In the books. Erledigt. Geschafft. Abgehakt. Überlebt. Mission accomplished. Die Bucket List ist um eine Schnapsidee ärmer. Ich habe es getan, wir haben es getan. Meine Idee, den längsten Tag im Jahr mit der (bisher) längsten Ausfahrt des Jahres zu zelebrieren, wurde umgesetzt. Eine Tradition wiederbelebt. 200 Kilometer sind schnell einmal gefahren. 300 Kilometer am Stück mittlerweile auch. 400 Kilometer hingegen sind eine magische Zahl, die bisher nur Randoneurs und verrückte #festive500 FahrerInnen in der Nonstop-Version sowie Ultracycling-Freaks regelmäßig übertreffen. 400 Kilometer en suite sind eine Ansage. Ein Türöffner in eine andere Welt. Die Welt des Ultracycling. Mit #pannonia400 wurde diese Tür geöffnet und das erste Social Ultracycling Event ins Leben gerufen.
Ein langer Tag schreit nach einer langen Ausfahrt.
Der 21. Juni ist bei uns der längste Tag im Jahr. Es ist dann rund um Wien mehr als 16 Stunden hell. Die perfekte Gelegenheit, diesen Umstand zu nutzen, sehr lange am Rad zu sitzen, ohne im Dunkeln herumgurken zu müssen. Wie schon vor Corona (!). Damals ging es von Wien nach Linz und wieder retour. Flach und schnell. Diesmal musst das Burgenland als Kulisse dienen. Die Streckenplanung war nicht schwer. Ich brauchte nur „Rund ums Burgenland“ kürzen. Fertig. Von Eisenstadt nach Eisenstadt. Über die Ausläufer der Buckeligen Welt, dem höchsten „Pass“ Burgenlands, einem kleinen Abstecher nach Ungarn (und Niederösterreich) und durch die Tiefen des Seewinkels (pannonische Tiefebene).
Vorbei an den burgenländischen Weinbaugebieten wie dem typischen Uhudler im Südburgeland, dem Blaufränkisch im Mittelburgenland und den Neusiedler DAC, Ruster Ausbruch DAC oder Leithaberg DAC im Nordburgenland. Für Wein hatten wir aber keine Zeit. So wie wir keine Zeit hatten für andere Sehenswürdigkeiten. Unser Blick galt der Uhr und dem Himmel. Dann das beste Wetter hatte ich mir für dieses Social Ultracycling Abenteuer leider nicht ausgesucht.
Teamarbeit ist Dreamarbeit.
Fahren. Die Strategie hieß einfach nur fahren. Dauere, was es wolle. Aus der Morgendämmerung heraus in die Abenddämmerung hinein. Keine besondere Strategie, aber alles andere hätte nur Stress bedeutet. Natürlich war ich mit Licht ausgestattet und mein Rennrad teilweise noch RACA-tauglich beklebt. Sicherheit geht immer vor. Was auch für die Mitfahrenden gelten musste. Mitfahrende, die bunt zusammengewürfelt waren und dem Aufruf via Social Media sowie durch persönliches Zurufen zusammengekommen sind. Insgesamt acht haben die 400er-Marke geknackt. Davon 2 Damen. Conny, eine Rookie (längste Ausfahrt bisher 200 Kilometer und seit erst einem Jahr am Rennrad) und Pia, eine Veteranin – zigfach Brevet-erfahren und Finisherin bei Paris-Brest-Paris. Bei den Männern „on stage“ Patrick, RAN-Finisher, Stefan (Wiederholungstäter) sowie Wolfgang, Heinz und Roman bei ihrer Premiere über diese Distanz. Unterstützt wurden wir von weiteren fünf Fahrern, die mitgefahren, später eingestiegen und früher ausgestiegen sind. Ihnen gilt auch der Dank für den einen und anderen Windschatten-Kilometer.
Insgesamt waren vier Pausen eingeplant – am Ende waren es sechs. Eine unfreiwillige wegen es Defektes (Platten) und eine notwendige wegen Flüssigkeitsmangel gesellten sich dazu. Supermarkt nach Kilometer 113 in Stegersbach und nach Kilometer 196 in Lockenhaus, eine dringend benötigte ungarische Bäckerei nach Kilometer 260 in Fertöd, eine kurz vor Ladenschluss überfallsartig geplünderte Bäckerei in Nickelsdorf und die lebensrettende AGIP Tankstelle in Bruck an der Leitha. Gegessen haben wir durch und durch ungesundes Glumpert mit viel Zucker. Getrunken haben wir nicht viel Besseres und Gesünderes. Am Ende standen wir alle mit einem Wasserbauch da. Seitliche Aufnahmen wurden kurzerhand verboten. Social Ultracycling dient auch dazu, sich anderen anzupassen und über die eigenen Gewohnheiten und Besonderheiten in der Ernährung hinwegzusehen. Kleiner Tipp: Salametti mit einem Salzstangerl wirken Kraft-Wunder. BiFis auch.
Beobachten, plaudern, zuhören. Das ist auch Radfahren.
