juli 2024 Italien von Pinerolo aus.

Das Jahr 2024 verspricht ein außergewöhnliches Jahr für den Radsport in Italien zu werden. Das Land bereitet sich darauf vor, bedeutende Veranstaltungen und Initiativen für den Radsport zu veranstalten, darunter eben auch den Start der Tour de France, die erstmal in Italien zu Gast ist. Durch die Tour de France erhofft man sich in den betreffenden Regionen einen bedeutenden Aufschwung des Radtourismus und eine einhergehende Verbesserung der Infrastruktur, die jetzt schon laufend erneuert wird.

Was sich so alles tut und tun wird, können Radfahrerinnen auf der Fahrrad-Tourismusmesse in Bologna vom 5. bis 7. April erleben. Die Toskana, die Emilia-Romagna und der Piemont werden sich von hier zeigen und präsentieren. Die Tour de France wird auf internationaler Bühne die Scheinwerfer auf die Schönheiten Italiens werfen. Gebiete und Regionen, die mit dem Fahrrad entdeckt werden wollen. Hier sind einige Vorschläge:

Rennradfahren in der Toskana.

Am 29. Juni startet die Tour de France in Florenz, der Stadt der Kunst, Literatur und Architektur, mit einer Etappe von 205 Kilometern, die in Rimini enden wird. Von Florenz aus wird das Peloton die malerischen Straßen des toskanisch-romagnolischen Apennins durchqueren und die Strände der Adria erreichen. Eine Etappe, die Gino Bartali Tribut zollt.

Die Toskana begeistert Fahrradtourismus-Enthusiasten mit fünfzehn touristischen Gebieten. Jedes Gebiet bietet Rennrad-, Gravel- und E-Bike-Touren sowie zahlreiche Radwege für jeden Schwierigkeitsgrad. Der Grand Départ der Tour in Florenz ist eine einmalige Gelegenheit sich mit dieser Region auseinanderzusetzen. Eine Radtour von Florenz nach Siena zum Beispiel, oder die Chianti-Tour, die Puccini-Radroute, dem Terre di Pisa-Radweg oder den Vie di Dante im Mugello, um nur einige zu nennen. Die Puccini-Radroute, eine der originellsten Routen in der Region, verbindet das Serchiotal, die Heimat der Familie von Giacomo Puccini, mit Versilia, wo er aufgewachsen ist. Entlang der Strecke können Sie dank der QR-Code-Beschilderung die Symphonien des Musikers hören.

Mehr Informationen gibt es hier.

Rennradfahren in der Emilia-Romagna.

Die zweite Etappe startet am 30. Juni in Cesenatico und endet in Bologna. Von der Küstenstadt, in der Marco Pantani lebte und nun in Frieden ruht, führt die Tour durch weitläufige Ebenen, bevor sie einige der markantesten Anstiege der Region in Angriff nimmt.

Die Emilia-Romagna ist nicht nur das Land großer Radsportlegenden, sondern auch eine Vorzeigeregion, was das Radfahren betrifft. In vielerlei Hinsicht. Mit fast 9.000 Kilometern Radwegen (auch unbefestigt zum Graveln), bietet die Region für jeden Geschmack etwas: die Ciclovia del Sole zwischen Mirandola und Bologna; die Food Valley Bike zwischen Parma und Busseto; die Ciclovie dei Parchi in den Parks und Naturreservaten der Emilia Romagna; und die Via Romagna, die durch Kunststädte, historische Dörfer und die natürliche Schönheit der Romagna führt.

Alles über die Emilia Romagna gibt es hier.

Rennradfahren im Piemont.

Am 1. Juli führt die dritte Etappe der Tour durch die Hügel des Tortonese von der Emilia-Romagna in den Piemont. Von Piacenza nach Turin im Gedenken an den großen Fausto Coppi. Sie führt durch die malerischen Weinbaulandschaften von Langhe, Roero und Monferrato, allesamt ein UNESCO-Weltkulturerbe, sowie einige Abschnitte, die bereits von Frühjahrsklassiker Mailand-San Remo bekannt sind.