Über 14 Stunden am Rad sitzen und über 17 Stunden zusammen sein. Da lernt man sich und seine Grenzen kennen. Aber auch die Mitfahrenden. Man beobachtet, man plaudert, man hört zu und man stellt Fragen. Gruppenfahren ist Gruppendynamik. Das macht es schwierig und interessant gleichzeitig. Wer, was, wie, wann und wo? Darüber habe ich schon einmal ein paar Zeilen geschrieben. Interessant, dass sich einiges wiedergefunden und bewahrheitet hat. Damit wäre dieses Thema erledigt. Es gibt Rennradfahrende, die gerne in der Gruppe fahren (und den Schutz sowie die Motivation der Gruppe brauchen) und es gibt Rennradfahrende, die in der Gruppe auch gerne allein fahren.
Die moderne Technik spielt dabei auch seine Rolle. Sie hilft und schadet manchmal gleichzeitig. Ohne Track fährt heutzutage kaum jemand los. Auch in Gruppenausfahrten „will“ der Track als Unterstützung geladen sein. Das ist als Guide gut, denn man kann sich dann hinterm Feld mit anderen Dingen beschäftigen. Fotografieren, ausruhen oder pinkeln. Ohne dass dabei die Gruppe von der Strecke abweicht. Wenn da nicht jene wären, die ohne Track ausreißen oder sich mit Track verfahren. Solange alle wieder auf die richtige Spur kommen, soll das alles kein Problem sein (und vor allem keine Polemik erzeugen). Auch finden Ausreißer ohne Track die angepeilte Nahrungsaufnahmestelle, weil Hunger und Durst beste Navigationshilfen sind.
Ultracycling Learnings.
Akkustand-Check: Es ist wenig hilfreich, wenn man (ich) den Garmin Edge vorsichtshalber die ganze Nacht an die Stromversorgung anschließt, um kurz vor der Abfahrt um 4 Uhr feststellt, dass der Akkustand bei 27 % liegt. Not macht erfinderisch. Ich wollte immer schon die Powerbank testen. Also, Lenkertasche rauf, 900 Gramm schwere Powerbank rein, oldschool Garminhalterung auf den Vorbau und Gerät anschließen. Nach drei Stunden Fahrzeit hatte ich 100 % Akkustand, das Garmin-Gerät wieder aerodynamisch vor dem Vorbau platziert und die ganze weitere Tour kein Stromproblem mehr. 25 % waren im 5 Jahre alten Edge 1030 am Ende noch vorhanden. Ich hätte noch weiterfahren sollen. Ohne Powerbank wäre sich das also nicht ausgegangen.
Gummibärchen: Neben BiFi sind Gummibärchen „Best of Junkfood“. Ich hatte die vegane Version von Katjes mit dabei. Traumhaft.
Schulmäuse: Auf meiner Bestenliste auch Schulmäsue. Flaumig zartes Hefeteiggebäck gefüllt mit cremiger Nuss-Nougat-Füllung. Dazu ein Cappuccino. Weckt den Pogačar in dir.
Flüssigwachs: Diesmal habe ich wieder Flüssigwachs verwendet. Das hat sich ausgezahlt. Die Kette lief nach 400 Kilometern, reichlich Wasser von oben und von unten, Staub und Dreck immer noch lautlos und geschmeidig.
Radhose: Das Beste ist mir gut genug. Aber was ist das Beste? Ich behaupte einmal, meine Radhose war es. Keine Probleme, kein Rutschen, kein Scheuern, kein Schaum (Achtung Insider). Den ganzen Tag lang ein schmerzfreier Übergang zwischen trocken, nass und verschwitzt. Übrigens trage ich bei den Hosen Größe S. Vielleicht sitzt sie deswegen so gut.
Kopfsache: Es war nicht mein erster 400er. Aber für einige war es eine Premiere. Ich konnte mir schon ausrechnen, was auf mich zukommen hätte können. Wie das die anderen gemacht haben? Ich würde es gerne wissen. Die Gruppendynamik allein kann es nicht gewesen sein.
Packen: Probieren geht über Studieren und Fluchen. Patrick und Conny waren bestens ausgestattet und hätten wohl mehrere Tage unterwegs sein können. Weil sie die Gelegenheit beim Schopf gepackt haben und sich auf Größeres einstimmen wollten. 2 x Licht vorne, 1 x Arschrakete hinten, 2 x Flasche hinten (an der Arschrakete stylisch und aerodynamisch befestigt), 1 x Warnweste … 13,5 kg schwer war Patricks Tarmac S-Works mit Felgenbremsen!
Pannonia 400 ein Klassiker?
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Ultracycling Events. Self-supported oder supported. Man kann es sich aussuchen. Was es noch nicht gibt, sind Social Ultracycling Events, bei denen man „schnuppern“ kann. Pannonia 400 wäre in Zukunft eine ideale Gelegenheit dazu. 400 Kilometer im Schutz und im Windschatten einer Gruppe. Jährlich um die Sommersonnenwende. Am längsten Tag im Jahr, die längste Ausfahrt im Jahr. Außer man ist ein Freak, ein Randoneur, ein male oder female Ultracyclist.
Sagen wir es einmal vorsichtig. Nächstes Jahr ist die Sommersonnenwende am 21. Juni. Das wäre ein Samstag. Was wieder perfekt wäre.
#ktrchts
Cristian
PS: Ich brauche mehr Mitgefühl: Ich muss mich besser abgrenzen. Und lernen, die Geräusche der anderer Fahrräder auszublenden. Was habe ich mitgefühlt? Speziell dann, wenn im Wiegetritt ein spanisches Kastagnetten-Konzert die Ruhe und Idylle störte. Es war nicht mein Rennesel. Es hat aber trotzdem wehgetan.