Am folgenden Tag, dem 2. Juli, wird Piemont erneut Schauplatz der Tour de France sein, mit dem Start der 4. Etappe in Pinerolo; der gesamte Tross bricht zu einer bergigen Etappe nach Frankreich auf, über die Hügel von Sestriere, Monginevro, Galibier bis zum Ziel in Valloire.

Das Piemont ist eine der Regionen mit einigen der schönsten Anstiege im Land, die die Radsportgeschichte geprägt haben, wie die Hügel von Terre del Monviso, die Italien mit Frankreich verbinden. Aber es geht nicht nur um den . Pinerolo selbst ist ein ausgezeichnetes Ziel für familienfreundliche Fahrradtouren mit über 750 km Radwegen, die Täler, Hügel und Berge überqueren und sich mit dem Po-Radweg entlang der Moncalieri-Saluzzo-Achse und der Radroute Turin durch das Gebiet Airasca-Stupinigi verbinden. Darüber hinaus wurden dank des Upslowtour-Projekts der Unione Montana del Pinerolese nur wenige Kilometer von Turin entfernt 15 Schleifen mit unterschiedlichen technischen Merkmalen für Mountainbike- oder E-Bike-Fahrten markiert.

Piemont ist auch von einem regionalen Fahrradnetz durchzogen und einige der wichtigsten touristischen Radwege ermöglichen es RadfahrInnen, die Gegend zu erkunden und ihre natürliche Schönheit, Kultur und Traditionen zu entdecken. Von den Hügeln des unteren Piemonts über die Fahrradreisfelder der Region Vercelli oder die Oase Zegna in der Region Biella bis hin zu den Routen zwischen Turin und Cuneo entlang des Verlaufs des Maira-Flusses sind einige Routen auch ideal für diejenigen, die einen Radurlaub planen und die reiche regionale Küche und Weine genießen möchten.

Informationen gibt es hier.

Fahrrad-Tourismusmesse in Bologna.

Ganz im Zeichen des Fahrrad-Tourismus findet am Freitag, dem 5. April im Rahmen der Fahrrad-Tourismusmesse in Bologna, das Fahrrad-Tourismusforum statt. Dieses Event bietet der Fahrrad-Tourismus-Branche eine perfekte Plattform. Es gibt Platz für Aussteller, Workshops und Schulungen für Touristiker und natürlich auch Sehenswertes und Informatives für alle, die das Fahrrad als Business sehen.

Mehr als 80 Destinationen, Betreiber und Hersteller aus Italien und aus der ganzen Welt haben bereits ihre Teilnahme an der nächsten Ausgabe der Fahrrad-Tourismusmesse bestätigt, wie Spanien, Türkei, Slowenien, Kroatien, Belgien, Sizilien, Venetien, Basilikata, Toskana, Apulien, Abruzzen, Piemont und Friaul-Julisch Venetien und viele andere Ziele, die sich auf den Aktivtourismus konzentriert haben. Ebenfalls bestätigt sind Fahrrad- und Service-Marken wie Shimano, Canyon, Ducati, Gazelle, Bergamont, BRN, Repower und andere.

Die Teilnahme an der Messe ist für Touristiker und Aussteller kostenlos, nach Anmeldung unter  www.fieradelcicloturismo.it

ktrchts

PS: Dieser Beitrag wird für die Organisatoren der Fahrradtourismusmesse in Bologna kostenlos veröffentlicht.

Austria Giro 2024

Austria Giro 2024

Mit dem Rennrad Österreich durchqueren. Fünf atemberaubende Etappen zwischen Vorarlberg, dem höchsten Berg Österreichs und dem Süden des Landes. In etwa 650 Kilometer und ungefähr 11.500 Höhenmeter. Das ist der Austria Giro 2024. Ein gemeinsamer Rennradurlaub quer durch Österreich mit sportlichem Charakter. Vom 3. bis 9. August 2024. Ein Begleitbus unterstützt die Teilnehmer*innen bequem von Tag zu Tag und kümmert sich um den Gepäcktransport oder um die müden Beine bis zum Etappenzielort. Am nächsten Tag geht’s dann wieder los. Auf dem Weg warten das Furkajoch, der Hochtannbergpass, der Flexenpass, die Silvretta Hochalpenstraße, das Kühtai, der Kerschbaumer Sattel und ihre Majestät der Großglockner. Ein episches Abenteuer im Land der Berge, im Land am Strome, im Land der Äcker, im Land der Dome.

Urlaub machen und Rennrad fahren.

Ein traumhafter Rennradurlaub braucht einen würdigen Rahmen. Beim Austria Giro 2024 bietet Österreich diesen Rahmen. Vom Bregenzerwald bis fast an die Adria (!). Alles dabei, was Österreich an Monumenten und Pässe zu bieten hat. 650 kurzweilige Kilometer so aufgeteilt, dass diese in der Gruppe gut machbar sind und die müden Beine dazwischen in ausgesuchten Explorer-Hotels bis zum nächsten Tag wieder ruhen können.

Gestartet wird am 4. August 2024 von Feldkirch aus. Hier treffen sich alle TeilnehmerInnen bereits einen Tag zuvor. Der erste Tag hat es gleich in sich und bietet mit Furkajoch, Hochtannbergpass und Flexenpass drei feine Anstiege. Der Tag schließt mit einer rasanten Abfahret durch das Klostertal ab, bevor es leicht ansteigend das Montafon taleinwärts geht. Mit 138 Kilometern ist diese Etappe relativ kurz, dafür werden die 3.000 Höhenmeter gekratzt. Mit frischen Beinen, sicher kein Problem. Das 4-Gang Abend-Menü wird die Energiespeicher wieder füllen.

Fünf Tage, fünf Touren, fünf Abenteuer.

Auch Tag zwei bietet wenig Zeit, sich aufzuwärmen. Die Bieler Höhe (Silvretta Hochalpenstraße) ruft gleich zu Beginn und ist man einmal oben, hat man das Gros der Höhenmeter hinter sich. Zumindest für den heutigen Tag. Über Galtür, Ischgl und Kappl geht es auf der Originalstrecke des Arlberg Giro rasant Richtung Landeck. Von hier aus nur mehr „Rollen“ bis Haiming und bis zum Etappenzielort in Umhausen. Wer am Eingang ins Ötztale nicht genug haben sollte, der kann über den Haiminger Berg, das Sattele und den Ochsengarten einen kleinen Umweg in Kauf nehmen und die Sauna, die Infrarotkabine oder das Dampfbad im Hotel etwas später genießen. „Nur“ 100 Kilometer und 1.800 Höhenmeter für den Plan A. Plan B hat gute 1.000 Höhenmeter mehr zu bieten.

Tag drei folgt dem Ötztaler Radmarathon und nimmt gleich zu Beginn das Kühtai mit. Die Abfahrt nach Sellrain bietet dann die Möglichkeit, sich etwas auszuruhen. In Innsbruck wartet ein Gruppenfoto unter dem Goldenen Dachl. Das Inntal und das Zillertal sind dann keine großen Hindernisse mehr und nach 115 Kilometern mit 1.200 Höhemeter können die Beine wieder hochgelagert werden. Wer noch will, kann sich im Fitnessraum auspowern.

Am vierten Tag ist ein „Underdog“ das Highlight des Tages. Der kaum bekannte Kerschbaumer Sattel (1.111 m.ü.A) ist die einzige Hürde am Weg nach St. Johann in Tirol. 561 Höhenmeter auf gut 6 Kilometern sind zu bewältigen. Danach geht’s über Wörgl, dem Brixental nach Kitzbühel. Je nach Wetter kann hier gemütlich Kaffee und Kuchen genossen werden oder das Kitzbüheler Horn erklommen werden. Der kürzeste Tag der Tour ist mit 82 Kilometern und 1.210 Höhenmeter eher ein Ruhetag vor dem großen Showdown.

Wie Profil fühlen, wie UrlauberInnen Rennrad fahren.

Das Beste kommt zum Schluss. Auch das Höchste. Mit dem Fuschertörl und dem Hochtor auf 2.504 m.ü.A erreicht der Austria Giro 2024 hier seinen Höhepunkt. Die 5. Etappe beginnen wir mit einem Zug- oder Bustransfer nach Zell am See. Um die Tageskilometer etwas zu reduzieren. Am letzten Tag müssen wir früh aus dem Bett, um auf der Großglockner Hochalpenstraße den Hauptverkehr zu vermeiden. Insgesamt warten auf 162 Kilometern noch einmal 3.000 Höhenmeter über das Dach der Tour, durch das Mölltal, entlang des Millstätter Sees hinauf nach Bad Kleinkirchheim. Hier Ende die Tour mit einem letzten gemeinsamen Essen. Und wer weiß, mit einer lauten Explorer Hotel Party.

Der Abreisetag tags darauf besteht dann noch aus einem Bustransfer entweder nach Villach (Hauptbahnhof) oder zurück nach Feldkirch.

Der Austria Giro 2024 ist die Gelegenheit, sich wie ein Profi bei einer Grand Tour zu fühlen. Ganz ohne Zeitstress. Gemeinsam wegfahren und gemeinsam ankommen. Ich freue mich, euch persönlich auf der Tour zu begleiten.

Zur Anmeldung gehts hier. Wir sehen uns.

Cristian für #ktrchts

Der My Esel E-Gravel im Test.

My Esel E-Graval im Test

Es gibt wohl viele Kriterien, nach denen beurteilt werden kann, ob die Ergebnisse eines Biketests ehrlich zustande gekommen sind und wie effektiv dabei getestet worden ist. Eines dieser Kriterien ist der Zustand des Fahrrads selbst. Erkennt man nach dem Test die Farbe des Rades nicht mehr und wiegt es mehr als vor dem Test, dann wurde ganze (Offroad) Arbeit geleistet. Braucht man dann auch noch einen ganzen Nachmittag, um die Spuren zu beseitigen, dann kann der Test nur ein voller Erfolg gewesen sein. So gesehen darf ich mir in aller Bescheidenheit auf die Schulter klopfen. Ich habe den My Esel E-Gravel im Test ausgiebig durch den Dreck gezogen, über den Schotter und den Asphalt gejagt, habe ihn schonungslos an sein Reichweiten-Limit gebracht und ich habe den Motor aus seiner Kraftreserve gelockt. Test gelungen, Patient wohlauf und nach mehreren Tagen Schlammtherapie wieder sauber.

Der erste Eindruck zählt. Und bleibt hängen.

Das My Esel E-Gravelbike ist kaum zu übersehen. Egal, wo es auftaucht. Es bleibt nicht lange unbemerkbar. Stoisch steht es da. Die Walnuss-Optik verleiht dem Bike besondere Eleganz und Einzigartigkeit, die Shimano-Komponenten (GRX Di2) gliedern sich gekonnt in den Gesamteindruck ein und die Carbonlaufräder machen das Fahrrad mit dem Holzrahmen bereits im Stand schnittig und schnell. Auffällig ist die versteckte Präsenz von Motor und Akku. Das My Esel E-Gravelbike entpuppt sich erst beim genauen Hinschauen als E-Bike (Pedelec, wenn wir es genau nehmen). Dank Hinterradnabenantrieb und dem im Holzrahmen verbauten Akku. Ein frisiertes Bio-Bike. Besonderes Detail am My Esel E-Gravelbike ist der neue, alt bewährte Hollow-Tech Holzrahmen. Im Vergleich zu den früheren Modellen wurden hier die „Ecken“ abgerundet. Damit wirkt der Rahmen zärtlicher und weicher. Die Maserung wird perfekt akzentuiert. Befestigungsmöglichkeiten für Kotflügel, Licht und Gepäck sind auch schon serienmäßig mit dabei.

Der erste Eindruck ist gut. Er prägt sich ein und schraubt die Erwartungen nach oben. Entscheidend ist aber der Praxistest. Was können 42 NM Kraft und 250 Wh Ausdauer mit 15,8 kg Schönheit anfangen? Viel, ziemlich viel und das Ganze auch noch halbwegs lange.

Intelligent und behutsam die Unterstützung ausnutzen.

Schon beim ersten Tritt offenbart sich die Stärke des My Esel E-Gravelbikes. Quasi im Stand. Die Unterstützung ist im Bruchteil einer Sekunde dank Anfahrtshilfe sofort da und begleitet einen bis weit über die 25 km/h Schwelle hinaus. Das Ganze schon mit Stufe 1 von 3, wenn man es kann. Und will. Der My Esel E-Gravel im Test hat mich diesbezüglich wieder gelehrt, dass E-Bikes (Pedelecs) keine Motorräder sind. Man muss das System verstehen, um es zu nutzen. Hat man dieses „Grundverständnis“ intus, dann steht dem E-Bike-Spass nichts im Wege. Also nicht einfach darauf lostreten, sondern intelligent und behutsam die Unterstützung ausnutzen. Speziell bergauf. Das E-Gravel will zuerst mit Kopf gefahren werden, erst dann mit den Beinen.

42 NM sind jetzt nicht die Welt (und kein Motorrad). Sie reichen aber vollkommen aus, immer genug Unterstützung zu haben, um sich den Gegebenheiten anzupassen und ein stetiges Vorankommen zu garantieren. Stufe 1 reicht aus, um Bergpassagen mit bis zu 25 km/h+ hinauf zu cruisen. Natürlich mit entsprechender Bio-Unterstützung. Motor und Muskelkraft lassen die 15,8 kg schnell vergessen. Solange der E-Gravel rollt, rollt er. Und steht er einmal, bringt ihn zuerst die Anfahrtshilfe und dann die Unterstützung schnell ins Rollen. Das ist sein Geheimnis. Erst wenn man das E-Gravel wieder einmal heben muss, fällt das Gewicht auf.

42 NM reichen auch aus, im tiefen Boden oder bei Unebenheiten ständig Traktion zu haben (und zu finden). Ein gutes Taktgefühl vorausgesetzt. Der integrierte Drehmomentsensor weiß ganz genau, wann er mehr und wann er weniger Kraft mitsteuern darf und soll. Dieses Wissen gilt es gekonnt zu nutzen. Der My Esel E-Gravel im Test entpuppte sich als kraftvolles Spielzeug mit sanften Charakterzügen.

Schottern ohne Ende. Und dann weiter am Asphalt.

Stufe 1, 2 oder 3? Eins reicht, zwei habe ich ein paar Mal ausprobiert und drei habe ich einfach ignoriert. E-Bikes sind keine Motorräder. Außerdem läuft der Akku bei Stufe 1 lang genug, um das Ende der Unterstützung so lange wie möglich hinauszuzögern. Das längste der Gefühle waren 95 Kilometer gut dosierte und schlau verwaltete Reichweite. Immerhin mit 600 Höhenmetern bei einem Schnitt von 26 km/h. Ganz schön sportlich würde ich jetzt behaupten. Und auch so nieder- und unterschreiben. Ich würde gerne wissen, wie das Ganze mit dem optional erhältlichen 350 Wh Akku ausgegangen wäre.

Alles in allem fährt sich der My Esel E-Gravel sensationell gut. Das Rad wirkt kompakt und wendig, sportlich und komfortabel. Die von mir gefahrene Größe M hat Wind und Wetter überstanden, rasante Abfahrten überlebt und auch künstlich herbeigeführte Gefahrensituationen bravourös gemeistert. Die 45 mm Reifen sorgen immer für Halt, Stabilität und Spurtreue. Sogar ein fiktiver Elch-Test hat dem Rad nicht geschadet. Mir auch nicht. Und das, obwohl Vorder- und Hinterreifen mit reichlich Druck rolltauglich gemacht worden sind. Mit Hilfe der Traktion lässt sich das E-Gravel vom My Esel präzise steuern. Ein einfacher physikalischer Trick.

Und am Ende die Gretchenfrage.

Wer braucht denn eigentlich ein My Esel E-Gravel? Niemand. Vor dem Test wäre das meine voreilige und unüberlegte, teils egozentrische Antwort gewesen. Nachdem ich aber den My Esel E-Gravel testen, fahren und kennenlernen durfte, muss ich mir eingestehen, dass diese Frage weit komplexer ist. Dabei geht es wohl nicht um das Brauchen oder nicht. Wohl eher um das Wollen. Wer will denn eigentlich einen My Esel E-Gravel? Ich würde ihn wollen. Zum Beispiel als Alltagsfahrrad. Die Blicke, die das Rad auf sich zieht, sind Balsam für das Seelenego. Oder als spezielles Trainingsfahrrad. Kraftausdauer lässt sich damit sehr gut und effizient trainieren. Mit oder ohne Unterstützung. Und die Fahrt zum Bäcker wäre keine gewöhnliche Fahrt, sondern mehr ein Triumphzug. Eines ist sicher. Im Keller oder in der Garage würde der My Esel E-Gravel bei mir nicht verstauben. Es macht Spass und lässt den sportlichen Charakter nicht vermissen.

Gewünscht hätte ich mir unendliche Power für längere Ausfahrten (100k +). Weil man sich schnell an die Unterstützung gewöhnt und den Kopf lieber für andere Gedanken freihätte. So fährt ein Verbrauchsrechner ständig mit. Auch eine Bedienung des übersichtlichen und perfekt integrierten Displays vom Lenker aus, würde auf meiner Wunschliste stehen. Theoretisch sollte das die Di2 zulassen. Wenn dann obendrauf auch noch die Daten für Strava (zumindest Geschwindigkeit, Dauer und Entfernung) mit aufgezeichnet und gespeichert würden, wäre alles perfekt. Fast hätte ich es vergessen: Die Leistung hätte ich noch gerne gemessen gehabt.

Einen weiteren Aspekt möchte ich an dieser Stelle noch einbringen. Und zwar jenen der Leistungsnivellierung. Der E-Gravel gleicht aus, was manchmal an Kondition, Kraft und Motivation fehlt. So lässt sich eine Ausfahrt zu Zweit harmonischer gestalten. Aber das wäre jetzt ein ganz anderes (romantisches) Thema. Ein Thema, mit dem man sich auch die Finger verbrennen kann. Oder wie seht ihr das?

Cristian
#ktrchts

My Esel E-Gravel Facts:

Gefahren wurde das My Esel E-Gravel Performance Modell. UVP € 6.650,- inkl. Ust. Aufpreis für Maßfertigung € 800,-.

MotorUPEA

Der UPEA Antrieb ist eine Entwicklung der My Esel GmbH. Der leichte und dynamische Nabenantrieb bietet ordentlich Kraft und eignet sich perfekt für hügeliges Gebiete. Das ganze geräuschlos und unsichtbar im Fahrrad integriert.

– Viel Power dank des dynamischen Nabenmotors mit 250 W I 42 Nm
– 100 % Freilauf für optimale Nutzung ohne Antrieb
– Sanfte und kontrollierte Steuerung durch Drehmomentsensor
– Reduziertes und übersichtliches Display
– Schiebehilfe mit 5 km/h
– Geräuschärmste Antrieb am Markt
– USB Ladebuchse für Smartphones
AkkuHochwertiger 250 Wh Akku (optional 350 WH) I Serviceöffnung und Ladebuchse am Rahmen
Reichweite80 km
* Bei den Reichweitenangaben handelt es sich um durchschnittliche Erfahrungswerte von My Ese. Aufgrund von Topografie, Unterstützungsstufe und Eigenleistung sind aber auch deutlich höhere oder geringere Reichweite im Vergleich zur Angabe möglich.
Ladezeit100 % in 3 Stunden I 60 % ca. 1 Stunde
RahmenMy Esel HollowTech Rahmen aus Walnuss
hohe Steifigkeit, robust und alltagstauglich, dämpft Vibrationen perfekt, bietet hohe Laufruhe, Befestigung für Flaschenhalter, Ständer, Kotflügel. Licht und Gepäck
TypologieGravel
GabelMy Esel Carbongabel mit Aluschaft
SattelSattel Selle SLR BOOST SF
SattelstützePRO Discover Seatpost Carb 27,2/20
BremseShimano BR-RX810
SchaltungShimano GRX Di2 1 x 11
KurbelMy Esel Kurbel mit Drehmomenttretlager
LaufradsatzPancho Wheels Carbon-Hochflanschfelge
BereifungSchwalbe G-ONE Allround 45×622
Gewicht15,8 kg